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Von der Leyens Attraktivitätsoffensive

Sven Pöhle13. Januar 2014

Erst einen guten Monat im Amt und schon hat Ursula von der Leyen ein Riesenprojekt: Sie will die Bundeswehr familienfreundlicher gestalten. Die Idee kommt bei der Truppe gut an, doch die Umsetzung könnte schwer werden.

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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht im niedersächsischen Landtag in Hannover (Niedersachsen) mit Soldaten der 1. Panzerdivision. Die Soldaten wurden in einen Auslandseinsatz verabschiedet. (Foto: Holger Hollemann/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein" - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gibt in den ersten Wochen ihrer Amtszeit eine klare Linie vor. Dazu soll die Bundeswehr vor allem familienfreundlicher werden, so von der Leyen im ARD-Interview (13.01.2014). Erste Maßnahmen dazu: Flexible Kinderbetreuung in den Kasernen und familienfreundliche Arbeitseinsätze.

Nachwuchssorgen, Personalabbau, Standortschließungen

Künftig sollen Bundeswehrbedienstete daher beispielsweise in einer so genannten Familienphase in Teilzeit arbeiten können und Versetzungen auf das Notwendige begrenzt werden. Zudem ist ein Ausbau der Kinderbetreuung in den Kasernen geplant. "Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr brauchen auch Regenerationszeit. Sie brauchen die Balance zwischen Dienst und Familie. Und da können wir noch deutlich besser werden", sagte von der Leyen. Dies habe man auch eindeutig im Koalitionsvertrag vereinbart.

Das Vorgehen der Ministerin zielt auch darauf ab, den Unmut in der Truppe zu reduzieren. Der hatte sich seit Beginn der Bundeswehrreform im Jahr 2010 verstärkt. Mit ihrem Vorstoß hebt sich von der Leyen deutlich von ihrem Vorgänger ab. Thomas de Maizière, inzwischen wieder Bundesinnenminister, hatte beim Großen Zapfenstreich zu seiner Verabschiedung nur begrenzt Verständnis für den steigenden Frust in der Truppe gezeigt: "Ziel der Neuausrichtung war es nicht und konnte es nicht sein, die Zufriedenheit der Soldaten und Mitarbeiter zu erhöhen."

Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU) ehrt am 08.01.2014 in Berlin den ehemaligen Verteidgungsminister und jetzigen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) mit einem Großen Zapfenstreich. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Nachfolgerin und Vorgänger: Ursula von der Leyen bei der Verabschiedung von Thomas de MaizièreBild: picture-alliance/dpa

Beschwerdeflut beim Wehrbeauftragten

Die 2010 auf den Weg gebrachte Reform hat die Bundeswehr deutlich verändert: Die Wehrpflicht wurde zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Die Truppe wurde von 250.000 auf knapp 175.000 Berufs- und Zeitsoldaten und etwa 8.800 freiwillig Wehrdienstleistende geschrumpft. Zudem sollen bis 2017 insgesamt 32 Bundeswehrstandorte geschlossen und rund 90 weitere verkleinert werden. Dadurch wird auch die Zahl der zivilen Mitarbeiter deutlich reduziert.

Ihren Ärger über die Reform haben die Bundeswehrmitarbeiter im vergangenen Jahr vermehrt geäußert. 5061 Beschwerden gingen beim Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmuth Königshaus, ein. Gemessen an der Zahl der Soldatinnen und Soldaten ist dies der Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 1959.

Der Bundeswehrverband, die Interessensvertretung der Bundeswehrsoldaten, kritisiert vor allem das Tempo der Reform: "Der Wandel von der Wehrpflichtarmee zur Freiwilligenarmee wurde zwar strukturell schnell entschieden, jedoch fehlt es noch an einer Veränderung der sozialen Rahmenbedingungen, um in der Ära der Freiwilligenarmee anzukommen", sagte der Vorsitzende des Verbandes, André Wüstner der DW. "Jetzt wird es Zeit, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Das hat Frau von der Leyen erkannt und daher haben viele Menschen in der Bundeswehr wieder Hoffnung."

Ein Bundeswehr-Hauptfeldwebel unterhält sich mit seiner Ehefrau und seinem drei Jahre alten Sohn (Foto: Jens Wolf dpa/lah)
Mehr Familienfreundlichkeit wünschen sich auch die BundeswehrsoldatenBild: picture-alliance/dpa

Attraktiver Arbeitgeber trotz Sparmaßnahmen?

Den Bundeswehrexperten Berthold Meyer verwundert es nicht, dass Ursula von der Leyen als ehemalige Arbeits- und Sozialministerin auch bei der Truppe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken will. "Es gibt für mich aber keinen Beruf, der mit Familie schwieriger zu vereinbaren ist, als der der Soldaten. Sie kommen eben in Situationen, die in jeder Hinsicht familienunfreundlich sind", sagt der Honorarprofessor für Konflikt- und Friedensforschung an der Universität Marburg.

Dies sei problematisch, weil die Bundeswehr als Freiwilligenarmee auch mit anderen Arbeitgebern konkurriere, so Meyer. "Unternehmen suchen ebenfalls händeringend junge Leute. Sie können aber zum Teil mehr bezahlen, haben bessere Sozialleistungen und verlangen von den jungen Menschen nicht, dass sie sich gegebenenfalls in Lebensgefahr begeben."

Frage der Finanzierung ist nicht genau geklärt

Doch den Plänen von der Leyens stehen nicht nur strukturelle Hindernisse im Weg. "Die Umsetzung der Maßnahmen kostet viel Geld, das bislang nicht im Verteidigungshaushalt zur Verfügung steht", sagte der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner dem "Handelsblatt" (13.01.2014). Ein flächendeckendes Angebot von Kindertagesstätten koste bereits eine zweistellige Millionensumme. Zudem sei die Einstellung zusätzlichen Personals notwendig, um flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen.

Die Maßnahmen von der Leyens sollen aus dem bestehenden Verteidigungsetat finanziert werden, versicherte hingegen eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage der DW. Hierzu werde man vorerst eine Bestandsaufnahme der Bedürfnisse durchführen und dann konkrete Maßnahmen vornehmen.

Auch wenn die Frage der Finanzierung noch nicht konkret geklärt ist, mahnt Bundeswehrverbandschef Wüstner die Verteidigungsministerin, ihre Ankündigungen nun auch in die Tat umzusetzen: "Die Menschen der Bundeswehr hoffen, dass die im Koalitionsvertrag beschriebene Attraktivitätsoffensive zügig vorangetrieben wird - falls nicht, könnte die Neuausrichtung und der Schritt zur Freiwilligenarmee zum Rohrkrepierer werden."