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Tsipras will neue Schuldenerleichterungen

21. September 2015

Nach seinem Wahlsieg will Griechenlands Premier Tsipras erneut über Schuldenerleichterungen verhandeln. Bundesregierung und EU-Kommission drängen derweil auf eine Umsetzung der vereinbarten Reformen.

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Alexis Tsipras (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Bonetti/Syriza Press Office

Griechenlands überraschend klar wiedergewählter Regierungschef Alexis Tsipras (Artikelbild) setzt Schuldenerleichterungen an die Spitze seiner Agenda. "Wir führen die Verhandlungen mit den Geldgebern fort, wobei die Schuldenfrage die erste und wichtigste Schlacht sein wird", sagte ein Vertreter von Tsipras' Partei Syriza. Tsipras hatte im Wahlkampf ein "sanfteres" Sparprogramm versprochen, dessen Details noch ausgehandelt werden müssten. "Griechenlands Volk hat uns ein klares Mandat gegeben, im In- und Ausland für den Stolz unseres Volkes zu kämpfen", erklärte Tsipras noch am Abend der Wahl. "Für Europa und Griechenland steht das griechische Volk heute als Synonym für Widerstand und Würde."

Unterdessen machte die Bundesregierung klar, dass sie von der neuen griechischen Regierung Umsetzung der vereinbarten Reformen erwartet. "Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass ein Ministerpräsident, der dies mit ausgehandelt hat und für sein Land unterschrieben hat, (...) in seinem Land dafür sorgen wird, dass die Umsetzung so wie vorgesehen geschieht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Zugleich sicherte er der neuen Regierung in Athen weitere Zusammenarbeit bei der Überwindung der Schuldenkrise und den Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation zu. Die im dritten Hilfspaket für Athen getroffenen Vereinbarungen seien die klare Grundlage für die Überwindung der Schuldenkrise, sagte Seibert.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel (Foto: EP)
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in BrüsselBild: picture-alliance/dpa

Auch die EU-Kommission drängte Athen zur Umsetzung der vereinbarten Reformen. Die Regierung habe nun ein Mandat, diese Reformen umzusetzen, sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. "Es gibt viel Arbeit zu erledigen und keine Zeit zu verlieren." Da die neue Regierung, diejenige sei, die das Hilfsabkommen mit den Euro-Partnern im Sommer geschlossen habe, hoffe die Kommission, dass "wir schnell vorankommen".

"Starkes Mandat für den Reformkurs"

Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem twitterte, er wolle Griechenland bei seinen ehrgeizigen Reformvorhaben begleiten. Das Wahlergebnis sei ein "starkes Mandat", um den Reformkurs des Landes fortzusetzen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nannte die Wiederwahl eine "beeindruckende Leistung". Er habe aber kein Verständnis für die erneute Koalition mit den Rechten, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Dass das Rettungsprogramm noch einmal in die Debatte komme, erwarte er nicht, sagte Schulz.

EU-Ratspräsident Donald Tusk äußerte in einem Glückwunschschreiben an Tsipras die Hoffnung auf "politische Stabilität" in Athen, zumal viele der größten Herausforderungen für Griechenland auch die EU beträfen - etwa die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen sowie die Flüchtlingskrise an der südöstlichen EU-Außengrenze.

Tsipras wird wieder mit den Rechtspopulisten von Panos Kammenos (r.) koalieren (Foto: Reuters)
Tsipras wird wieder mit den Rechtspopulisten von Panos Kammenos (r.) koalierenBild: Reuters/M. Karagiannis

Am Sonntag hatten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 35,5 Prozent der Griechen die linke Syriza-Partei gewählt, die ihr Bündnis mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen fortsetzen will. Die zweitgrößte Fraktion im neuen Athener Parlament stellt die konservative Nea Dimokratia (ND), die 28,1 Prozent erreichte. Sie kommt in dem 300 Sitze zählenden Abgeordnetenhaus auf 75 Mandate. Wegen eines Bonus' von 50 Mandaten für den Wahlsieger stellt die Syriza 145 Mandate, vier weniger als bisher. Mit den zehn Sitzen der Unabhängigen Griechen (3,7 Prozent) liegt Tsipras vier Stimmen über der absoluten Mehrheit.

Auf dem dritten Platz folgt die faschistische Goldene Morgenröte, die mit 7 Prozent 18 Mandate erhält. Es folgen die sozialdemokratische Pasok (6,3 Prozent, 17 Sitze) und die Kommunisten (5,6 Prozent, 15 Sitze). Insgesamt kamen acht Parteien über die Drei-Prozent-Hürde. Die von der Syriza abgespaltene linke Volkseinheit (Lae) scheiterte mit 2,9 Prozent der Stimmen denkbar knapp. Tsipras wurde noch am Abend als Ministerpräsident vereidigt. Am Dienstag will er die Zusammensetzung seines Kabinetts bekannt geben.

Verheerende Bilanz

Mit einer verheerenden Bilanz war Griechenland in die vierte Parlamentswahl binnen drei Jahren gegangen: Seit dem Beginn der Krise vor sechs Jahren gab es schon fünf Regierungen, die Wirtschaft ist seit 2010 um ein Fünftel geschrumpft, jeder vierte Grieche arbeitslos. Fast jeder Zweite unter 25 hat keinen Job. Die Gründe des Syriza-Sieges liegen laut Experten in Misswirtschaft und Korruption, die dem Partei-Establishment von ND und Sozialisten angekreidet werden.

Syriza-Anhänger feiern den Wahlsieg ihrer Partei (Foto: Getty)
Syriza-Anhänger feiern den Wahlsieg ihrer ParteiBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Tsipras war im Januar erstmals ins Amt gekommen mit dem Versprechen, den Reformkurs der Euro-Zone zu verlassen. Unter dem Druck der nahenden Staatspleite hatte er dann aber ein drittes Reformprogramm unterschrieben und war im August zurückgetreten, nachdem die Syriza daran zerbrochen war. Nun erwartet ihn die Umsetzung harter Spar- und Reformauflagen, gegen die das Volk schon in der Vergangenheit rebellierte, um die Finanzhilfen der Euro-Partner zu erhalten.

Das Programm sichert dem seit 2010 vom Kapitalmarkt abgeschnittenen Land weitere 86 Milliarden Euro zu, wenn die Reformen umgesetzt werden. Die erste Überprüfung findet im Oktober statt. Dann steht auch eine erneute Bestandsaufnahme des Schuldenbergs an, der im kommenden Jahr auf über 200 Prozent des BIP wachsen dürfte. Einen Schuldenerlass lehnen die anderen Euro-Länder ab; ein solcher "Haircut" würde tiefe Löcher in ihre eigenen Etats reißen. Eine erneute Verlängerung der Fristen für die Kreditrückzahlung schließen sie aber nicht aus. Alleine bei den anderen Euro-Ländern steht das Land mittlerweile mit fast 200 Milliarden Euro in der Kreide.

stu/uh (afp, dpa, rtr)