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Germanwings-Trauerfeier: "Dieses Ritual hilft"

Peter Hille17. April 2015

Sie wollen Abschied nehmen: etwa 500 Angehörige der Absturzopfer von Flug 4U9525 kommen am Freitag im Kölner Dom zusammen. Im DW-Interview erklärt Präses Annette Kurschus, warum dieser Gottesdienst helfen kann.

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Kölner Dom mit Trauerbeflaggung (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Frau Präses, gemeinsam mit Kardinal Rainer Maria Woelki halten Sie den Trauergottesdienst für die Absturzopfer des Germanwings-Fluges. Warum ist es wichtig, dass die Trauernden noch einmal in diesem Rahmen zusammenfinden?

Annette Kurschus: Trauer ist ein ganz wichtiger Prozess zur Bewältigung von Verlusten. In diesem Falle ist es ein Verlust, der die ganze Öffentlichkeit beschäftigt hat und so eine Trauerfeier erfüllt die Funktion, dass man diese Trauer noch einmal erleben kann. Und zwar in der Gemeinschaft derer, die mit trauern, in ritualisierten Abläufen. Da werden Texte gesprochen, da gibt es eine Sprache, in die ich mich einbetten kann, da werden Lieder gesungen. Dieses Ritual hilft, weil ich mich dem einfach überlassen kann. Bei einer solchen Art öffentlicher Trauerfeier, wie wir Sie vorhaben, ist auch eine wichtige Funktion, dass die Öffentlichkeit noch einmal die Möglichkeit hat, ihrer Anteilnahme Ausdruck zu verleihen.

Annette Kurschus, westfälische Präses (Photo: EKvW)
Annette Kurschus ist Präses der evangelischen Kirche von Westfalen. Viele der Absturz-Opfer kamen aus dieser Region.Bild: EKvW

Mit welchen Empfindungen blicken Sie persönlich auf die Trauerfeier? Sie werden vorne am Altar stehen.

Ich hoffe sehr, dass es uns mit dieser Trauerfeier gelingen kann, für die Angehörigen ein Ritual zu feiern, gemeinsam. Dass wirklich im Mittelpunkt steht: wie können wir etwas sagen, das den Menschen hilft, die unmittelbar betroffen sind. So eine Feier vor der großen Öffentlichkeit ist immer auch mit Anspannung verbunden. Zugleich stehen wir da mit einer bestimmten Aufgabe, mit einem bestimmten Auftrag. Ich bin ja nicht als persönliche Angehörige dort, die Einzelne tröstet, sondern ich werde im Auftrag dessen dort sein, der für mich für das Leben steht.

Sie haben eben gesagt, dass es eine öffentliche Trauerfeier wird. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe, es gibt Staatsgäste, es wird Live-Übertragungen geben. Sehen Sie das als Problem für solch einen Gottesdienst?

Da muss sehr sorgfältig aufgepasst werden, dass es nicht zu einem Problem wird. Es ist sicher eine Gefahr damit verbunden mit diesen ganzen Äußerlichkeiten, die sein müssen, wenn sich so viele Menschen von derartiger politischer und öffentlicher Wichtigkeit treffen. Dann müssen ja bestimmte Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Deshalb müssen wir alles tun, damit diese Maßnahmen nicht das eigentliche Anliegen überdecken und das überlagern, was wir mit dieser Trauerfeier vorhaben: nämlich den Menschen etwas begleitendes und Hoffnung stiftendes zu sagen, die von diesem Unglück betroffen sind.

Frankreich Germanwings-Absturz Bergungsarbeiten (Photo: REUTERS/Gonzalo Fuentes)
Auch Einsatzkräfte, die an der Bergung des Wracks beteiligt waren, nehmen am Trauergottesdienst teil.Bild: Reuters/Gonzalo Fuentes

Trauerbegleitung ist eine wichtige seelsorgerische Aufgabe der Kirche. Welchen Stellenwert hat das Trauern für Sie?

Trauern ist etwas, das zu unserem Leben dazu gehört. Daran kommt keiner vorbei. Jeder von uns wird einmal sterben. Jeder von uns hat schon Menschen sterben sehen oder erlebt, dass Menschen sterben, die uns nahe stehen. Dieser Verlust muss bewältigt werden. Trauer hat mit unserer Endlichkeit und mit unserer Sterblichkeit zu tun und damit, dass wir begrenzte Wesen sind. Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Alle diese existenziellen Fragen stellen sich dem trauernden Menschen und da ist Kirche gefragt. Wir sind dessen gewiss, dass unser Leben aus Gottes Händen kommt und in Gottes Hände geht und wir möchten Menschen begleiten auf dem Boden dieser Gewissheit. Ob sie nun diesen Glauben teilen oder nicht ist dabei erst mal zweitrangig. Wir in der Kirche gehen von dieser Gewissheit aus und stehen in ihr den Menschen bei.

Pfarrerin Annette Kurschus ist als Präses die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen.