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Die Rolle der Monarchie

Rodion Ebbighausen5. Dezember 2013

Der König hat Geburtstag und ruft seine Landsleute nach den Protesten der vergangenen Tage zur Einheit auf. Dabei hat Thailands Monarchie ihren Anteil an den Unruhen in der Gesellschaft.

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Ein Porträt des Königs Bhumibol
Bild: Getty Images

In Thailand hat König Bhumibol Adulyadej die Bevölkerung in seiner traditionellen Geburtstagsansprache aufgerufen, gemeinsam für die Stabilität des Landes zu arbeiten. Anlässlich seines 86. Geburtstags sagte er: "Unser Land hat eine lange Phase des Glücks erlebt, weil wir gemeinsam unsere Pflicht erfüllt und gemeinsam für das Wohl des Landes gearbeitet haben."

Der König äußerte sich nicht direkt zu den Protesten, die am Wochenende (30.11.2013) eskaliert waren. Mit seinem Aufruf zur Einheit erfüllt er seine wichtige Rolle als einigender Pol der thailändischen Gesellschaft, da er von allen Seiten anerkannt und respektiert wird. Zugleich sind das Königshaus und der 86-jährige Monarch aber auch ein Teil des Problems. "Die Proteste der vergangenen Tage sind eben auch ein Kampf um die politische Ordnung nach der Thronfolge." Das erklärt ein Experte, der namentlich nicht genannt werden möchte: Er fürchtet das Lèse-Majesté-Gesetz. Das Gesetz stellt in Thailand jede kritische Meinungsäußerung gegen den König, seine Familie oder die Monarchie unter Strafe.

Menschenrechtsorganisationen ist es seit Jahren ein Dorn im Auge. Denn seit seiner Einführung im Jahr 1908 wurde das Gesetz immer wieder genutzt, um politische Gegner mundtot zu machen. "Es scheint, als würden die Gerichte immer mehr zum obersten Beschützer der Monarchie. Das geht auf Kosten der Meinungsfreiheit", sagte Brad Adams, Asiendirektor von Human Rights Watch, angesichts der Verurteilung des thailändischen Aktivisten Somyot Pruksakaemsuk im Januar 2013.

Regierungsproteste in Bangkok vom 25.11.2013
Die Demonstranten wollen die Regierung stürzenBild: Holger Grafen

Der verborgene Machtfaktor

Das Lèse-Majesté-Gesetz ist allerdings nur der sichtbare Ausdruck einer viel tiefergehenden Problematik: Es geht um die Machtfülle der Monarchie, die jeder Kontrolle entzogen ist.

Offiziell ist Thailand seit 1932 eine konstitutionelle Monarchie. Das bedeutet, dass die Macht des Königs durch die Verfassung eingeschränkt ist. In Thailand ist diese Beschränkung allerdings extrem intransparent, erklärt Jost Pachaly von der Heinrich-Böll-Stiftung: "Die Monarchie spielt eine wichtige Rolle im Hintergrund. Aber die Rolle ist so schwer einzuschätzen, weil darüber nicht berichtet wird und keiner etwas Genaues weiß."

Diese unbestimmten Machtbefugnisse trugen und tragen viel zum stetigen Kampf um die Vorherrschaft im Land bei. Der Politikwissenschaftler und Asienexperte Marco Bünte beschreibt Thailands Geschichte als einen "Teufelskreis aus Militärputsch, Verfassungsgebung, Krise und erneutem Militärputsch." Die Monarchie hatte daran einen Anteil.

Die Machtergreifung der Monarchisten

Als der König 1946 den Thron bestieg, war die Monarchie fast ohne Einfluss, wie der Autor Paul M. Handley in seiner König-Bhumibol-Biographie "The King Never Smiles" schreibt. In den folgenden Jahren gelang es dem König und den Mitgliedern der Monarchie allerdings, ihre Position zu stärken: "Bhumibols Rückgewinnung der Macht und des Ansehens der Monarchie war kein Zufall, sondern die Frucht einer mühsamen, entschlossenen und manchmal skrupellosen Anstrengung hartnäckiger Prinzen", so Handley.

Die Macht des Königs beruht dabei vor allem auf Ansehen und moralischer Integrität. Mit gewaltigem finanziellem und propagandistischem Aufwand wurde das Bild eines gottgleichen buddhistischen Königs - eines "Dharmarajas" - aufgebaut, an das viele Thailänder bis heute glauben. Die Kunst besteht laut Handley darin, "Macht auszuüben, ohne über politische Macht zu verfügen". Üblicherweise geschieht dies über den Geheimen Kronrat, in dem ehemalige Mitglieder der Regierung und Ex-Militärs vertreten sind, die nach wie vor Verbindungen zu den Schaltstellen der Macht besitzen. Die Entscheidungen des Rates sind geheim und entziehen sich damit jeder demokratischen Kontrolle.

Zu der immensen auf Charisma und Prestige beruhenden Macht des Königs kommt sein Reichtum. Dabei wird der Besitz nicht direkt ihm selbst zugeordnet, denn das könnte seinem buddhagleichen Image schaden. Stattdessen wird das Geld offiziell vom Crown Property Bureau (CPB) verwaltet. Das CPB ist eine vollständig eigenständige Institution, weder der Palastverwaltung noch dem Staat zugehörig und auch kein privates Unternehmen. Es ist nicht nur für die Grundbesitzungen der Königsfamilie zuständig, sondern ist auch beteiligt an den größten Unternehmen des Landes. Es zahlt keine Steuern. Das exakte Vermögen zu beziffern ist schwierig, aber das Forbes Magazine schätzt Anfang 2013, dass die thailändische Monarchie jährlich mehr als 370 Millionen Euro ausgibt.

2010: Wochenlange Unruhen in Bangkok
Bei den Protesten von 2010 sind fast 100 Menschen getötet wordenBild: Wally Santana/AP/dapd

Demokratie kommt nicht voran

Die politische und wirtschaftliche Potenz des Königshauses ist vor allem deshalb problematisch, weil aufgrund des Lèse-Majesté-Gesetzes niemand darüber berichten darf. "Somit agiert eine wichtige Figur in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft Thailands im Dunkeln", sagt Jost Pachaly von der Heinrich-Böll-Stiftung. Das mache die demokratische Willensbildung schwierig, da entscheidende Faktoren intransparent sind. Auch ist das Lèse-Majesté-Gesetze ein willkommenes Instrument, um unliebsame Gegner in den seit vielen Jahren immer wieder ausbrechenden Kämpfen zwischen den Rothemden und Gelbhemden mundtot zu machen. Die bloße Anschuldigung, jemand habe den König beleidigt, reicht in manchen Fällen aus, um eine politische Karriere zu beenden.

Nach den letzten Protesten von 2010 wurde ein nationaler Versöhnungsprozess angestoßen, der aber nicht vorankommt, wie Pachaly feststellt: "Alle reden über den Versöhnungsprozess, aber es gibt keinen Fortschritt, weil sich beide Hauptgruppen in Stellung bringen und abwarten." Der jüngste Aufstand beweist das und das fortgeschrittene Alter des Königs verschärft die Situation. Die Rothemden rechnen sich Chancen aus, während der Machtübergabe im Königshaus ihren Einfluss auszuweiten. Das Königshaus und die alten Eliten wiederum fürchten genau das, wie die namentlich nicht genannte Quelle bestätigt: "Das Königshaus hat natürlich Angst vor republikanischen Zuständen."