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Internet und Politik wollen sich versöhnen

Kay-Alexander Scholz19. Dezember 2013

Die Politik sucht die Annäherung an das Neuland Internet. Ein eigener Fachausschuss soll kommen. Und ein Netzpolitiker wurde zum Generalsekretär von Merkels Partei, der CDU, ernannt.

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Land mit Traktor (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

"Neuland" bezeichnet Ackerland in den ersten Jahren seiner (landwirtschaftlichen) Nutzung. Ganz unrecht hatte Merkel deshalb mit ihrem Vergleich Internet = Neuland wohl nicht. Für Wirtschaft und Bürger gehört das Internet längst zum Alltag. Doch in der Bundespolitik wurde das Thema bisher wenig beackert. Nun aber haben sich die Parteien im Bundestag darauf geeinigt - zwar nicht sofort - aber doch spätestens im Februar einen ständigen Ausschuss "Internet und digitale Agenda" einzusetzen. Um im Bild zu bleiben: Traktor und Pflug sind gekauft, das Neuland wird im nächsten Frühjahr bestellt.

Doch welche Pflanzen auf dem Neuland wachsen sollen, ist unklar - und auch, wer den Acker eigentlich bestellen soll. Normalerweise spiegeln die Ausschüsse die Ressortverteilung der Ministerien wieder. In diesen "vorbereitenden Beschlussorganen" findet der Großteil der parlamentarischen Arbeit statt. Deshalb werde der Internetausschuss erst später eingesetzt, wie Christine Lambrecht, die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag sagte. Noch werde darüber verhandelt, ob der Ausschuss ein Ministerium spiegelt oder aber "freischwebend" sein soll, antwortete Lambrecht auf die Frage des grünen Netzpolitikers Konstantin von Notz. Der Oppositionsvertreter wollte wissen, wieso der Ausschuss nicht wie die anderen 22 ständigen Ausschüsse auch vor Weihnachten eingesetzt wurde. Man bitte noch um ein paar Wochen Geduld, so Lambrecht.

Ein langer Weg

Geduld haben die Netzpolitiker im Bundestag bereits in der vergangenen Legislaturperiode bewiesen. Zwar gab es zwei Gremien, in denen netzpolitisch diskutiert werden konnte. Doch die Debatten fanden wohl am meisten Gehör in den Medien und nicht bei den anderen Bundestagsabgeordneten. Zum einem gab es den Unterausschuss "Neue Medien" im Kulturausschuss. Hier wurde zum Beispiel das umstrittene Leistungsschutzrecht diskutiert und letztlich abgesegnet. Von Mai 2010 bis April 2013 arbeitete außerdem die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft". Beim wichtigen Thema Netzneutralität konnte sich das Gremium jedoch zu keiner gemeinsamen Meinung durchringen.

Wenig verwunderlich, dass sich die Netzpolitiker der Parteien außerhalb des Bundestags zusammenschlossen. Mit den selbst ernannten Zielen, das Thema Internet aufzuwerten, den Austausch mit Fachleuten zu fördern und stärkeren Einfluss zu bekommen. 2010 wurde der Grünen-Partei nahe stehende "Digitale Gesellschaft" gegründet, Ende 2011 folgte die SPD mit "D64" und im März 2012 gründeten Unionspolitiker den Verein "cnetz". Anders als im Bundestag sitzen in den Vereinen Lobbyisten - wie zum Beispiel von Google - direkt mit am Tisch. Doch Lobbying gehört zum Politikgeschäft nun einmal dazu. Hierin ist das Internet inzwischen so normal wie die Stahl- oder Pharmabranche.

Alles nur "Selbsthypnose"?

Groß war die Freude bei manchem Netzpolitiker, als vor wenigen Tagen durchsickerte, alle Fraktionen im Bundestag hätten sich auf einen Internetausschuss verständigt. Thomas Jarzombek (CDU), Dorothee Bär (CSU) und Lars Klingbeil (SPD), nun alle vereint in einer großen Koalition, freuten sich auf Twitter über die News. Der grüne Netzpolitiker von Notz dagegen warnte umgehend, "die Euphorie sei eine Selbsthypnose der GroKo", also der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Er befürchtet, dass im Ausschuss netzpolitisch relevante Themen nur beraten, jedoch in anderen Ausschüssen beschlossen werden. Justiz, Inneres, Wirtschaft und Verkehr heißen hier wohl die konkurrierenden Ministerien.

Bei welchen Themen der Ausschuss die sogenannte "Federführung" haben wird, muss abgewartet werden, sagte von Notz. Der IT-Branchenverband Bitkom und der Netzaktivist Markus Beckedahl freuten sich trotzdem über die formale Aufwertung des Internets.

Viel zu tun

Genügend Aufgaben für den Ausschuss sind bereits im Koalitionsvertrag beschrieben. Zwar taucht das Wort "Internet" auf 188 Seiten nur 35 Mal auf, aber der inhaltliche Kontext scheint gewichtig. Von der "vierten industriellen Revolution durch das Internet ist die Rede" oder vom "unverzichtbaren Wachstumstreiber". W-Lan, digitale Funknetze und Breitband sollen den Netzzugang im gesamten Land sicher stellen. Ein Internet-Institut soll "politische, rechtliche und ethische Grundlagenforschung" betreiben. Die "Internet-Infrastruktur Deutschlands und Europas als Vertrauensraum" soll gestärkt werden. Eine "internationale Konvention" soll "Freiheit und persönliche Integrität im Internet" schützen. Auch hat sich auf Merkels Neuland wohl einiges an Unkraut angesiedelt. Das Leistungsschutzrecht soll evaluiert werden, der Internetschutz für Kinder soll ausgebaut und Kinderpornografie bekämpft werden, ebenso wie Cypermobbing. Urheberrechtsverstöße, Netzneutralitätsverletzungen oder (noch einmal) das Leistungsschutzrecht sollen auf die Agenda.

Peter Tauber (Foto: dpa)
Der Netzpolitiker Peter Tauber ist jetzt Generalsekretär der CDUBild: picture-alliance/dpa/Tobias Koch

Das Internet bekommt in der neuen Legislatur auch von der Bundesregierung eine andere Wertigkeit zugesprochen. Der Verkehrsminister befasst sich jetzt nicht nur mit Auto-, sondern auch mit Datenautobahnen. Neuer Generalsekretär der CDU ist Peter Tauber, bekannter CDU-Netzpolitiker und auch Mitglied von "cnetz". Die Parteiarbeit müsse der veränderten Medienwelt angepasst werden, sagte Merkel bei der öffentlichen Ernennung Taubers.