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Studiogast: Prof. Hans Schöler, Stammzellenforscher

Markus Kopplin30. Oktober 2011

Was mir eigentlich so in der Fernsicht vorschwebt ist, dass sie bei einem gealterten Menschen, der schwächere Muskeln hat, im Körper die Zellen so reprogrammieren, so umwandeln, dass die Stammzellen in seinem Körper sich wieder bilden, um seine Muskelmasse zu stärken. Das ist ja eigentlich ein Ziel, auf das wir hinarbeiten. Professor Hans Schöler, einer der renommiertesten Stammzellenforscher in Deutschland und arbeitet am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster.

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Professor Hans Schöler, einer der renommiertesten Stammzellenforscher in Deutschland und arbeitet am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster.

DW-TV:. Herr Schöler, haben sie Zweifel daran, dass es eines Tages gelingen wird aus Leberzellen Insulin produzierende Zellen zu gewinnen?

Prof. Hans Schöler: Ich bin ganz sicher, dass es gelingen wird. Ich denke, dass es grundsätzlich gelingen wird, jede Zelle in eine andere Zelle umzuwandeln. Man muss nur wissen, was eine bestimmte Zelle ausmacht und dann können sie diese Zelle in eine andere Zelle umwandeln.

Das heißt, es funktioniert heute schon nach einem relativ einfachen Rezept?

Ganz einfach. Es ist erstaunlich, wie einfach das ist. Es hat damit angefangen, dass man erst einmal Hautzellen in Alleskönnerzellen umgewandelt hat, die so ähnlich sind wie embryonale Stammzellen, über die wir ja so viel diskutieren. Dann ist es auch gelungen, direkt aus Hautzellen Muskelzellen zu machen, Herzmuskelzellen, Blutzellen usw. Man muss den Cocktail kennen und man muss das Verfahren kennen und dann kann man es machen.


Das bedeutet doch eigentlich, dass wir diese ethisch schwierigen, problematischen embryonalen Stammzellen vielleicht gar nicht mehr brauchen, oder?

Es ist möglich, dass wir sie nicht mehr brauchen, aber das kann man jetzt noch nicht sagen. Allein die Tatsache, dass wir Zellen umwandeln können, heißt noch nicht, dass diese dann tatsächlich auch genauso gut sind wie die Zellen aus einem Körper oder Zellen, die von embryonalen Stammzellen abgewandelt worden sind. In der Zelle bleibt eine ganze Menge Erinnerung an das zurück, was sie gewesen sind. Um das aufzuklären braucht man noch viel Forschungsleistung. Aber prinzipiell geht es, um das zu perfektionieren müssen wir noch einige Arbeit reinstecken.


Aber das heißt, dass man vielleicht auch für die Therapien, auf die wir ja alle setzen, um dann eines Tages Parkinson oder Alzheimer zu heilen, eventuell auch embryonale Stammzellen braucht? Oder würden dann auch diese unbedenklichen umgewandelten Körperzellen reichen?

Meine persönliche Vermutung ist, dass man beides brauchen wird. Es wird bestimmte Zellen geben, die man nicht auf diese Art und Weise einfach so umwandeln kann. Dafür wird man vielleicht die embryonalen Stammzellen brauchen.

Aber stellen sie sich das vor, was mir eigentlich so in der Fernsicht vorschwebt, sie könnten bei einem gealterten Menschen, der schwächere Muskeln hat, im Körper die Sachen so reprogrammieren, so umwandeln, dass die Stammzellen in seinem Körper sich wieder bilden, um seine Muskelmasse wieder zu stärken. Das ist ja eigentlich ein Ziel, worauf wir hinarbeiten. Wir wollen nicht nur alles in der Kulturschale machen, sondern wir wollen auch in der Lage sein, eigene Zellen zu aktivieren.


Das ist ein ewiger Jungbrunnen, dann werden wir beliebig alt?

Nein, man wird dann wie bei einem Auto einzelne Teile reparieren können, aber trotzdem fällt der Wagen dann irgendwann auseinander.


Der Europäische Gerichtshof hat grünes Licht für die Stammzellenforschung in Europa gegeben, Patente dieser Forschung jedoch untersagt. Was bedeutet das für ihre Arbeit?

Patente sind aus meiner Sicht erst einmal Schutz der eigenen Arbeit. Die Verfahren, die entwickelt werden, werden geschützt. Das heißt, das Wissen, was wir uns beispielsweise in Deutschland erarbeitet haben, ist ohne Patentierung quasi weltweit verfügbar. Man kann es nicht mehr schützen. Und ich hab immer wieder versucht dem Vorwurf zu begegnen, dass wir uns nur eine goldene Nase mit der Forschung und den Patenten verdienen wollen.

Wieso kann man nicht so vorgehen, dass man diese Gelder, die man durch die Patente einnimmt, gleich wieder in die Forschung investiert. Also ich würde gerne darauf verzichten und mit dem Geld aus den Patenten statt dessen die Forschung unterstützen.

Interview: Ingolf Baur