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Obamas Charme-Offensive

Carla Bleiker20. Januar 2014

Der US-Präsident hat dem deutschen Fernsehen ein Exklusivinterview gegeben. Versprechungen, der NSA Schranken zu setzen, gab er auch hier nicht. Nun überlegt Deutschland, gerichtlich gegen die Ausspähungen vorzugehen.

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Merkel hält eine Rede, hinter ihr wischt sich Obama den Schweiß von der Stirn. (Foto: dpa - Bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa

Es scheint, als könnten das Abhören von Angela Merkels Handy und die ausgiebige Überwachung von deutschen Bürgern durch die NSA doch noch ernsthafte Konsequenzen für die USA haben. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) überlegt der Generalbundesanwalt, ein Ermittlungsverfahren in der NSA-Affäre einzuleiten. Zunächst geht es um die niedrig-möglichste Überprüfung, den "Beobachtungsvorgang".

Gegen wen genau ermittelt werden soll, wenn es denn soweit kommt, steht noch nicht fest. Laut FAZ kommt aber nur eine Person und nicht etwa ein Staat wie die USA in Frage. Eine Durchsuchung der amerikanischen Botschaft in Berlin mit Beschlagnahmung von Akten sei ausgeschlossen, heißt es in der Tageszeitung.

Unbefriedigende Rede

"Das ist natürlich eine Abwägungsfrage: Wie viel Schaden entstünde dadurch, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsbürger oder Institutionen der Vereinigten Staaten von Amerika ins Laufen gebracht werden würde", sagte Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Deutschlandfunk. "Ich glaube, dass auf amerikanischer Seite durchaus Empörung entstehen würde. Andererseits sind wir ein Rechtsstaat und wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber unseren Prinzipien hier."

Obama im Interview mit ZDF-Journalist Claus Kleber - Foto: Lawrence Jackson (ZDF)
Präsident Obama mit ZDF-Journalist Kleber: 15 Minuten Exklusiv-InterviewBild: picture-alliance/dpa

Die Haltung gegenüber den USA bleibt in Deutschland also angespannt. Auch die lang erwartete Rede Obamas zur NSA am Freitag (17.01.2014) wurde von deutschen Politikern sehr unterschiedlich aufgenommen. Ein Schritt in die richtige Richtung, sagte zum Beispiel der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Meyer. Schöne Rhetorik, ohne echte Änderungen vorzuschlagen, bemängelte Jan Philipp Albrecht, der für die Grünen im Europa Parlament sitzt. Der US-Präsident hatte mehr unabhängige Kontrolle der NSA versprochen, aber keine Einstellung der umstrittenen Spähprogramme. Immerhin wiederholte Obama noch mal, dass keine befreundeten Staatschefs mehr abgehört werden sollten.

Exklusivinterview als Beruhigung

Am Samstag wandte sich der US-Präsident dann direkt an die Deutschen: Er gab dem Zweiten Deutschen Fernsehen ein 15-minütiges Exklusivinterview im Weißen Haus. Im Gespräch mit Moderator Claus Kleber betonte der US-Präsident die von "Vertrauen und Freundschaft" geprägte Beziehung zu Angela Merkel und äußerte Verständnis für die Bedenken der Deutschen.

Stephan Bierling - Foto: privat
Bierling: "Ein wirklich enger Partner ist Deutschland nicht mehr"Bild: Stephan Bierling

"Es ging um eine zusätzliche Beruhigung der Deutschen", sagt Stephan Bierling, USA-Experte der Universität Regensburg. Nicht neue Fakten, sondern Obamas positive Ausstrahlung hätte bei dem Interview im Vordergrund gestanden, so der Professor für Transatlantische Beziehungen. "Er setzt auf seine Popularität, die er mal hatte in Deutschland. Aber von dem Strahlemann Obama ist nicht sonderlich viel übrig geblieben im deutschen Verständnis."

Beim Interview saßen sich Kleber und Obama auf Augenhöhe gegenüber, aber der Präsident machte auch bei direkten Nachfragen von Kleber keine wirklich neuen Aussagen. Es ist zwar etwas besonderes, wenn der angeblich mächtigste Mann der Welt einem deutschen Fernsehsender ein Interview gibt. "Ich glaube aber nicht, dass das Interview sehr viel gebracht hat", sagt Bierling. Obama werde seine Politik nicht wegen deutscher Bedenken ändern, da die Bundesrepublik nicht so wichtig für die USA sei wie andere Länder: "So ein wirklich enger Partner ist Deutschland nicht mehr." Schließlich unterstütze die Bundesrepublik viele Pläne der USA in der Weltpolitik nicht und das letzte gemeinsame Projekt, Afghanistan, gehe nun auch zu Ende, so Bierling.

Medienpsychologe Joe Groebel stuft das Interview anders ein. Er sagte, es zeige, dass Obama die Deutschen ernst nehme. "Deutschland war es Obama wert, direkt zum Lande zu sprechen", so Groebel im DW-Gespräch. "Er hätte sich nicht die Mühe gemacht, dieses außergewöhnliche und seltene Interview mit einem deutschen Fernsehjournalisten zu führen, wenn ihm dieses Land nicht wichtig wäre."

"Kuscheltalk" und Provokation

Jörg Schönenborn und Wladimir Putin schütteln sich die Hände - Foto: Alexsey Druginyn (RIA Novosti)
ARD-Interviewer Schönenborn und Präsident Putin: "Wie heißen Sie?"Bild: picture-alliance/dpa

Auch Obamas Vorgänger, US-Präsident George W. Bush, hatte dem deutschen Fernsehen ein Interview gegeben. 2006 reiste Sabine Christiansen für die ARD nach Washington, um mit Bush über den Irak-Krieg zu sprechen. Sie wurde für einen zu freundlichen Frage-Stil kritisiert - das Onlinemagazin "Stern.de" bezeichnete das Interview als "Kuscheltalk".

Im Frühjahr 2013 interviewte der ARD-Journalist Jörg Schönenborn den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Es ging unter anderem um die Kontrolle ausländischer Stiftungen in Russland. Putin erläuterte seine Politik und ließ deutlich durchblicken, wie wenig er von seinem Interviewer hielt. An einer Stelle unterbrach der Präsident und fragte Schönborn: "Wie heißen Sie?" Nachdem der Journalist seinen Namen genannt hatte, sagte Putin: "Gut Jörg, ich werde Ihnen das jetzt erklären..."

Da hat US-Präsident Obama im ZDF-Interview deutliche bessere Manieren demonstriert. In einem möglichen Ermittlungsverfahren würde das den USA aber auch nichts nützen.