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Politik

Schlussrunde: Gereizt bis zur Ziellinie

Richard A. Fuchs
22. September 2017

Endspurt im Kampf um Platz drei: Im letzten TV-Duell vor der Bundestagswahl wurde von den Spitzenkandidaten der Parteien über Altersarmut, Bildung und innere Sicherheit gestritten - und über verbale AfD-Entgleisungen.

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"Schlussrunde" von ARD und ZDF zur Bundestagswahl | Gruppenbild
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Von Wohlfühlwahlkampf ist in diesen 90 Minuten nichts mehr zu spüren. Als am Donnerstagabend die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl beim letzten TV-Duell aufeinandertreffen, wird um Themen, aber auch um die Rolle der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland gestritten. Es geht um die Wutausbrüche bei Wahlkampfveranstaltungen im Osten Deutschlands – und darum, welche Partei mit ihrer Politik dafür verantwortlich ist, dass sich Bürger "abgehängt" fühlen. Und es geht um die Frage, ob die AfD ihre Anhänger zum Pfeifen und Pöbeln bei Wahlkampfauftritten anderer Parteien aufgerufen hat.

"Schlussrunde" von ARD und ZDF zur Bundestagswahl | Alexander Gauland
Er wollte mit seinen Worten wieder provozieren: AfD-Kandidat Gauland Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Alexander Gauland, der Spitzenkandidat der Partei, verneint vehement und erklärt das Phänomen der Wut auf der Straße, wie so häufig, mit der verfehlten Flüchtlingspolitik. Zudem wiederholt er seine fremdenfeindlichen Äußerungen gegen die SPD-Integrationsministerin mit türkischen Wurzeln. Sie solle in Anatolien "entsorgt" werden. Ein Aufschrei geht durchs Fernsehstudio. SPD-Spitzenfrau Manuela Schwesig wirft ihm "perfiden Hass und Hetze" vor. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner schneidet ihm das Wort ab. "Ich finde es unangemessen, dass jede AfD-Äußerung hier diskutiert wird". Er plädiert dafür, die Partei mit Alltagsproblemen zu konfrontieren. Da komme dann wenig, sagt Lindner.

Ist Altersarmut nur ein Rechenfehler?

Nach der Wutdebatte, folgt der erste Themenblock. Es geht um Pflegenotstand, um Kinder- und vor allem Altersarmut. Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann, der die CSU vertritt, sieht den gestiegenen Wohlstand als einen Grund, warum statistisch jetzt mehr Leute zur Gruppe mit Altersarmut gezählt würden. Katrin Göring-Eckhardt, Spitzenkandidatin der Grünen, widerspricht: "Man geht nicht Flaschen sammeln, weil es einen Rechenfehler in der Statistik gibt." Die Linke Spitzendkandidatin Sarah Wagenknecht stimmt dem zu, SPD-Frau Schwesig wirbt für das Rentenkonzept ihrer Partei – mit Stabilisierung von Beitragszahlungen. "Und eins ist klar, Rente mit 70 geht schon mal gar nicht", wirft sie dem bisherigen Koalitionspartner Union zu. Dort wurden solche Zahlenspiele zwischenzeitlich gehandelt. Und tatsächlich, beim konkreten Alltagsproblem Rente muss der AfD-Vertreter passen: "Ich gebe zu, dass wir kein ausgearbeitetes Rentenkonzept haben", sagt Gauland.    

"Schlussrunde" von ARD und ZDF zur Bundestagswahl | Joachim Herrmann
Er empfahl sich schon mal als Bundesinnenminister: Joachim Herrmann (CSU)Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

"Das Digitalste an der Schule sind die Pausen"

Nächster Themenblock sind Bildung und Digitalisierung. CDU-Vertreterin Ursula von der Leyen erinnert daran, dass jetzt sieben Milliarden Euro in die Renovierung öffentlicher Schulen fließen. Dann gehe man die Finanzierung der Digitalisierung an. FDP-Mann Lindner amüsiert: "Typisch CDU, von allem irgendwie ein bisschen?" Das Digitalste an Deutschlands Schulen seien nach wie vor die Pausen. Die Grünen-Kandidatin erinnerte daran, dass es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern braucht, um digitale Bildung umzusetzen. Und es brauche mehr Erzieher – und beitragsfreie Kitas. Gefragt nach seinen Vorstellungen zur Bildung, gerät der AfD-Mann wieder ins Stocken. Dann folgt ein Allgemeinplatz: Es müsse mehr Geld in Bildung fließen. Manuela Schwesig hilft Gauland daraufhin aus, als der nicht so recht erklären kann, was es mit den getrennten Zuständigkeiten von Bund und Ländern bei der Bildung auf sich hat. Inhaltlich ein schwieriger Tag für die AfD.  

Innere Sicherheit – Konsensthema mit Streitpotential

"Schlussrunde" von ARD und ZDF zur Bundestagswahl | Christian Lindner
Er hatte einen guten Tag: FDP-Kandidat LindnerBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Das letzte große Themenpaket der Runde dreht sich um die Fragen der Inneren Sicherheit. CSU-Innenminister Herrmann, der als erfolgreicher Hardliner in der Verbrechensbekämpfung gilt, bewirbt sich schon mal als möglicher Innenminister. Und er erklärt die Erfolge Bayerns zum Maßstab auch für eine künftige Bundespolitik. Mehr Polizisten, mehr Videoüberwachung und mehr Schleierfahndung. FDP-Mann Lindner wirft ein, die Schleierfahndung werde von Gerichten ohnehin bald kassiert. Herrmann zeigt sich irritiert, und verärgert. Dabei hatten beide doch gerade so nett über eine mögliche Schwarz-Gelbe-Regierung gesprochen. SPD-Frau Schwesig befindet: "Jetzt sehen alle, was uns Schwarz-Gelb bringen würde". Sarah Wagenknecht von der Linken wirft den Unionsparteien vor, tausende Polizeistellen abgeschafft zu haben, und dies den Wählern zu verschweigen.  

Rund um das Thema Energiewende wird in dieser Runde dann noch einmal ausgetestet, ob eine sogenannte Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen inhaltlich denkbar wäre. An diesem Abend gilt: Die Grabenkämpfe zwischen FDP und Grünen bleiben bestehen.  

"Schlussrunde" von ARD und ZDF zur Bundestagswahl | Sahra Wagenknecht
Katrin Göring Eckhardt (Grüne) und Sarah Wagenknecht (Linke) hatten es dieses Mal schwerBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Wer mit wem – das bleibt weiter offen

90 Minuten sind schnell vergangen. Im Gegensatz zum großen Kanzlerduell von Angela Merkel und Herausforderer Martin Schulz streiften die Kandidaten dieses Mal in der Sendung von ARD und ZDF eine größere Themenpalette. Altersarmut, Bildung, Klimaschutz und ein bisschen Dieselskandal. Es ging um Inhalte, aber es ging auch um die Art und Weise, wie miteinander gerungen wird. FDP-Chef Christian Lindner posaunte schon einmal hinaus, dass er nach der Wahl wieder eine Große Koalition kommen sehe. Er werde dann die größte, demokratische Oppositionspartei anführen. Wie gut diese Prognose auf der Zielgerade war: Am Sonntag wissen wir es.