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Thailand vor den Wahlen

Rodion Ebbighausen30. Januar 2014

Die für Sonntag geplanten Wahlen in Thailand sind der vorläufige Höhepunkt einer seit drei Monaten andauernden politischen Krise. Eine Lösung ist von dem Urnengang allerdings nicht zu erwarten.

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Anti-Regierungsproteste in Bangkok
Bild: Reuters

Knapp 50 Millionen Wahlberechtigte in Thailand sind per Gesetz verpflichtet, an den Wahlen teilzunehmen. Doch die seit Tagen von der Opposition blockierten Straßen und Wahlbüros vor allem in Bangkok und den südlichen Provinzen machen die Stimmabgabe teilweise unmöglich. Mehrmals forderte die Wahlkommission eine Verschiebung der Wahlen, aber die Übergangspremierministerin Yingluck Shinawatra hält an dem Termin fest. Beobachter fürchten während des Wahltags Chaos und Tumulte. Bei einer Eskalation droht sogar ein Putsch des Militärs.

Thailands jüngere Geschichte ist eine Abfolge politischer Krisen. Die Gesellschaft ist tief gespalten. Seit Jahren kämpfen die sogenannten Rothemden gegen die Gelbhemden. Die Rothemden unterstützen die gewählte Regierung um Übergangspremierministerin Yingluck Shinawatra. Die Gelbhemden versammeln sich hinter der Opposition um Wortführer Suthep Thaugsuban. Der politischen Klasse, gleich welchen Lagers, ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, die Gräben zu überbrücken.

Monatelanges Patt

Im November war der seit fast zehn Jahren schwelende Konflikt zwischen Regierung und Opposition erneut ausgebrochen. Stein des Anstoßes der jüngsten Protestwelle war ein umstrittenes Amnestiegesetz, das Thaksin, dem 2006 durch einen Militärputsch gestürzten Bruder der heutigen Ministerpräsidentin, die Rückkehr nach Thailand ermöglicht hätte.

Thailand Interims-Premierministerin Yingluck Shinawatra
Thailands Interims-Premierministerin hält an den Wahlen festBild: Reuters

Bis zu 150.000 Anhänger der Opposition versammelten sich daraufhin Ende letzten Jahres in Bangkok und forderten den Rücktritt der Regierung. Die Regierung reagierte auf den Protest mit der Ankündigung von Neuwahlen. Die Opposition gab daraufhin den Boykott der Neuwahlen bekannt.

Gescheiterte Gespräche

In den vergangenen Wochen hatte Yingluck mehrfach der Opposition Gespräche angeboten, um einen Ausweg aus der Krise zu suchen und den Wahltermin zu diskutieren. Die Opposition um Suthep verweigerte sich jedoch jedem Gesprächsangebot.

Mit Blick auf den Wahltag sagt Kim McQay, Vertreter der Asien-Stiftung in Thailand: "Eine Eskalation ist eine reale Möglichkeit." Und fügt hinzu, dass auch nach der Wahl keine Ruhe einkehren werde. Dafür wären grundlegende Reformen notwendig. Doch auch für Reformen liegen unterschiedliche Pläne auf dem Tisch.

Umstrittene Reformpläne

Protestführer Suthep schwebt die Einrichtung eines ungewählten Volksrates vor, dessen Mitglieder von ihm beziehungsweise seiner Demokratischen Partei eingesetzt werden sollen.

Suthep Thaugsubahn Sprecher der Opposition
Suthep Thaugsubahn, wortgewaltiger Antreiber der OppositionBild: Reuters

Die Regierung hat ein anderes Konzept und beharrt darauf, dass Reformen erst nach den Wahlen umgesetzt werden können. Der von Yingluck vorgeschlagene Reform-Rat - aus führenden Vertretern aus Militär, Verwaltung und Wirtschaft - soll die Regierung nach den Wahlen beraten.

Die Rolle des Militärs

Thailands Politik wird seit Langem von außerparlarmentarischen Akteuren beeinflusst, wie etwa der Monarchie und dem Militär. In den vergangenen 80 Jahren hat das Militär 18 Mal geputscht. Zuletzt 2006, um den damaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra aus dem Amt zu jagen. Michael Winzer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bangkok erklärt: "Das Militär hat bisher immer eine Ankerfunktion gehabt. Immer wenn ein Punkt erreicht war, an dem es mit politischen oder anderen Mitteln nicht mehr weiterging, ist das Militär eingeschritten." Die aktuellen Proteste hätten Thailand erneut in eine Sackgasse manövriert, aber das Militär zögere. Denn ein Putsch sei für das Militär ein kaum kalkulierbares Risiko. Im Gegensatz zu früher sei das Militär selbst gespalten und die Rothemden seien besser organisiert. Ein Putsch könnte einen Bürgerkrieg nach sich ziehen. "Dennoch muss das Militär einen Putsch als glaubhafte Option offen halten, damit es seine Bedeutung im Machtkampf aufrechterhalten kann." Dafür sorge Armeechef Prayuth Chan-ocha, der einen Putsch bislang weder ausschließt noch befürwortet.

Panzer der thailändischen Armee in der Hauptstadt Bangkok
Thailands Militär wartet abBild: Reuters

Putsch der Institutionen

Im Grunde wäre mit einem Putsch langfristig wenig gewonnen. Winzer sagt: "Der Gordische Knoten ist so stark, dass er durch einen Putsch nicht zerschlagen werden könnte." Es fehle einfach an Optionen, die das Land nach einem Putsch aus der Krise führen könnten. Irgendwann würde es wieder zu Wahlen kommen, die wahrscheinlich die Rothemden für sich entscheiden würden.

Saxer von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Thailand glaubt, dass ein Einsatz des Militärs inklusive eines Aufmarschs von Panzern in der Hauptstadt Bangkok insgesamt unnötig sei. Das wäre eine nicht mehr in die Zeit passende Strategie zur Machtergreifung. Stattdessen: "Der Putsch wird durchgeführt von den Gerichten und unabhängigen Kommissionen. Was wir in Thailand erleben, ist der Prototyp für den Putsch des 21. Jahrhunderts."

Um internationaler Kritik vorzubeugen und die eigene Bevölkerung zu täuschen, werde von den Gelbhemden eine Strategie der Scheinlegalität verfolgt. Die Gelbhemden dominieren Verfassungsgericht, Antikorruptionsbehörde, Wahlkommission, Menschenrechtskommission und den thailändischen Bundesrechnungshof. Die Institutionen würden sich gegenseitig die Bälle zuspielen und so die "rote" Regierung kriminalisieren, um schließlich alle verfassungsmäßigen Auswege aus der Krise zu blockieren. "Die Opposition verhindert den normalen demokratischen Prozess so lange, bis der Punkt erreicht ist, an dem es keinen anderen Ausweg gibt als den von der Opposition geforderten Volksrat." Am Ende, so Saxer, "wird es von außen betrachtet so aussehen, als wäre das alles legal".

Die Wahlen bedeuten voraussichtlich nicht das Ende der Krise. Durch die Blockaden der Opposition konnten nämlich weder alle Stimmzettel rechtzeitig verteilt, noch alle Kandidaten registriert werden. Nachwahlen werden damit erforderlich, die sich, wie die Wahlkommission in der Bangkok Post erklärte, wochenlang hinziehen können.