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PolitikNahost

Steinmeier in Katar: Hoffnung und Bangen im Nahen Osten

Rosalia Romaniec Doha
30. November 2023

Zum Abschluss seiner viertägigen Nahostreise hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Katar besucht. Als Vermittler zwischen Konfliktparteien kommt am Emirat heute niemand mehr vorbei.

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Bundespräsident Steinmeier (l) reicht Scheich Tamim bin Hamad Al Thani die Hand
Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, Emir von Katar, begrüßt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) vor dem Palast des Emirs zu einem Gespräch. Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Das Flugzeug war überpünktlich in Doha gelandet, um den Bundespräsidenten zu dem kurzfristig eingeplanten Treffen mit dem Emir Tamim bin Hamad Al Thani zu bringen. Ursprünglich war die Reise von Frank-Walter Steinmeier nach Israel und Oman geplant. Doch angesichts der Tatsache, dass Katar gerade über die Geiselfreilassung und Feuerpausen im Gazastreifen mit der Hamas vermittelt, wollte der Bundespräsident persönlich mit dem Emir von Katar sprechen.

Warten auf dem Rollfeld

Doch bevor Steinmeier in den Emir-Palast konnte, gab es auf dem Rollfeld Verwirrung. Der Airbus A350 war ein wenig früher als geplant gelandet. Der Bundespräsident musste auf den offiziellen Empfang warten – beinahe eine halbe Stunde stand Steinmeier mit verschränkten Armen und irritiertem Blick oben auf der Treppe und beobachtete, wie unten nach einer Lösung gesucht wurde.

Bundespräsident Steinmeier steht mit einem weiteren Mann (re) vor dem Eingang eines Flugzeugs der Bundeswehr
Bundespräsident Steinmeier wartet in Doha auf den EmpfangBild: Rosalia Romaniec/DW

Schließlich erschien der Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten Sultan Al Muraikhi auf dem roten Teppich – und begrüßte den deutschen Gast hörbar mit den Worten: "Wir müssen eine Lösung für das palästinensische Volk finden. Da müssen wir klar sein". Der verspätete Start sei gar nicht so ungewöhnlich, hörten die mitreisenden Journalisten später aus Delegationskreisen. Alles sei genauso geplant gewesen. Das Bild sprach eine andere Sprache.

Hoffnung für Geisel

Bei den Gesprächen ging es Steinmeier vor allem um die Geiseln. Er betonte aber auch, dass sich die Lage im Nahen Osten und in Gaza nur dann verändern würde, wenn es von der Hamas “keine mörderische Bedrohung für Israel mehr ausgeht”.

Der Bundespräsident bedankte sich für die bisherigen Bemühungen Katars um die Freilassung von Geiseln, und bat um fortgesetzte Anstrengungen. Unter den mehr als 60 freigelassenen Geiseln sind bisher elf deutsche Staatsbürger, ungefähr noch einmal so viele befinden sich in der Hand der Hamas, die einige Länder, darunter auch Deutschland, als ‚Terrororganisation‘ eingestuft haben.

"Ich bin sicher, dass Katar alles unternehmen wird, um auch zur Freilassung der deutschen Geiseln beizutragen", sagte Steinmeier nach dem Gespräch mit dem Emir vor der deutschen Presse. Er hoffe, dass "wir in den nächsten Tagen gute Nachrichten hören werden".

Der kleinste Golfstaat Katar gehört inzwischen zu den Topakteuren in den internationalen Verhandlungsrunden. Das Emirat unterhält viele offene Kanäle, die andere nicht haben. Doch Katars Rolle gilt als komplex – und nicht unproblematisch.

Steinmeier spricht in viele Mikrofone
Steinmeier äußert sich zum Abschluss seiner Nahost-Reise gegenüber MedienvertreternBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Zwei Seiten einer Medaille

Denn der Vermittler pflegt eine große Nähe zum Politbüro der Terrororganisation Hamas. Das Emirat ist wie die Hamas eng mit den Muslimbrüdern vernetzt. In Doha befindet sich die politische Zentrale der Hamas, was Fragen zur Intensität der Beziehungen aufwirft. Zugleich ist klar: genau deshalb, weil Katar diese Beziehungen hat, kommt man an dem kleinen Emirat kaum vorbei – darüber sind sich alle in Berlin einig.

”Katar ist ambivalent zu bewerten, aber als Partner derzeit unverzichtbar“, sagt Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion im Gespräch mit der DW. ”Gerade jetzt bleibt keine Alternative.“ Der außenpolitische Sprecher der FDP Ulrich Lechte spricht von "unklaren und absichtlich nebulös gehaltenen Absichten Katars in diesem Konflikt" und sagt: "Wir sind erpressbar, da wir in der aktuellen Situation vom Wohlwollen des Emirs abhängig sind, der diese Gefälligkeit sicherlich anderswo einlösen wird." 

Natürlich habe Katar "eigene Interessen, die darauf hinauslaufen, sich nach allen Seiten als vertrauensvoller Mittler anzubieten", wodurch es sich „unentbehrlich und unabhängig macht“, meint Lamya Kaddor, Grünen-Berichterstatterin für den Nahen und Mittleren Osten. Als kleines Land zwischen den zwei Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran sei es gleichzeitig auf diesen Status angewiesen. Es sei in „Katars Interesse, diese Position weiter seriös auszufüllen”, so Kaddor.

Katar ist derzeit unverzichtbar – und das nicht zum ersten Mal. Deutsche Politiker wandten sich schon 2021 mit einer Bitte an die Führung des kleinen Emirats. Als die Taliban Kabul eroberten und auch die Bundeswehr zum sehr chaotischen Abzug aus Afghanistan zwangen, waren es ebenfalls die Kataris, die entscheidend dabei halfen, zehntausende ehemaliger Ortskräfte der Bundeswehr aus dem Land herauszubekommen.

Die Ehrengarde des Emir von Katar reitet auf Kamelen vor dem Stadtpanorama von Doha
Die Ehrengarde des Emir von Katar reitet auf Kamelen um den Palast des Emirs, als die Delegation des Bundespräsidenten am Palast eintrifftBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Intensivere Kontakte zu Golfstaaten gewünscht

Dass der Bundespräsident jetzt persönlich nach Doha fliegt, um dem Emir seinen Respekt für die konstruktive Rolle bei den schwierigen Verhandlungen mit Hamas zu zollen, findet die Opposition in Berlin richtig: Deutschland solle enge Kontakte zu Katar suchen, denn „es ist zu wichtig, um es zu ignorieren“, sagt Jürgen Hardt. Potenzial gäbe es laut dem konservativen Bundestagsabgeordneten noch im Handel mit Katar, bei Energiefragen und im Finanzwesen, sowie in der Sicherheitspolitik.

Vom Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen spricht gegenüber der DW auch die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor. Selbstverständlich müsse man mit diesen Ländern auch über die Lage der Menschenrechte sprechen, allerdings „auf Augenhöhe“. ”Vom erhobenen moralischen Zeigefinger profitieren am Ende nur Russland und China, die sich zunehmend als attraktive Alternative zu Demokratien präsentieren”, so Kaddor.

Blick nach vorne

Die Opposition fordert zugleich eine klare Nahost-Strategie der Bundesregierung, „um arabische Partner an sich zu binden und Vertrauen aufzubauen”, so Jürgen Hardt. Seine Fraktion hat im Juli 2022 eine solche Strategie vorbereitet. Die Bundesregierung müsse nachziehen.

Diese legt derzeit in Sachen Nahost weniger Fokus auf Strategiepapiere, vielmehr sie bemüht sich um persönlichen Austausch mit der arabischen Welt. Kurz nach dem brutalen terroristischen Angriff der Hamas auf Israel reiste Bundeskanzler Olaf Scholz nach Israel und Ägypten. Außenministerin Annalena Baerbock war seit dem 7. Oktober bislang dreimal in der Region.

Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender betreten über eine rote Treppe ein Flugzeug der Bundeswehr, links neben ihnen stehen zwei weitere Männer. Steinmeier hat sich umgedreht und hebt die Hand zum Gruß.
Winken zum Abschied: Steinmeier vor dem Rückflug nach BerlinBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Die Reise des Bundespräsidenten in die beiden Golfstaaten, Oman und Katar, kann man als einen Teil dieser Offensive verstehen. Bei Oman will Steinmeier mit Blick auf die Zukunft ein gutes, stabiles Verhältnis aufbauen. Der Sultan aus Maskat gilt als der verschwiegenste Vermittler der Region. Kürzlich half er bei der Wiederannäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien - ein wichtiger Beitrag für die Stabilität der Region, sind sich Experten einig.

Gerade mit Blick auf die nahe Zukunft kann es eine Rolle spielen. Denn sollte es gelingen, alle Geiseln freizubekommen und sich die Lage nicht weiter zuspitzen, werden sich internationale Akteure – darunter auch Deutschland – und bald einem grundsätzlicheren Thema widmen: die Zukunft von Gaza nach dem Krieg. Dann wird jeder verlässliche Partner in der Region sehr wichtig sein.

Rosalia Romaniec | DW Mitarbeiterin | Leiterin Current Politics
Rosalia Romaniec Leiterin Current Politics / Hauptstadtstudio News and Current Affairs@RosaliaRomaniec