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Nutzlose Krokodilstränen

Rolf Wenkel25. April 2003

Der Wiederaufbau des Iraks wird für einige Unternehmen zur Goldgrube. Wichtiger aber ist, dass die Weltwirtschaft von der Unsicherheit befreit ist. Davon profitieren auch jene, die beim Aufbauprogramm leer ausgehen.

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Im Zeichen des Dollars: Irakische ÖlförderanlageBild: AP

Der Wiederaufbau des Iraks wird einigen, vornehmlich amerikanischen Firmen die Bilanzen vergolden, auch wenn andere mit Recht monieren, dass die Vergabepraxis der Amerikaner für Aufträge zum Aufbau einer Infrastruktur den Regeln der Welthandelsorganisation WTO in keiner Weise entspricht. "Eroberung, Besetzung und Wiederaufbau des Iraks werden den amerikanischen Steuerzahler mehr als 100 Milliarden Dollar kosten", schreibt die New York Times. "Firmen mit politischen Beziehungen, wie Halliburton, gehören zu den Gewinnern der ersten Stunde. Das sieht nach nackter Begünstigung aus und untergräbt die Bemühungen der Regierung Bush, den Krieg als Feldzug für Entwaffnung und Demokratie darzustellen und nicht als Geldgier", kommentiert die New York Times.

In der Tat riecht der Fall des Ölzulieferers Halliburton, dessen Chef fünf Jahre lang Viezepräsident Dick Cheney war, arg nach Begünstigung. Andererseits ist zu bedenken, dass die Infrastruktur zur Öl-Förderung im Irak völlig am Boden liegt, der Aufbau einige Jahre dauern wird und für diesen Aufbau fast nur US-Firmen in Frage kommen, weil die amerikanischen Ausrüster der Ölindustrie nun einmal das beste Know How mitbringen. Selbst der Iran, der die USA immer noch als seinen Erzfeind Nummer Eins bezeichnet, kauft Ölausrüstungen in den USA.

Aufträge für Wohlverhalten

Hoffnungen auf Aufträge können sich auch Firmen aus Staaten machen, die in der Irak-Frage gegenüber den USA politisches Wohlverhalten gezeigt haben, so etwa die Danziger Raffinerie in Polen oder der größte ukrainische Ölkonzern Urkneft. Insgesamt stehen elf Länder aus dem ehemaligen Ostblock auf der Liste der "Koalition für die sofortige Abrüstung des Irak" von US-Präsident George W. Bush. Und diese Länder werden in der einen oder anderen Weise sicher mit Aufträgen bedacht werden.

Eines ist klar: Die Zukunft der irakischen Ölindustrie ist von entscheidender Bedeutung für den Wiederaufbau, die wirtschaftliche Gesundung und die Rückzahlung der auf 100 bis 120 Milliarden Dollar geschätzten irakischen Auslandsschulden. Allerdings ist die Frage, ob und in welcher Form die bislang verstaatlichte irakische Ölindustrie ausländische Konzerne wie Exxon, ChevronTexaco, BP oder Royal Dutch/Shell zum Zuge kommen lässt, noch völlig offen. Ebenso unklar ist, ob französische oder russische Ölkonzerne, die teilweise mit Saddam Hussein lukrative Fördervereinbarungen getroffen hatten, künftig mitmischen dürfen oder nicht.

Kaum Chancen für Deutsche

In anderen Ländern werden Politiker und Wirtschaftsfunktionäre Krokodilstränen vergießen und über die mangelnde WTO-Konformität von Aufträgen lamentieren - aber nutzen wird es nicht viel. "Nichts. Gar nichts" erwartet der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Ignatz Walter, an Aufträgen aus dem Irak - eine sehr realistische Einschätzung. "Die Alliierten werden sich nicht das Zepter aus der Hand nehmen lassen", sagt auch der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner. Deutschland werde erst zum Zuge kommen, wenn es im Privatsektor des Irak wieder zu Aktivitäten kommt. Damit sei aber nicht vor eineinhalb Jahren zu rechnen. Bis dahin hätten allenfalls deutsche Töchter von US-Konzernen eine Chance, nennenswerte Aufträge zu erhalten.

Ebenfalls eine sehr realistische Einschätzung. Der deutschen Wirtschaft hilft kein Jammern. Abwarten und Tee trinken, ist die Devise. Wenn der zivile Sektor im Irak auf einen Wachstumspfad eingeschwenkt ist, werden auch die traditionell guten Lieferbeziehungen deutscher und französischer Unternehmen zum Irak wieder zum Tragen kommen.

Im Prinzip reich

Im Prinzip ist der Irak eines der reichsten Länder der Erde. Schätzungen sprechen von den zweit- oder drittgrößten Ölreserven der Welt. Sind diese erst einmal erschlossen, könnte das Land je nach Förder- und Ölpreisentwicklung zwischen 18 und 25 Milliarden Dollar jährlich einnehmen, schätzen Experten.

So kräftig demnächst einige Unternehmen an der Wiederherstellung der Infrastuktur im Irak, an Flughäfen, an der Wasser- und Stromversorgung auch verdienen mögen, so rosig die Aussichten des Landes sind, künftig eine solide, weil auf Öl gegründete Finanzbasis zu besitzen - auf die Weltwirtschaft wird das nur wenig unmittelbare Auswirkungen haben. Da spielen vor allem psychologische Faktoren eine Schlüsselrolle.

Was die Weltwirtschaft monatelang gelähmt hat, waren die Auseinandersetzungen im Vorfeld des Irak-Krieges. Sie haben eine Abwartehaltung, erzeugt, die zu einem drastischen Einbruch der Investitionen geführt hat - weltweit. Diese Unsicherheit ist nun vorbei, genauso wie die Gefahr, sich einen dritten Ölpreisschock einzuhandeln wie in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damit hat die Weltwirtschaft zwei Riesensorgen weniger. Die Voraussetzungen, auf einen kräftigen Wachstumspfad zurückzukehren, sind mit dem Frieden im Irak gestiegen.