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Wachstum wird zum Miniwachstum

7. April 2013

Die französische Regierung verabschiedet sich nach und nach von ihren Wachstumszielen. Finanzminister Moscovici senkte die Konjunkturprognose für dieses Jahr und 2014 deutlich. Wird das Land zum Problemfall der Eurozone?

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Blick in die Montagehalle beim franzözischen Autobauer PSA Peugeot Citroen in Aulnay-sous-Bois nördlich von Paris (Foto: AP)
Symbolbild Frankreich Wirtschaft Defizit PeugeotBild: picture-alliance/AP

Der französische Finanzminister Pierre Moscovici kündigte für 2013 nur noch ein Miniwachstum von 0,1 Prozent an. Für 2014 erwartet er nur noch, dass die Wirtschaft um 1,2 Prozent zulegt. Ursprünglich war ein Wachstum von 0,8 Prozent für dieses und 2,0 Prozent für das nächste Jahr angepeilt worden. Damit schwenkt Paris nun auf die Vorhersagen der EU-Kommission ein. Zuvor hatte die Regierung von Präsident François Hollande eine schnellere Erholung vorhergesagt.

Moscovici sagte dem Sender i-Tele, er erwarte positive Auswirkungen der Konjunkturentwicklung auf den Arbeitsmarkt für 2015, ein Jahr später als zunächst erwartet. Die Arbeitslosenquote in Frankreich liegt aktuell bei fast elf Prozent und damit so hoch wie seit 1999 nicht mehr. Hollande hatte noch Ende März betont, er setze auf eine Umkehr des Trends auf dem Arbeitsmarkt bis zum Jahresende. Dies sei keine Frage des Glaubens, sondern ein Ziel.

Die nach Deutschland zweitgrößte Wirtschaftsnation im Euro-Raum hatte im vierten Quartal 2012 ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal von 0,3 Prozent verzeichnet. Für das gesamte Jahr 2012 stand in Frankreich ein Null-Wachstum zu Buche - also eine Stagnation. Im Jahr 2011 war das BIP nach Angaben der Statistikbehörde Insee noch um 1,7 Prozent gewachsen.

Werden nun Firmenbeteiligungen verkauft?

Um den Staatshaushalt zu sanieren, erwägt die Regierung den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen. Im Zuge der Restrukturierung des Budgets denke man über "eine Änderung unserer Beteiligungen" nach, sagte Industrieminister Arnaud Montebourg am Freitag der US-Finanzzeitung "Wall Street Journal". Die Regierung wolle aber nicht ihren Einfluss auf die Unternehmen verlieren. Der französische Staat ist Mehrheitsaktionär unter anderem beim Stromriesen EDF und dem Atomkonzern Areva. Er hält zudem Teile an Konzernen wie France Télécom, der Fluggesellschaft Air France-KLM, dem Gasriesen GDF Suez und dem Autobauer Renault.

Die französische Regierung hatte kürzlich einräumen müssen, das für dieses Jahr angestrebte Defizitziel von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht zu erreichen. Stattdessen wird nun mit einer Neuverschuldung von 3,7 Prozent gerechnet. Die Regierung will aber 2014 wieder die EU-Vorgabe eines Defizits von höchstens drei Prozent einhalten.

"Ein ernsthaftes Risiko"

Angesichts der Wirtschaftsdaten erklärte der renommierte Ökonom Thomas Mayer, Frankreich sei inzwischen "Europas kranker Mann" und "ein ernsthaftes Risiko". Es profitiere allerdings in hohem Maß "von seiner politischen Nähe zu Deutschland". Mayer, bis 2012 Chefvolkswirt und heute Berater der Deutschen Bank, sagte der "Welt am Sonntag": "Allein auf der Basis der Fundamentaldaten betrachtet könnten französische Finanzwerte mit höheren Risikoaufschlägen als italienische bewertet werden." Wegen seines großen Einflusses auf die europäische Politik störe sich der Markt jedoch wenig daran. Für Frankreich selbst sei dies aber fatal, es fehle der "unverzichtbare Druck der Märkte für Reformen".

Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank (Foto: picture alliance)
Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen BankBild: picture alliance/ZB

Mayer hat nach eigenen Angaben die Leistungsbilanzsalden, die Staatsverschuldung, die Budgetdefizite und die Größe des Bankensektors analysiert. Frankreich hat demnach erheblichen Nachholbedarf in beinahe allen Bereichen außer bei der Größe seines Bankensektors, der nur leicht über dem Durchschnitt im Euro-Raum liege.

kle/gd (dpa, rtr, afp)