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Krawalle nach Selbstmord

Jannis Papadimitriou 5. April 2012

Der öffentliche Selbstmord eines 77-Jährigen sorgt in Athen für Unruhen. Der Freitod des Rentners ist kein Einzelfall: Seit Ausbruch der Schuldenkrise haben sich deutlich mehr Griechen als davor das Leben genommen.

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Gewalt in Athen (Foto: REUTERS/Yorgos Karahalis
Gewalt in AthenBild: Reuters

Mit einem Kopfschuss hat der pensionierte Apotheker seinem Leben ein Ende gesetzt - mitten auf dem Athener Syntagma-Platz, knapp hundert Meter vor dem griechischen Parlament. Er hat einen kurzen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er der "Besatzungsregierung Griechenlands" vorwirft, sie habe ihm "jegliche Überlebenschance zunichte gemacht". Deswegen bleibe ihm gar nichts anderes übrig, als "dem Leben ein ehrenhaftes Ende zu setzen", bevor er in den Mülltonnen nach Essbarem sucht oder seiner 37-jährigen Tochter zur Last fällt.

Vor seinem Selbstmord rief der Mann die Griechen auf, "zu den Waffen zu greifen", um gegen die Sparpolitik einer "verräterischen Regierung" zu kämpfen. Die konservative Tageszeitung Eleftheros Typos bezeichnet den 77-Jährigen als einen "Märtyrer für Griechenland". Das ganze Land ist von diesem tragischen Selbstmord schockiert - aber auch von den Reaktionen einiger Politiker.

Politiker bezweifelt Zusammenhang zur Wirtschaftslage

Der ehemalige Sprecher der mitregierenden sozialistischen Partei PASOK, Panos Beglitis, erklärte nur wenige Stunden nach dem Tod des Rentners in einem TV-Interview, man dürfe nicht "willkürlich" einen Zusammenhang herstellen zwischen diesem Selbstmord und der wirtschaftlichen Situation im Land. Schließlich sei es auch denkbar, dass der 77-Jährige seine finanzielle Not selbst zu verantworten habe.

Solche Äußerungen werden den Zorn der Straße kaum besänftigen. Während der gewalttätigen Auseinandersetzungen, die knapp zwei Stunden lang dauerten, wurde eine junge Journalistin verletzt. In den nächsten Tagen und Wochen sind weitere Protestaktionen zu erwarten.

Mehr Freitode seit Krise

Die Krise treibt erschreckend viele Griechen in den Freitod: Kriminalexperten weisen darauf hin, dass die Zahl der Selbstmorde in Griechenland in den vergangenen drei Jahren um mehr als 22 Prozent gestiegen ist. Seit Ausbruch der Schuldenkrise haben sich über 1500 Menschen das Leben genommen. Um die 2000 Menschen konnte die griechische Polizei im letzten Moment vor dem Freitod retten.

Dabei hatte Griechenland vor der Wirtschaftskrise noch die niedrigste Selbstmordrate in ganz Europa. Dass so viele Menschen jetzt nur noch den Tod als Ausweg sehen, bezeichnet die griechische Tageszeitung Kathimerini als "traurigstes Kapitel in der Geschichte der griechischen Finanzkrise".

Proteste verarmter Rentner im Februar (Foto: EPA/ORESTIS PANAGIOTOU +++(c) dpa - Bildfunk+++)
Proteste verarmter Rentner im FebruarBild: picture-alliance/dpa