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Nicht ganz fehlerfrei

Marco Mierke (dpa)16. Mai 2014

Am 17. Mai feierte Janet Yellen ein kleines Jubiläum: Das war sie 100 Tage Chefin der US-Notenbank Fed. Unter ihrer Führung lässt sich die Fed nicht mehr so sehr auf Zahlen und Zeitpläne festnageln.

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USA US-Notenbankchefin Janet Yellen Foto: REUTERS/Jim Bourg
Bild: Reuters

Janet Yellen war schon ein vorsichtiger Mensch, bevor sie Anfang Februar als neue Chefin der US-Notenbank antrat. Bei Auftritten las sie ihre Reden fast immer sorgsam vom Blatt ab. Mit dem Aufstieg an die Spitze der Federal Reserve hat sie ihr Maß an Achtsamkeit noch einmal sichtlich gesteigert. Schließlich liegen Worte der weltmächtigsten Notenbankchefin buchstäblich auf der Goldwaage. Doch bei aller Obacht - ohne Fauxpas hat die 67-Jährige ihre ersten 100 Tage im Amt dennoch nicht überstanden. Ausgerechnet bei ihrer ersten Pressekonferenz passierte ihr, was sie stets vermeiden will. Ein missverständlicher Halbsatz versetzte weltweit im März die Finanzmärkte in Aufregung. Aktien, Anleihen und der Euro stürzten kurzzeitig ab. Auf die Frage einer Reporterin, wann die Fed die Leitzinsen erhöht, geriet Yellen ins Schlingern. Vom Herbst an gerechnet "vielleicht ungefähr sechs Monate oder so", sagte sie. Höhere Zinsen schon im Frühling 2015, das wäre früher als viele Händler hoffen. Yellen ruderte seitdem mehrfach zurück.

Die Episode ist sinnbildlich. Yellen mag von ihrem Vorgänger Ben Bernanke eine Volkswirtschaft übernommen haben, die ihre schwerste Krise seit dem Zeiten Weltkrieg fast bewältigt hat. Aber die Fed kann sich weiter nur wie eine Seiltänzerin in bedachten Schritten ihrem Ziel der Vollbeschäftigung und einer angemessenen Inflationsrate nähern. Nur der Anschein einer überhasteten Verschärfung der Geldpolitik wird umgehend von den Märkten bestraft. Sie lieben das billige Geld, es lässt die Börsen boomen. Unter Yellens Ägide erwirbt die Zentralbank immer noch Anleihen in Milliardenhöhe, um die langfristigen Zinsen zu drücken. Zwar sank die monatliche Summe in diesem Jahr schrittweise von 85 auf 45 Milliarden Dollar. Doch bis die Käufe im Herbst wie bisher geplant ganz versiegen, schwillt die Bilanz der Bank weiter massiv an - statt endlich wieder auf ein Normalmaß zu schrumpfen. Wertpapiere für mehr als 4,1 Billionen Dollar schlummern schon in ihren Büchern. Vor der Rezession waren es weniger als eine Billion.

Obama nominiert Yellen als Chefin der Fed Foto: REUTERS/Jonathan Ernst
Yellen bei ihrer Nominierung zur Fed-Chefin durch Präsident Obama am 9. Oktober 2013Bild: Reuters

Arbeitsmarkt als Steckenpferd

Nicht nur die aufgeblähte Bilanz wird Yellen als Krisenfolge lange beschäftigten. Auch die wackelige Erholung der Konjunktur macht ihr Sorgen. Die Arbeitslosenquote mag mit 6,3 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 2008 sein. Aber "wir haben nie eine Situation erlebt, in der die Langzeitarbeitslosigkeit so groß ist", sagte die Fed-Chefin kürzlich. "Das ist sehr ungewöhnlich." Zudem ist die Zahl der Jobs mit 143 Millionen niedriger als 2007, als 146 Millionen Einwohner arbeiteten. Und da lebten 15 Millionen Menschen weniger in den USA. Die erfahrene Ökonomin kennt die Zahlen aus dem Effeff, denn der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist schon seit Jahrzehnten ihr Steckenpferd. "Aus Yellens Sicht haben sich die Dinge nicht so gut entwickelt wie die Zahlen in den Schlagzeilen es nahelegen", sagt die Finanz-Professorin der Universität Wharton in Pennsylvania, Krista Schwarz. Deshalb habe Yellen nach ihrem Antritt durchgesetzt, die Arbeitslosenquote von 6,5 als Zielwert zu streichen, bei dem der Leitzins erhöht werden könnte. "Sie will sich nicht festlegen lassen" und der Fed insgesamt mehr Flexibilität geben, erläutert Schwarz.

Ein Mann geht am 11.02.2009 im Career Center in Brooklyn, New York, an einem Plakat mit der Aufschrift «Find A Job. Advance Your Career» vorüber. Foto: Justin Lane, epa
Die Beschäftigungssituation hat sich laut Yellen nicht so gut entwickelt, wie die Schlagzahlen nahelegenBild: picture-alliance/dpa

Dabei spielt ihr in die Hände, dass die Inflationsrate in den USA weiterhin klar unter dem Soll von zwei Prozent liegt. Solange die Teuerung nicht steigt, kann sie gut begründen, die Zinsen auf dem historischen Tiefstand bei fast null Prozent zu belassen. Ihr Fehltritt wie im März wird wohl so schnell nicht wieder vorkommen. Angesprochen auf die Pläne der Fed wiederholt sie immer wieder diese Worte "Es gibt keine mechanische Formel und keinen Terminplan". Doch ihr Lieblingssatz in ihren ersten 100 Tagen war ein anderer: "Geldpolitik ist kein Allheilmittel."