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Spenderorgane knapp - das wären Alternativen

Gudrun Heise
4. Juni 2021

Im Jahr 2020 benötigten in Deutschland etwa 9400 Menschen ein Spenderorgan. Nicht einmal die Hälfte von ihnen bekam eines. Künstliche Organe wären eine Lösung, und die Forschung stimmt optimistisch.

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Symbolbild Organspende
Bild: imago/McPHOTO

Organe, die im Labor gezüchtet werden oder Organe von Tieren könnten irgendwann die menschliche Organspende ersetzen. Das könnte auch eine Lösung dafür sein, dass es noch immer viel zu wenige menschliche Spenderorgane gibt.

Welche Organe eignen sich?

Zwischen 1963 und 2020 wurden in Deutschland insgesamt 142.584 Organtransplantationen durchgeführt: 90.642 Nieren 27.095 Lebern, 13.773 Herzen, 6960 Lungen und 4114 Bauchspeicheldrüsen. Eine Niere war das erste Organ, das 1954 erfolgreich transplantiert werden konnte. Heute stehen Nieren ganz oben auf der Liste der benötigten Spenderorgane. 

Das Kunstherz

Der argentinische Arzt Domingo Liotta entwickelte am Texas Heart Institute in Houston am 4. April 1969 das erste Kunstherz. Es wurde einem 47-jährigen Patienten eingesetzt und nach 65 Stunden gegen ein gesundes menschliches Herz ausgetauscht. Kurze Zeit später allerdings verstarb der Mann.

Auch mehr als 50 Jahre nach dieser Operation dient ein Kunstherz nicht als Dauerlösung und kann ein menschliches Organ nicht ersetzen. Aber es kann einen gewissen Zeitraum überbrücken, bis ein Spenderorgan vorliegt. Menschen, die dringend ein Spenderherz benötigen, warten darauf bis zu zwei Jahre. In dieser Zeit kann ein Kunstherz das natürliche Herz eines Patienten zumindest unterstützen. Aber es birgt auch Risiken.

Ein Kunstherz funktioniert mithilfe eines Pumpsystems und wird über ein Kabel daran angeschlossen. Wenn Keime über diese Vorrichtung in den Körper des Patienten gelangen, können schwerwiegende Infektionen auftreten. Bei der eigentlichen Transplantation können Blutungen entstehen, die dann wiederum Schlaganfälle auslösen können.

Auch nach mehr als einem halben Jahrhundert haben Forscher noch kein Kunstherz entwickeln können, das so gut funktioniert wie das Wunderwerk in unserem Körper. Aber es besteht die Hoffnung, dass Kunstherzen in Zukunft nicht mehr nur als Übergang, sondern als endgültige Lösung für viele herzkranke Patienten dienen könnten. 

Neues Kunstherzsystem Heartmate III
Noch ist das ideale Kunstherz nicht gefundenBild: picture-alliance/dpa

Immer wieder gibt es neue Konstruktionen und Ausführungen von künstlichen Herzen, die Anlass zur Hoffnung geben. Eine der jüngsten Errungenschaften ist "Carmat", eine Hightech-Pumpe, die mit Membranen arbeitet, 750 Kubikzentimeter groß ist und 900 Gramm wiegt. Ein Elektromotor treibt die Membranen an, die sich dann hin- und herbewegen und das Blut so durch den Körper treiben.

Tissue-Engineering

Organe im Labor herstellen zu können, ist das Ziel des Tissue-Engineering. Dabei sollen einmal ganze Organe aus körpereigenen Zellen künstlich produziert werden. Es ist ein aufwändiges und kompliziertes Verfahren. Die Stammzellen oder Gewebezellen eines Patienten werden in einem Labor vervielfältigt und zu einem neuen Organ entwickelt, das dann dem Empfänger eingesetzt wird. Soweit die Theorie.

Bis es soweit ist, dass ein Organ aus der Petrischale einem Menschen eingepflanzt werden kann und dort dann die Aufgaben des ursprünglichen Organs übernimmt, wird es noch dauern, da sind sich die Experten einig. 

Ein Mediziner hält eine Petrischale mit Nanocellulose in die Kamera
Noch sind in der Petrischale gezüchtete Organe ZukunftsmusikBild: picture alliance/ZB/J.-P. Kasper

Ein Problem ist die Größe: Nieren- und Lebergewebe gibt es bereits aus dem Labor, aber die Organe, die daraus entstehen, sind verglichen mit dem jeweiligen menschlichen Organ nicht groß genug. Forscher müssen also Verfahren entwickeln, mit denen sie Größenverhältnisse herstellen können, die dem Original möglichst nahe kommen. 

Organe aus dem 3-D-Drucker

Drucker, so wie wir sie bislang kannten, bedrucken Papier. Die Forschung aber macht Hoffnung, dass 3-D-Drucker irgendwann einmal voll funktionstüchtige Organe drucken können. Die ersten Schritte sind gemacht. Etliche Objekte können schon heute mit einem 3-D-Drucker hergestellt werden.

Beim 3-D-Druck wird Material Schicht für Schicht aufeinander aufgetragen. Nach vorgegebenen Maßen werden Gegenstände computergesteuert angefertigt. Als Material dienen feste und flüssige Werkstoffe. Bislang arbeitet die Industrie dabei vor allem mit Kunststoffen, mit Kunstharzen und Keramiken. Auch spezielle Metalle werden für den 3-D-Druck eingesetzt. 

Künstliche Oberfläche für Knochenzellen aus dem 3-D-Drucker unter dem Mikroskop
Objekte aus dem 3-D-Drucker werden immer ausgeklügelter, wie diese künstliche Oberfläche für KnochenzellenBild: Italian Institute of Technology/Center for Micro-BioRobotics @SSSA

Auch im medizinischen Bereich konnten Forscher schon etliche Körperteile erfolgreich mit einem 3-D-Drucker herstellen. Dazu gehören etwa künstliche Eierstöcke, aber auch Knochen, Knorpel und Muskelgewebe. 2019 druckten israelische Forscher sogar ein Herz aus menschlichem Gewebe. Ausgereift ist die Methode allerdings noch lange nicht. 

Gedruckt wurde mit sogenannter Bio-Tinte. Um sie zu erzeugen, ist ein kompliziertes Verfahren nötig. Forscher verarbeiten dabei menschliches Gewebe über verschiedene Schritte zu einem Gel, der Bio-Tinte. Die besteht aus dem Gewebe des Empfängers. Sie ist für den Körper also nicht fremd und wird daher - so die Vermutung der Wissenschaftler - vom Körper nicht so leicht abgestoßen. Das ist bei der Transplantation von menschlichen Spenderorganen noch immer ein Problem. 

Xenotransplantation - Tiere als Ersatzteillager

Bei der Xenotransplantation steht vor allem das Schwein im Mittelpunkt der der Forschung, denn physiologisch sind die Organe des Schweins denen des Menschen ähnlich. Damit würden Tiere gewissermaßen zu Organfabriken. Erste Versuche dazu haben Forscher schon an Affen durchgeführt, allerdings nicht besonders erfolgreich, da die Organe sehr schnell abgestoßen wurden. 

Infografik Xenotransplantation DE

Als Xenotransplantation gelten auch die Herzklappen von Schweinen. Bereits in den 1970er-Jahren entwickelte der französische Chirurg Alain Carpentier biologische Herzklappen. Sie bestehen aus tierischem Gewebe. Das Risiko einer Abstoßungsreaktion ist gering und  - anders als bei künstlichen Herzklappen - müssen die Patienten nicht lebenslang Blutverdünner einnehmen. Die Herzklappen leiten das Blut mit jedem Herzschlag in die richtige Richtung weiter. Das geschieht 100.000 Mal täglich - eine unglaubliche Leistung also. 

Herzklappen von Schweinen werden seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt, haben aber keine unbegrenzte Lebensdauer, da sie einem natürlichen Verschleiß unterliegen. Tierische Herzklappen - auch die aus dem Gewebe von Rindern - setzen Mediziner zumeist bei älteren Menschen ein. Die Operation gehört mittlerweile zu den Routineeingriffen. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung kann es auch beim Einsatz einer vom Tier stammenden Herzklappe zu Problemen kommen. So können durch die Organtransplantation Viren in den menschlichen Körper gelangen. Um das zu verhindern, müssten die Wissenschaftler die Schweine, die als Spender dienen, in einer sterilen Umgebung halten, also auf einer Art Isolierstation. Meistens aber kommen die Tiere direkt vom Schlachthof. 

Künstliche Hornhaut fürs Auge

Auch bei der Transplantation von Augenhornhaut ist die Forschung mittlerweile einen Schritt weiter, denn noch immer fehlen auch hier menschliche Spender. Im Labor arbeiten Forscher bereits an der Xenotransplantation. Bei der experimentellen Laborforschung können Zellen aus Schweine-Hornhäuten so verändert werden, dass sie keine Immunreaktionen beim Menschen hervorrufen. Dann werden die Zellen neu zusammengesetzt

Etwa 6000-mal im Jahr führen Chirurgen die Transplantation von Augenhornhaut durch. Ein solcher Eingriff wird beispielsweise notwendig, wenn die Hornhaut eingetrübt oder verletzt ist und das Sehvermögen dadurch stark beeinträchtigt wird oder sogar die Gefahr droht, dass die Patientin oder der Patient erblinden könnten.

Ist die Erkrankung bereits weit fortgeschritten, kann die klare Spenderhornhaut die getrübte Empfängerhornhaut ersetzen. Das Sehvermögen der Betroffenen kann so weitestgehend wiederhergestellt und die Lebensqualität enorm gesteigert werden.

Für die Operation gibt es zwei gängige Verfahren. Die Operateure können entweder das komplette Auge entnehmen oder sie entnehmen lediglich die eigentliche Hornhaut und die darum liegende Lederhaut, die weiße Augenhaut.

Die Chancen, dass die Transplantation erfolgreich verläuft, sind gut, denn der Körper reagiert kaum auf das Transplantat, und Abstoßungsreaktionen sind äußerst selten.