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Radeln auf altem Rad in historischem Look

Kevin Cote
22. September 2017

Vor 200 Jahren fuhr Freiherr von Drais als erster Radfahrer auf einem merkwürdigen Zweirad durch die Straßen Mannheims. Seitdem hat sich das Fahrrad sehr entwickelt - und ist nun wieder auf dem Weg zurück zu den Wurzeln.

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Deutschland 3. Velo Classico in Ludwigslust
Bild: DW/K. Cote

Galina Epping kommt mit ihrem alten aber frisch restaurierten Pinarello-Rennrad zum Velo Classico nach Ludwigslust im Nordosten Deutschlands. Ein Rahmen aus den 1980er Jahren in Rot und Blau mit glänzendem Chrom, glitzernd wie Schmuckstück in der Herbstsonne. "Ich habe 500 Euro für den Rahmen und weitere 2000 für Komponenten und Instandsetzung bezahlt", sagt sie ohne einen einzigen Cent zu bereuen. "Es ist der Hype, denke ich."

Galina ist nur eine der knapp 400 Radfahrer aus Deutschland und anderen Ländern, die sich am vergangenen Wochenende zum Velo Classico getroffen haben, einer organisierten Rundfahrt mit drei verschiedenen Distanzen: 47, 90 oder 150 Kilometer durch die schöne Landschaft von Mecklenburg-Vorpommern. Wer bei der Fahrt über die längste Distanz dabei sein will, dessen Fahrrad muss allerdings einige Kriterien erfüllen: der Rahmen nicht jünger als von 1989 und eine Hebelschaltung muss sich am unteren Rahmenrohr befinden. Auf den kürzeren Strecken sind die Regeln nicht so streng. Es gibt bei keinem der Rennen eine Zeitnahme, und Preise nur für möglichst außergewöhnliche Fahrräder und die besten historischen Kostüme.

"Wir wollen niemanden ausschließen" sagt Detlef Koepke, der Organisator des Velo Classico. "Aber es hat seinen Charme, wenn die Leute sich verkleiden. Wir wollen die Erfahrung transportieren, die unsere Eltern und Großeltern beim Radfahren hatten."

Weltweite Events

Deutschland 3. Velo Classico in Ludwigslust
Neben historischen Kostümen sieht man beim Velo Classico auch zahlreich Rennkleidung der 1980er und 1970er JahreBild: DW/K. Cote

Vintage-Radrennen wie das Velo Classico werden weltweit immer mehr zum Trend. Das Original, die L'Eroica im italienischen Chianti, hatte 1997 seine Premiere. Heute muss die Teilnehmerzahl auf 7000 begrenzt werden, Startplätze werden verlost. Diesen Oktober werden 20.000 Zuschauer erwartet. Weltweit gibt es mittlerweile L'Eroica-Events in Spanien, den Niederlanden, Großbritannien, den USA, Uruguay, Japan, Südafrika und Deutschland.

"Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen nicht mit der technischen Entwicklung Schritt halten können", sagt Peter Walschburger, Bio-Psychologe an der Freien Universität Berlin. "Daher werden Geräte wiederentdeckt, die so einfach funktionieren wie das Fahrrad, das man sofort verstehen kann."

Veränderte Werte

Viele Teilnehmer des Velo Classico bestätigen, dass ihnen die Rückschau in vergangene Zeiten dabei hilft, zurechtzukommen. Lucas Thiemann, ein Tischler aus Norddeutschland, sieht einen Zusammenhang zwischen klassischen Fahrrädern und den antiken Werkzeugen, die er bei der Holzarbeit bevorzugt.

Deutschland 3. Velo Classico in Ludwigslust
Wer ein passendes Ersatzteil braucht, wird fündigBild: DW/K. Cote

"Ältere Werkzeug waren dazu gemacht, ewig zu halten. Sie waren einfach gebaut, so dass sie über Generationen hinweg benutzt werden konnten. Bei modernen Werkzeugen ist das anders. Sie sind so konstruiert, dass man mit der Arbeit schnellstmöglich fertig wird. Das ist etwas völlig anderes."

Marie Antonett Rieger, eine Hutmacherin aus Schwerin, kam ursprünglich zum Velo Classico, um hier Hüte und Tweedkappen an die Teilnehmer zu verkaufen. Doch dann war sie so beeindruckt, dass sie in diesem Jahr selbst auf ein altes Rad stieg und die kürzeste Runde selbst auf zwei Rädern absolvierte. "Es ist ein Teil der Entschleunigung", sagt sie. "Jeder hier ist so entspannt und freundlich."

Radfahren als Poesie

Deutschland 3. Velo Classico in Ludwigslust
Und auch die entsprechende Kleidung wird angebotenBild: DW/K. Cote

Andere fühlen eine nahezu philosophische Verbindung zu ihren alten Fahrrädern: Joan Dilé, ist eine Studentin aus Berlin und besucht den Velo Classico mit einem grünen Pashley Bicycle, einem handgefertigten Fahrrad aus England, und lila Knickerbockers. Sie sagt, der griechische Poet Andreas Embirikos habe Recht gehabt, als er formulierte: ein Gedicht zu lesen, enthülle die Wahrheit auf die gleiche Weise, auf die das Fahren eines Fahrrades die Landschaft enthülle. "Für mich ist es die Ästhetik", sagt Dilé.

Manfred Galonski, ein Architekt Vintage-Fahrrad-Enthusiast aus Celle, sagt, das alte Rennräder auf den Retro-Events eine Wiedergeburt erleben. "Man fährt auf einem Rennrad, aber man fährt kein Rennen. Es gibt keinen Wettbewerb. Es geht nur um Spaß!"

Auch wenn einige Anhänger der Retro-Rad-Welle eine kleines Vermögen für ihre Vintage-Fahrräder ausgäben, seien sie nicht in der Mehrheit, sagt Galonski. "Praktisch hat doch jeder ein altes Fahrrad im Keller stehen. Und das ist alles, was man braucht."