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Vor 200 Jahren: "Fidelio"

Marita Berg19. Mai 2014

Beethovens einzige Oper "Fidelio" war sein liebstes Kind. Und sein Sorgenkind. Nach 10 Jahren quälender Arbeit mit Umarbeitungen und vier verschiedenen Ouvertüren wurde die endgültige Fassung 1814 uraufgeführt.

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Sammelbildchen der Liebig Company's Fleisch-Extract zum 3. Akt, 3. Szene von Beethovens Oper Fidelio (Foto: picture alliance/akg-Images)
Bild: picture alliance/akg-images

Die wenigsten Theaterbesucher ahnen, wie viele Opern Ludwig van Beethoven im Laufe seines Lebens eigentlich komponieren wollte. Schon in den frühen Bonner Jahren entdeckte er für sich den Reiz der dramatischen Form. Ständig war er auf der Suche nach einem geeigneten Stoff. Immer wieder testete er literarische Vorlagen auf "Operntauglichkeit", um sie nach ersten Skizzen schnell wieder zu verwerfen. Auch die Entstehungsgeschichte seines einzigen realisierten Opernprojekts, "Fidelio", war für Beethoven ein jahrzehntelanger Kampf, eine Folge von Misserfolgen, Kompromissen und Enttäuschungen.

"Die ganze Sache mit der Oper ('Fidelio') ist die mühsamste von der Welt. Es ist ein großer Unterschied, sich dem Nachdenken oder der freien Begeisterung überlassen zu können. Kurzum, ich versichere, die Oper erwirbt mir die Märtyrer-Krone." Als Beethoven diesen Satz 1814 schrieb, arbeitete der Komponist bereits an der dritten und endgültigen Fassung, die am 23. Mai 1814 die umjubelte Uraufführung im Kärtnerthortheater in Wien erlebte und schnell die Bühnen in ganz Europa eroberte.

Durchbruch

Nach der erfolgreichen Premiere der Ballettmusik "Die Geschöpfe des Prometheus" wurde auch die Wiener Theaterwelt auf den bis dahin nur als Instrumentalkomponisten bekannten Beethoven aufmerksam. Im Frühjahr 1804 erhielt er vom Direktor des Theater an der Wien den Auftrag, eine neue Oper zu komponieren. Als Textvorlage sollte ein französisches Werk dienen: "Leonore oder Die eheliche Treue". Das Libretto, das auf einer wahren Begebenheit in der Zeit der französischen Revolution basiert, war schon mehrfach erfolgreich vertont worden.

Beethoven war begeistert. Die Geschichte der Leonore, die als Mann verkleidet ihr Leben riskiert, um den aus politischen Gründen inhaftierten Ehemann aus dem Gefängnis zu befreien, entsprach seiner Vision einer Oper. Hier sah er die Möglichkeit, seiner persönlichen Begeisterung für die Ideale der Französischen Revolution Ausdruck zu verleihen. Sofort begann er mit der Komposition und vollendete die Partitur im Herbst 1805.

Portrait von Ludwig van Beethoven in Wien um 1804 von Willibrord Joseph Maehler (Foto: Picture-alliance/dpa)
Beethoven um 1804Bild: picture-alliance/ dpa

Misserfolg

Die Uraufführung, am 20. November 1805 im Theater an der Wien, wurde für Beethoven zum Fiasko: Nach nur zwei Vorstellungen wurde die Oper vom Spielplan genommen. "Eine neue Beethovensche Oper: Fidelio oder Die eheliche Liebe, gefiel nicht", urteilte die Kritik. "Die Musik hat einige hübsche Stellen, aber sie ist sehr weit entfernt, ein vollkommenes, ja auch ein gelungenes Werk zu sein." Ursache für diesen Misserfolg war aber vor allem der unglückliche Premierentermin: Eine Woche zuvor hatten napoleonische Truppen Wien besetzt. Den Wienern stand der Sinn nicht nach Theater, viele waren aus der Stadt geflüchtet. Im Publikum saßen vor allem französische Soldaten, die die deutschen Texte nicht verstanden und mit Beethovens Befreiungsbotschaft nichts anzufangen wussten.

Das Bild zeigt Beethovens Originalpartitur zeigt den Anfang des Terzetts 'Euch werde Lohn in bessern Welten' aus der Erstfassung seiner Oper "Fidelio" (Foto: Picture-alliance/akg-Images)
Ein Fiasko: Terzett der Originalfassung von 1805Bild: picture-alliance/akg-images

Enttäuscht machte sich Beethoven sofort an die Umarbeitung seiner Oper. Jugendfreund Stephan von Breuning straffte das Textbuch. Aus dem dreiaktigen wurde ein zweiaktiges Werk. Doch auch diese gekürzte Fassung, die am 29. März 1806 aufgeführt wurde, erzielte nur mäßigen Erfolg, vor allem das Libretto wurde kritisiert. Die Wiener Theater-Zeitung urteilte: "Es ist unbegreiflich, wie sich der Kompositeur entschließen konnte, diesen gehaltlosen Text mit seiner schönen Musik beleben zu wollen."

"Geburtsschmerzen"

Erst acht Jahre später, 1814, wurde "Fidelio" erneut angefragt. Beethoven begann sofort, sein - wie er sagte - "liebstes Kind", das ihm "die größten Geburtsschmerzen" verursachte, erneut umzuarbeiten. Eine mühevolle Arbeit. In einem Brief an den Textbearbeiter Georg Friedrich Treitschke klagt er: "Geschwinder würde ich etwas neues schreiben. Die Partitur der Oper ist so schrecklich geschrieben als ich je eine gesehn habe, ich muss Note für Note durchsehn."

Theaterzettel der Uraufführung am 23. Mai 1814 in Wien (Foto: gemeinfrei)
Theaterzettel der UraufführungBild: gemeinfrei

Die Uraufführung der neuen Fassung am 23. Mai 1814 im Wiener Kärntnerthortheater dirigierte Beethoven selbst - und wurde zum grandiosen Erfolg. Textbearbeiter Georg Friedrich Treitschke berichtet: "Die Oper war trefflich eingeübt. Beethoven dirigierte, sein Feuer riss ihn zwar oft aus dem Takte, aber Kapellmeister Umlauf lenkte hinter seinem Rücken alles zum Besten mit Blick und Hand. Die meisten Musikstücke wurden lebhaft, ja tumultuarisch beklatscht , und der Componist wurde nach dem ersten und zweyten Act einstimmig (auf die Bühne) gerufen."

Grandioser Erfolg

Für die Zeitgenossen wurde "Fidelio" rasch zum Symbol des siegreichen Kampfes gegen Napoleon. Beethovens "Freiheitsoper" eroberte die großen Bühnen in Deutschland und Europa in unglaublicher Geschwindigkeit. Goethe, damals Intendant des Hoftheaters in Weimar, nahm "Fidelio" schon 1816 ins Programm, Carl Maria von Weber dirigierte 1823 die Dredner Erstaufführung, 1830 wurde die Oper erstmals in Paris gegeben, im Jahr darauf erfolgte die Premiere in London. Den wohl überwältigendsten Eindruck hinterließ Beethovens Oper aber bei Richard Wagner: Als der 16-Jährige "Fidelio" 1829 in Leipzig erlebte, wurde dem Schüler der berühmten Thomasschule klar: Er wollte Komponist werden. Opernkomponist. "Wenn ich auf mein ganzes Leben zurückblicke, finde ich kaum ein Ereignis, welches ich diesem einen in seiner Einwirkung auf mich an die Seite stellen könnte."

Die Skizze zeigt eine Bühnenszene aus Beethovens "Fidelio" bei der Uraufführung im Pariser Théâtre Lyrique (Foto: gemeinfrei)
Paris 1860: Fidelio im Théâtre LyriqueBild: gemeinfrei