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Parteien uneins bei europäischer Flüchtlingspolitik

4. Juni 2009

Für viele Menschen in Afrika und Osteuropa ist die EU das "Gelobte Land". Eine gemeinsame EU-Migrationspolitik wird immer dringender. Schon die Differenzen der Parteien in Deutschland dazu zeigen, wie schwierig das ist.

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Afrikanische Flüchtlinge an Bord eines italienischen Grenzschutzbootes vor Lampedusa (Foto: DPA)
Afrikanische Flüchtlinge an Bord eines italienischen GrenzschutzbootesBild: picture-alliance/ dpa

Für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, bedeutet Europa Rettung aus Armut und Krieg. Doch die meisten Asylsuchenden, die sich die Überfahrt nach Europa bei Schlepperbanden teuer erkaufen, riskieren ihr Leben.

Nach Angaben der internationalen Organisation für Migration landeten im Jahr 2008 allein von Afrika kommend rund 37.000 Flüchtlinge an der italienischen Küste. In diesem Jahr könnte die Zahl noch übertroffen werden.

Die Europäische Union versucht bisher, mehr oder weniger erfolglos, die Flüchtlingsflut aufzuhalten. Dabei wird immer deutlicher, wie sehr die EU eine gemeinsame Migrationspolitik braucht, die die Möglichkeit für legale und dauerhafte Einwanderung vorsieht.

FRONTEX soll illegale Migration erschweren

FRONTEX-Beamter mit rumänischem Grenzpolizisten (Foto: DPA)
FRONTEX-Beamter mit rumänischem GrenzpolizistenBild: AP

Um die Löcher an den EU-Außengrenzen zu stopfen, durch die vor allem im Mittelmeerraum Jahr für Jahr tausende Flüchtlinge nach Europa gelangen, wurde 2005 die "Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX)" geschaffen. Sie koordiniert die operative Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, unterstützt die Mitgliedsstaaten bei der Ausbildung von nationalen Grenzschutzbeamten und legt unter anderem gemeinsame Ausbildungsnormen fest. FRONTEX verfügt über einen Pool von Flugzeugen, Hubschraubern, Schiffen und Überwachungsgeräten, die sich die Mitgliedsstaaten untereinander auf freiwilliger Basis zur Verfügung stellen.

Es gehe darum, illegale Migration zu bekämpfen und legale zu steuern, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier von der CDU "Wir wissen, dass man illegale Migration nicht mit repressiven Mitteln alleine bekämpfen kann. Hilfe vor Ort ist ein ganz wichtiges Element in unserer Strategie." Durch bessere Zusammenarbeit mit den Küstenstaaten, vor allen Dingen in Nordafrika, soll ein unkontrollierter illegaler Strom nach Europa unterbunden werden, sagt der CDU-Politiker.

Stärker in Entwicklungspolitik investieren

Nach Ansicht von Lale Akgün, Vorstandsmitglied der SPD-Bundestagsfraktion, muss künftig stärker im Bereich Entwicklungspolitik investiert werden, denn wenn die Europäische Union keine illegalen Migranten haben wolle, müssten die Lebensverhältnisse in den Ländern, aus denen sie flüchten, verbessert werden.

Andererseits weiß Akgün auch, dass aufgrund des demographischen Wandels Schritte zum Abbau des Fachkräftemangels in der EU nötig sind. Für legale Migration sind ihrer Ansicht nach zwei Dinge wichtig: Zum einen die sogenannte Blue-Card-Regelung, durch die die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte erleichtert werden soll, zum anderen aber auch die sogenannte zirkuläre Migration. "Das heißt: Menschen kommen, bleiben eine Zeit lang, gehen zurück", erklärt Akgün.

Entwicklung und Migration würden über einen langen Zeitraum parallel verlaufen, betont die Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Karin Kortmann, von der SPD. Also müsse man die Realität von Migranten aus Entwicklungsländern akzeptieren und ihnen menschenwürdige Bedingungen sowie Entwicklungsperspektiven schaffen.

Lasten in EU einseitig verteilt

Afghanische Flüchtlinge in einem heruntergekommenen Flüchtlingslager in Griechenland (Foto: DW)
Afghanische Flüchtlinge in einem Flüchtlingslager in GriechenlandBild: DW/Ahang

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sibylle Laurischk, Sprecherin ihrer Fraktion für Migration und Integration, meint, dass allein über eine Abschottungspolitik die Probleme nicht gelöst werden könnten, sondern die Situation in den Staaten, aus denen die Zuwanderung besonders stark sei, verbessert werden müsse.

Außerdem hält die FDP-Politikerin eine rechtsstaatliche parlamentarische Kontrolle der Grenzschutzagentur FRONTEX für angebracht. Notwendig sei auch, den Zuwanderungsdruck in den einzelnen EU-Ländern zu überprüfen. "Wir haben eine sehr starke Belastung der südlichen europäischen Staaten durch die Zuwanderung übers Mittelmeer. Da sind die Lasten innerhalb der EU wohl doch mittlerweile eindeutig als einseitig verteilt anzusehen." Letztendlich bedarf es einer möglichst unideologischen, an der Problemlage orientierten, gemeinsamen Abstimmung der europäischen Länder, so Laurischk.

Schutzgewährung als oberstes Prinzip

Für Grünen-Vorsitzende Claudia Roth ist FRONTEX eine nahezu paramilitärische Einheit, die Flüchtlinge abwehren wolle, anstatt ihnen Schutz zu gewähren. "Es macht Sinn, eine Grenzschutzagentur zu haben, die muss aber demokratisch und ausgebildet sein im Umgang mit Menschen, die Hilfe und Zuflucht suchen."

Roth erinnert daran, dass Europas Wertefundament auf Schutzgewährung als oberstem Prinzip basiere. Deswegen träten die Grünen für ein humanitäres Flüchtlingsrecht ein, das den Zugang zum Asylverfahren garantiere und nicht in Länder abschiebe, in denen es keine fairen Verfahren gebe.

Die Linke lehnt die gesamte Politik in Richtung einer "Festung Europa" ab, meint Sahra Wagenknecht, Vorstandsmitglied der Partei und Europa-Abgeordnete. Wichtig sei vor allem die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen. Im Wahlprogramm ihrer Partei werde die substantielle Wiederherstellung des Asylrechts eingefordert, sagte die Politikerin, denn das sei ja nicht nur unterhöhlt, sondern de facto abgeschafft. "Es werden Menschen in Regionen abgeschoben, wo sie verfolgt werden und wo Krieg herrscht." Eine solche Flüchtlingspolitik sei zynisch, so Wagenknecht.

Autorin: Sabine Ripperger

Redaktion: Kay-Alexander Scholz