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OECD: Steuerreform auf der Kippe?

31. Juli 2023

Seit rund zehn Jahren wird im Rahmen der OECD über eine weltweite Steuer verhandelt, die für mehr Gerechtigkeit sorgen soll. Im Juli herrschte noch Optimismus. Nun scheint Kanada das Ergebnis zu gefährden.

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Frankreich | OECD Hauptsitz in Paris
Die G20-Staaten haben 2013 einen Aktionsplan gegen die Erosion steuerlicher Bemessungsgrundlagen und Gewinnverlagerung entwickelt und eine entsprechende Initiative auf OECD-Ebene angestoßen. Bild: Francois Mori/AP Photo/picture alliance

Für Deutschland könnten zusätzliche Einnahmen von 2,4 bis 3,4 Milliarden Euro drin sein, wenn die internationale Unternehmensbesteuerung, die die Industriestaaten-Organisation OECD vorgeschlagen hat, wirklich kommen sollte. So Berechnung des Ifo-Instituts, die am Montag veröffentlicht wurden. "Unseren Schätzungen zufolge wäre Deutschland zwar Reformgewinner", sagte der Leiter der Ifo-Forschungsgruppe für Steuer- und Finanzpolitik, Florian Neumeier. "Der Zuwachs an Steuereinnahmen fällt jedoch eher mäßig aus."

Inzwischen könnten aber selbst diese mäßigen Steuereinnahmen in die Ferne rücken, weil Kanada eigene Steuerwege gehen möchte. Und das, obwohl sich nach jahrelangen Verhandlungen 2021 knapp 140 Länder darauf verständigt hatten, die internationalen Steuerregeln für besonders große Konzerne neu aufzusetzen und an das Digitalzeitalter anzupassen. Dieses Konzept besteht aus zwei Säulen.

Die erste Säule: Steuern da zahlen, wo Umsatz gemacht wird

Die erste Säule zielt auf internationale Konzerne, die künftig da Steuern zahlen sollen, wo sie Umsätze erzielen und nicht mehr da, wo sie aus steuerlichen Gründen ihren Sitz anmelden. Dabei geht es um Unternehmen mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro und einer Rendite von mehr als zehn Prozent.

Die Folgen würden große US-Konzerne wie Alphabet und Amazon ebenso spüren wie chinesische, französische oder deutsche Firmen wie Volkswagen, Daimler oder Siemens. Länder, die Steuervermeidungsmodelle anbieten wie Luxemburg, Irland, die Niederlande und viele Finanzoasen in der Karibik oder auf den britischen Kanalinseln werden dadurch unattraktiver.

Google-Hauptquartier in Mountain View, Kalifornien
Die Google-Mutter Alphabet dürfte unter den OECD Regeln künftig deutlich mehr Steuern an andere Länder zahlenBild: Christian Offenberg/IMAGO

Die zweite Säule: Mindeststeuer

Die zweite Säule soll eine weltweite Mindeststeuer bilden. So sollen Gewinne von Unternehmen mit mehr als 750 Millionen US-Dollar Umsatz mit 15 Prozent besteuert werden. Die Regelung ist unabhängig davon, wo die Gewinne entstehen. Der Staat, in dem der Mutterkonzern seinen Sitz hat, erhält das Recht, Gewinne aus einer Steueroase mit zehn Prozent nachzuversteuern. Damit soll sichergestellt werden, dass auch diese Gewinne im Ergebnis einer effektiven Besteuerung von 15 Prozent unterliegen. Der Wettbewerb vieler Länder mit Niedrigsteuern wird so unattraktiver.

Eine solche Mindeststeuer allein brächte dem deutschen Fiskus Steuermehreinnahmen zwischen 1,5 und 1,7 Milliarden Euro, heißt es vom Ifo-Institut. "Durch die neuesten Einigungen um die Details zur globalen Mindeststeuer gehen wir davon aus, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen sich am unteren Rand unserer ursprünglichen Schätzungen bewegen", sagte Neumeier dazu.

Die Umsetzung dieser Säule sei bereits weit vorangeschritten, heißt es auf der Onlineseite des Bundesfinanzministeriums. "Die Mindestbesteuerung wird überall in der Europäischen Union und in zahlreichen außereuropäischen Staaten wie beispielsweise Großbritannien, Kanada, Japan oder Australien umgesetzt."

Panama Strassenansicht in Panama-City
Panama ist eine bekannte Steueroase. 2016 sorgten geleakte interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca für viel Wirbel. Die Firma hat weltweit anonyme Briefkastenfirmen verkauft. So konnten große Beträge am Fiskus vorbei geschleust werden.Bild: Alejandro Bolivar/EFE/dpa/picture-alliance

Kanada schert aus - das Ende für Säule eins?

Die US-Amerikaner hatten früh klar gemacht, dass sie insbesondere die Säule eins der OECD-Steuerreform nur mittragen, wenn kein anderes Land eine neue, eigene Digitalsteuer einführt. Einige Länder, wie England, Frankreich, Italien oder Spanien hatten zu der Zeit bereits eine eigene Steuer, mit der sie US-Digitalkonzerne zur Kasse baten. Kanada war zwar kurz davor, eine solche Steuer einzuführen, hatte es aber noch nicht getan, als die Stillhaltevereinbarungen verhandelt worden waren.  

Nun scheint es aber, als wollte Kanada nicht länger auf eine multinationale Regelung warten und doch noch nachziehen mit einer nationalen Digitalsteuer. Wird dieser Plan realisiert, hätte US-Präsident Joe Biden kaum noch eine Chance, die Zustimmung zur OECD-Steuerreform durch den Kongress zu bekommen. Die Neuordnung des Steuersystems kann aber nur in Kraft treten, wenn mindestens dreißig Länder das System übernehmen und wenn diese für 60 Prozent der Unternehmen stehen, die unter die Regelungen fallen. Die USA stehen nach Expertenmeinungen schon alleine für knapp 50 Prozent der Unternehmen. Während die Säule eins auf der Kippe steht, ist die Säule zwei unabhängig von der Mitwirkung der Amerikaner.

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet weltweit mit 220 Milliarden Dollar Mehreinnahmen durch den Mindeststeuersatz und weitere 13 bis 36 Milliarden Dollar durch die Gewinnbesteuerung - insbesondere für weniger wohlhabende Länder.

Ärmere Länder außen vor?

Von ärmeren Ländern kommt Kritik an den in der OECD verhandelten Steuerplänen. Die Mitgliedsstaaten sind hauptsächlich reiche und entwickelte Länder. Zwar können auch Entwicklungsländer Mitglied werden, dafür müssen sie aber bestimmte Bedingungen erfüllen. Mehr als ein Drittel der Länder weltweit nehmen daher bislang nicht an den politischen Verhandlungen zu Steuerfragen der OECD teil. Daher plädiert beispielsweise die britische NGO Tax Justice Network (TJN), dafür, dass ein weltweites Steuerabkommen auf Ebene der UN verhandelt werden sollte.

"Die OECD, der Club der reichen Länder, legt seit den 1960er Jahren internationale Steuerregeln fest. In den letzten zehn Jahren hat sie es nicht geschafft, sinnvolle Reformen durchzuführen, da das Ausmaß des Missbrauchs in die Höhe geschnellt ist...," heißt es im State of Tax Justice 2023, den das Netzwerk gerade veröffentlicht hat.

Im November 2022 haben die Länder in der UN-Generalversammlung einstimmig beschlossen, darüber abzustimmen, ob die globale Steuerpolitik künftig bei den Vereinten Nationen liegen soll und nicht mehr wir bisher bei der OECD. In diesem Dezember sollen die Länder die Entscheidung darüber treffen.

Polen | Amazon Fulfilment Center in Sosnowiec
Der weltweite Umsatz von Amazon im Jahr 2021 war mit etwa 400 Mrd. Euro (470 Mrd. US-Dollar) ähnlich groß wie das Bruttoinlandsprodukt Österreichs (406 Mrd. Euro) und Norwegens (414 Mrd. Euro) und größer als das Bruttoinlandsprodukt von Portugal (215 Mrd. Euro) und Finnland (251 Mrd. Euro). Quelle: Ifo-InstitutBild: Beata Zawrzel/NurPhoto/picture alliance

Steuerreform doch lieber auf Ebene der UN?

4,7 Billionen Dollar - soviel wie die jährlichen weltweiten Ausgaben für öffentliche Gesundheit - könnten in den nächsten zehn Jahren in Steuerparadiese fließen anstatt in die Staatskassen, wenn die UN-Steuerkonvention nicht angenommen wird. Multinationale Unternehmen und reiche Privatpersonen würden dann weniger Steuern zahlen und das Geld am Staat vorbei schleusen, heißt es weiter im TJN-Report. Demnach verlieren Länder auf der ganzen Welt jährlich 472 Milliarden US-Dollar an Steuern durch globalen Steuermissbrauch. Davon entfallen 301 Milliarden US-Dollar auf multinationale Unternehmen, die ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, und 171 Milliarden US-Dollar auf wohlhabende Einzelpersonen, die ihr Vermögen im Ausland verstecken.

In absoluten Zahlen erfahren Länder mit höherem Einkommen die größten jährlichen Steuerausfälle mit einem Verlust von knapp 430 Milliarden Dollar. Das entspricht neun Prozent ihres öffentlichen Gesundheitsbudgets. Am stärksten trifft die Steuervermeidung aber Länder mit niedrigem Einkommen, die in der Vergangenheit wenig oder gar kein Mitspracherecht bei den globalen Steuervorschriften hatten. Ihre Steuerausfälle in Höhe von 46 Milliarden US-Dollar entsprechen mehr als der Hälfte (56 Prozent) ihrer öffentlichen Gesundheitsausgaben.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion