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Banker auf der Bühne

Das Gespräch führte Andrea Horakh15. Januar 2013

Topbanker sind wie scheue Rehe, die Finanzwelt ist äußerst verschwiegen. Regisseur Andres Veiel hat die Banker zum Reden gebracht und daraus ein spektakuläres Stück montiert: "Das Himbeerreich".

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Andres Veiel, Regisseur des Theaterstücks «Das Himbeerreich», aufgenommen während eines dpa Interviews am 07.01.2013 im Staatstheater Stuttgart (Baden-Württemberg). Das Stück über die Bankenbranche wurde am 11.01.2013 in der Spielstätte Nord in Stuttgart uraufgeführt. Foto: Uli Deck/dpa (Zu dpa-Interview: «Regisseur Veiel über Banker-Stück:
Bild: picture-alliance/dpa

Monatelang hat der renommierte Theater- und Filmregisseur Andres Veiel mit mehr als zwanzig Topbankern gesprochen. Entstanden ist daraus ein intensives Theaterstück, das jetzt am Schauspiel Stuttgart und am Deutschen Theater Berlin Premiere hat. Zwei Stunden lang gibt es Einblicke in die geheimsten Gedanken der Finanzhaie. Was fühlen, was denken die Herren des Geldes? Im Gespräch erzählt Veiel von ihren Motiven, ihrer Wut und von seiner eigenen Fassungslosigkeit.

DW: Warum haben Sie sich so intensiv dem Thema Banker auseinander gesetzt?

Mich macht es zornig, dass in der Öffentlichkeit und Kunst nicht darüber geredet wird, dass die eigentlichen Fragen nicht gestellt werden. Warum stehen die Leute nicht auf und sagen: Unsere Interessen werden fundamental mit Füßen getreten? Lange vor der Krise hatte ich ein Gespräch mit einem Banker, der sagte: "Wir laufen gegen die Wand. Das Geld vermehrt sich nur noch aus sich selbst heraus, wenn diese Blase platzt, gibt es den großen Crash." Auf meine Frage, was das heißt, sagte er: "Wir melken die Kuh, solange sie Milch gibt."

Kein anderer Berufstand hat in den letzten Jahren so an Ansehen verloren wie der Banker. Der Ruf ist ruiniert. Aber gibt es  den  einen Banker überhaupt?

Den Typus Banker als solchen gibt es nicht. Wir blicken von außen auf die Glasfassaden und unterstellen den Banker, sie seien alle gleichgeschaltet. Aber ich habe mit sehr wütenden Topbankern gesprochen, obwohl sie mit verantwortlich sind für das, was gerade passiert. Die in ihrer Kritik weiter gehen, als das, was in den Occupy-Zelten gedacht und geredet wird.

Die Schauspieler Jürgen Huth (l-r), Manfred Andrae, Susanne-Marie Wrage, Ulrich Matthes und Joachim Bißmeier vom Schauspiel Stuttgart in dem Stück "Das Himbeerreich", das am 11.01.2013 in der Spielstätte Nord uraufgeführt wurde. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Vor allem der Schauspieler Ulrich Matthes (rechts) überzeugt als wütender BankerBild: picture-alliance/dpa

Was riskieren die Topbanker, die sich Ihnen geöffnet haben?

Das sind Menschen die sehr viel riskieren, wenn sie sprechen, wenn sie identifiziert werden, die ihre Pension verlieren würden oder die mit Schadensersatzansprüchen rechnen müssten.

Warum reden sie trotzdem?

Diese Menschen haben den Wunsch, etwas loszuwerden. Ihre Wut hat keinen Adressaten. Sie dürfen nicht sprechen, sind atomisiert und isoliert. Und da komme ich und höre zu und sichere ihnen Anonymität zu. Ich bin für sie in diesem Moment Beichtvater, Psychologe und Sparring-Partner. Es gab in den Gesprächen immer wieder Momente, wo ich in Abgründe blickte.

Warum steigen so wenige Banker aus trotz ihrer kritischen Haltung?

Das ist ein Kick, ein Rausch, diese gigantischen Geldmengen um den Globus zu bewegen und dabei eine noch größere Rendite für die Bank und für sich selbst zu erwirtschaften. Aber es geht nicht darum, dass hier Gier zelebriert wird. Es geht um eine Art von Anerkennung. Die Frage, was kriegt der Andere? Ich bekomme zwei Millionen im Jahr. Und der bekommt drei. Ist der besser? Es ist nicht in erster Linie Gier, sondern Lust an der Macht. Die Banker sind aber keine isolierte Kaste, ihr Denken hat tiefe Wurzeln in der Gesellschaft. Es ist ein Renditedenken, auf das wir bei uns allen stoßen.

Die Schauspieler Manfred Andrae (l) und Jürgen Huth (r) vom Schauspiel Stuttgart in dem Stück "Das Himbeerreich", das am 11.01.2013 in der Spielstätte Nord uraufgeführt wurde. Foto: Bernd Weißbrod/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Wer nicht mitspielt, wird entmachtet. Die Party ist hier endgültig vorüberBild: picture-alliance/dpa

Alfred Herrhausen, der ermordete Vorstandssprecher der Deutschen Bank, spielte schon in ihrem Film "Black Box BRD" eine zentrale Rolle. Warum bekommt er auch in "Das Himbeerreich" einen großen Raum?

Herrhausen ist für mich ein tragischer Mensch, der in seiner kurzen Amtszeit versucht hat, sich für die Entschuldung der dritten Welt durch Schuldenschnitt  einzusetzen. Er setzte auf Nachhaltigkeit und ethische Verantwortung und ist letztlich damit gescheitert. Aber er stellt für mich die Kernfrage: wie kann ich als Einzelner einem System gegenüber treten, was etwas vollkommen anderes will, nämlich Rendite um jeden Preis. Kann ein Einzelner in diesem so geschmierten und geölten System überhaupt etwas verändern?

Welche Verantwortung hat die Politik?

Die Politik war über Jahre Brandstifter. 2002 und 2003 wurden Gesetze erlassen, die die riskanten Geschäfte ermöglicht haben. Das Finanzministerium hat jahrelang die Banken aufgefordert, ins Risiko zu gehen. Es hieß: "Ihr müsst mithalten, sonst werden wir abgehängt von New York und London."

Das sind Milliarden-Löcher, die auf uns zukommen. Gelder, die in der Bildung, in der Forschung, bei Neuinvestitionen fehlen oder wir laufen in eine gigantische Rezession,  weil der Staat kein Geld mehr hat. Die, die jetzt versuchen die Brände einzudämmen, haben sie mit gelegt.

Andres Veiel wurde bekannt durch seine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Links-Terrorismus in Deutschland. Sein Film "Wer wenn nicht wir" (2011) erzählt von den Anfängen der Roten Armee Fraktion. Seine guten Kontakte in die Bankenwelt verdankt er seiner preisgekrönten Dokumentation "Black Box BRD" (2001). In ihr beschäftigt er sich intensiv mit dem bei einem Attentat ermordeten Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen.