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Wirtschaftsriesen im Clinch

Hans Spross10. Dezember 2013

Könnte der chinesisch-japanische Territorialkonflikt sogar bis zum Krieg eskalieren? Wirtschaftsexperten verweisen auf die enge regionale Integration beider Länder, die ein solches Szenario unwahrscheinlich mache.

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Inselgruppe Senkaku/ Diaoyu-Inseln (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images

Mit der Ausrufung einer Flugüberwachungszone über dem Ostchinesischen Meer hat Peking den seit langem schwelenden Territorialkonflikt mit Japan erneut angeheizt. Mit seiner Maßnahme verfolgt Peking - da sind sich unabhängige Beobachter einig - nur ein Ziel, nämlich seine Territorialansprüche gegenüber Japan zu untermauern.

Das Konfliktpotential zwischen Japan und China hat sich damit weiter verstärkt: "Jeder Verantwortliche in China hat jetzt eine Handhabe, um japanische Flugzeuge zu verfolgen", schreibt etwa der britische "Economist". Manche Beobachter sehen sogar schon dunkle Kriegswolken, die sich über Fernost zusammenbrauen.

"Der jetzige Schritt der chinesischen Regierung mit der Erklärung der Flugzone wird bei weitem nicht als so bedrohlich eingestuft wie die Auseinandersetzungen nach der Verstaatlichung einiger umstrittener Inseln durch Japan 2012", meint dagegen Detlef Rehn vom Tokioter Büro der deutschen Außenhandelsorganisation GTAI. Die japanische Wirtschaft sehe zwar durchaus, dass nationalistisch aufgeladene Differenzen zwischen China und Japan eine Gefahr für die Geschäftsinteressen darstellen könnten: "Aber das wird hier nicht sehr hoch gehängt", so die Einschätzung des deutschen Beobachters in Tokio.

Friedliche Beziehungen auf beiden Seiten geschätzt

Der japanische Wirtschaftsdachverband Keidanren habe vor kurzem eine stark besetzte Delegation zu Gesprächen mit hochrangigen Politikern nach China geschickt. Auch auf dieser Ebene werde also für eine Fortführung der gegenseitig vorteilhaften friedlichen Beziehungen gearbeitet, sagt Rehn im Gespräch mit der DW.

Toyota in Shanghai NEU
Bild: Peter Parks/AFP/Getty Images

Der amerikanische Wirtschaftsexperte Christopher Balding von der HSBC Business School in Shenzhen warnt davor, von der nationalistischen Rhetorik mancher amtlichen Verlautbarungen auf die generelle Stimmung in China zu schließen: "Wenn man mit den Leuten spricht, ist ganz klar das Bewusstsein vorherrschend, dass beide Seiten von friedlichen bilateralen Beziehungen profitieren", sagte Balding gegenüber der DW. Sowohl Sushi-Lokale als auch Toyota-Autos erfreuten sich ungebrochener Beliebtheit.

Gegenseitige Abhängigkeiten

Eine Beliebtheit, deren Kehrseite eine einseitige Abhängigkeit in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ist. Denn bei einer massiven Verschlechterung der bilateralen Beziehungen würde Japan wirtschaftlich stärkere Einbußen hinnehmen als China - auf den ersten Blick. Immerhin ist China der größte Importeur japanischer Waren und Japan hat knapp 300 Milliarden US-Dollar im Reich der Mitte investiert. In beiden Kategorien - Export und Investitionen im Ausland - ist umgekehrt China in viel geringerem Maße nach Japan orientiert.

Allerdings ist das Verhältnis nicht ganz so einseitig, worauf Detlef Rehn von German Trade and Invest (GTaI) hinweist. So werde etwa die Photovoltaik in Japan jetzt stark gefördert, dort seien chinesische Anbieter führend. Außerdem verspreche sich China Zugang zu Technologien, über die es selber nicht verfügt. "Das würde China schon schmerzen, wenn dieser Zugriff plötzlich nicht mehr möglich wäre." Der japanische Autobauer Toyota beispielsweise, der nach den Exportverlusten durch die anti-japanischen Ausschreitungen vom September 2012 längst wieder zu alter Stärke auf dem chinesischen Markt gefunden hat, investiert in China in Kooperation mit chinesischen Partnern in die Weiterentwicklung seiner Hybrid-Technologie.

Verflechtung mit der ASEAN-Region

Rehn weist auch darauf hin, dass China nicht mehr wie in den vergangenen Jahren automatisch der bevorzugte Investitionsstandort für Japan wie in den vergangenen Jahren sei. "Japanische Unternehmen ziehen sich teilweise wieder aus China zurück oder überlegen sich genau, was sie dort belassen." Das liege daran, dass die Arbeitskosten in China stiegen, "da werden dann Länder wie Myanmar und Vietnam zunehmend interessant."

Wen Jiabao mit Amtskollegen aus Thailand und Vietnam in Hanoi 2010 (Foto: EPA)
Die wirtschaftliche Verflechtung Chinas mit der ASEAN-Region wird seit dem Freihandelsabkommen 2010 immer engerBild: picture-alliance/dpa

Japan erschließt sich also neue Märkte und Produktionsstandorte in der Region, wie es auch China tut. So hat sich das Handelsvolumen zwischen China und den südostasiatischen ASEAN-Staaten nach einem Freihandelsabkommen von 2010 verdoppelt, die ASEAN ist nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner Chinas.

"China ist sich der Risiken seines Auftretens bewusst"

Die wirtschaftlichen Implikationen des chinesisch-japanischen Territorialstreits spielen sich also keineswegs nur im Rahmen der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ab. Und eben diese weiteren regionalen Abhängigkeiten und Verflechtungen können nach Ansicht von US-Experte Balding einen hemmenden Einfluss auf ein aggressives Auftreten Chinas haben: "Die Hauptgefahr für China, falls es einen wirklich harten Kurs gegenüber Japan fährt, rührt weniger aus möglichen Verlusten in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Japan her." Vielmehr würden andere asiatische Unternehmen ihre Investitionsstrategien in Bezug auf China fundamental überdenken, "sollte China tatsächlich massiv gegen japanische Wirtschaftsinteressen vorgehen."

Für Balding ist es nicht überraschend, dass die wirtschaftliche Supermacht China ausprobieren will, wie weit sie gehen kann, um einen regionalen Vormachtanspruch durchzusetzen, "es schreckt vor Säbelrasseln nicht zurück." Aber gleichzeitig sei sich China sehr bewusst, welche Risiken es eingeht, wenn es den Bogen überspannt. Ganz Südostasien würde seine Schlüsse ziehen, wenn China gegenüber Japan zu weit geht.