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Nachruf auf Otto Sander

Bernd Sobolla12. September 2013

Die dunkle, samtene Stimme war sein Markenzeichen. Aber Otto Sander musste nicht viel reden, um zu überzeugen. Im Alter von 72 Jahren ist der deutsche Schauspieler in Berlin gestorben.

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ARCHIV - Der Schauspieler Otto Sander nimmt am 31.05.2012 in Berlin an der Vorstellung des Films "Bis zum Horizont, dann links!" teil. Foto: Stephanie Pilick dpa/lbn (zu dpa «Schauspieler Otto Sander gestorben» vom 12.09.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

Als U-Boot-Kapitän Philipp Thomsen ging Otto Sander zwar in Wolfgang Petersens vielfach preisgekrönten II. Weltkriegsfilm "Das Boot" (1981) unter, aber er verewigte sich mit der Rolle in der Filmgeschichte: Ziemlich betrunken betritt er gleich am Anfang die Bühne des Offiziers-Kasinos von La Rochelle und echauffiert sich öffentlich über Adolf Hitler ("Auf unseren herrlichen, abstinenten und unbeweibten Führer, der in glorreicher Karriere vom Malerlehrling…"), um dann in einem eleganten Schlenker verbal auf Churchill einzuschlagen. Rückblickend offenbart "Das Boot" eine Besonderheit Otto Sanders: Er musste keine Hauptrolle spielen, um die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ihm reichte eine kleine Nebenrolle und manchmal nur eine einzige Szene, um ein Werk maßgeblich zu prägen.

Externe Prüfung

Am 30. Juni 1941 in Hannover geboren, leistet er nach dem Abitur Anfang der 1960er Jahre Wehrdienst bei der Bundesmarine und geht anschließend nach München, wo er Theaterwissenschaften, Germanistik, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Zwei Jahre später, 1964, nimmt er eine Schauspielausbildung an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule auf. Von dort fliegt er ein Jahr später wegen nicht eingehaltener Termine. Er kann seine Ausbildung aber durch eine externe Prüfung trotzdem erfolgreich abschließen. Schon während seines Studiums spielt er als Kabarettist am Rationaltheater sowie an der Studiobühne der Universität.

Obgleich Sander im selben Jahre für den Kurzfilm "Ludwig" (Regisseur Roland Klick) erstmals vor der Kamera steht und einen eigensinnigen Bauernsohn spielt, arbeitet er zunächst vor allem fürs Theater: Seine Engagements führen ihn an die Kammerspiele nach Düsseldorf, ans Stadttheater Heidelberg und an die Freie Volksbühne Berlin. Von dort holt ihn Peter Stein 1970 an die gerade gegründete Schaubühne am Halleschen Ufer. Neben Peter Stein arbeitet Otto Sander mit Regisseuren wie Claus Peymann, Klaus-Michael Grüber und Luc Bondy zusammen.

Bruno Ganz als Damiel und Otto Sander als Cassiel in einer Szene des Films "Der Himmel über Berlin" (1987) (foto: dpa)
Bruno Ganz als Damiel und Otto Sander als Cassiel in einer Szene des Films "Der Himmel über Berlin" (1987)Bild: picture-alliance/dpa

Ein prägender Bühnenstar

Oft spielt er ruhige, gediegene Charakter, die nur gelegentlich etwas aufbrausen. Es sind eher introvertierte Typen, deren menschliche Schwächen er besonders überzeugend zeigt. Sander gehört zu den prägenden Schauspielern, die die Schaubühne zu einem der wichtigsten Theater der Welt machen. Zu seinen größten Erfolgen in dieser Zeit gehört 1974 die Rolle des Ingenieurs Suslov in Gorkis "Sommergäste". Das Stück wird später auch verfilmt. 1981 verlässt Otto Sander die Schaubühne.

Parallel dazu und fortan tritt Otto Sander zunehmend in Kinofilmen auf, wobei er vor allem mit den Regisseuren des Neuen Deutschen Films zusammenarbeitet: So spielt er 1979 in Volker Schlöndorffs Oscar-Werk "Die Blechtrommel" (nach dem gleichnamigen Bestseller von Günter Grass) den ständig betrunkenen Trompeter. In "Palermo oder Wolfsburg" von Werner Schroeter übernimmt er die Rolle des Staatsanwaltes, der einen italienischen Einwanderer anklagt, der einen "Ehrenmord" begangen hat. Mitte der '80er Jahre erhebt er in Margarethe von Trottas Film "Rosa Luxemburg" als Karl Liebknecht die Faust und gründet zusammen mit Rosa Luxemburg die Kommunistische Partei Deutschlands.

Otto Sander und Bruno Ganz auf dem Eröffnungsempfang der Berlinale 1979 (foto dpa)
Otto Sander und Bruno Ganz auf dem Eröffnungsempfang der Berlinale 1979Bild: picture-alliance/dpa

Eine wunderbare Engel-Rolle

So unterschiedlich diese Filmrollen sind, die Werke werden alle mit Preisen überhäuft. Das gilt auch für den Engel Cassiel, den er in Wim Wenders "Der Himmel über Berlin" (1981) spielt. Auch im Nachfolgefilm "In weiter Ferne so nah" (1993) tritt er wieder auf; eine ungewöhnliche, sinnliche und melancholische Rolle, die Sander an der Seite von Bruno Ganz bravourös meistert und der er mit seiner sonoren Stimme eine betörende Jenseitigkeit verleiht.

In den 1990er Jahren und nach der Jahrtausendwende ist Otto Sander zwar noch in vielen Filmen zu sehen, zum Beispiel in "Comedian Harmonists" und "Marlene". Aber es handelt sich meist um kleinere Rollen, in denen seine Charaktere zuweilen Alkoholprobleme haben. Dabei spielt er mit einem Augenzwinkern auch auf seine persönlichen Probleme an. In Bernd Böhlichs "Bis zum Horizont, dann links!" ist er 2012 in seiner letzten Kinohauptrolle zu sehen. In der Komödie spielte er einen alten Mann, der unzufrieden mit seinem Dasein im Altersheim ist und zum Flugzeugentführer mutiert.

Der Schauspieler Otto Sander im Dezember 2007 bei der Filmpremiere von "Das Herz ist ein dunkler Wald" in Berlin
Sander im Dezember 2007 bei der Filmpremiere von "Das Herz ist ein dunkler Wald" in BerlinBild: picture-alliance/ dpa

Eine Stimme, die man nicht vergisst

Dank seiner markanten Stimme übernimmt Otto Sander auch Sprecherrollen in vielen Dokumentationen, Hörspielen und Filmen, so auch in Tom Tykwers "Das Parfüm" und in dem Jugendfilm "Krabat". In der Branche wird er deshalb von vielen nur "Die Stimme" genannt.

In dem TV-Film "Sass" steht er 2001 gemeinsam mit seinem Sohn Ben Becker vor der Kamera und spielt den Vater der legendären Gangster-Brüder, die Ende der '20er, Anfang der '30er Jahre Berlin unsicher machten. Mit Ben und Merit Becker, den Kindern seiner Frau, der Schauspielerin Monika Hansen, verband ihn ein herzliches Verhältnis. Wobei er auch klare erzieherische Worte finden konnte. Als Ben Becker als Jugendlicher Zuhause eine Party gab und betrunken in der Ecke lag, überraschte Otto Sander die Partygäste. Er zerrte den Jungen an den Tisch und meinte, wenn er schon feiern wolle, dann müsse er auch bis zum Ende dabei sein und sich nicht vorzeitig verabschieden.