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Flüchtlingsdrama - Weckruf für die Politik?

15. April 2015

Noch gibt es keine offizielle Bestätigung. Aber nach Angaben von Überlebenden werden nach dem Untergang eines Flüchtlingsschiffs vor Libyen rund 400 Menschen vermisst. Die Politik fordert jetzt Lösungen.

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Vor Libyen gerettete Bootsflüchtlinge bei der Ankunft in Reggio Calabria (Foto: picture alliance/dpa)
Vor Libyen gerettete Bootsflüchtlinge bei der Ankunft in Reggio CalabriaBild: picture-alliance/epa/F. Arena

Nach der jüngsten Flüchtlingstragödie vor der libyschen Küste mit vermutlich etwa 400 Toten wird der Ruf europäischer Politiker nach schnellen Reaktionen und finanziellen Hilfen lauter. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, appellierte an die EU-Mitgliedsländer, eine politische Lösung für die Krise im Mittelmeerraum zu finden. "Wir können auf diese jüngste Tragödie nicht mit Teilnahmslosigkeit reagieren. Wir müssen handeln und dringend eine umfassende Lösung finden", sagte Schulz in Brüssel.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte, rein nationale Lösungen könne es nicht geben. Jeder tote Flüchtling sei einer zuviel. Grenzpolizeiliche Maßnahmen könnten die Probleme nicht beheben. Die Länder, aus denen die Flüchtlinge aufbrechen, müssten die Schlepper-Kriminalität besser bekämpfen, betonte Seibert. Den afrikanischen Heimatländern müsse geholfen werden, damit die Menschen eine Perspektive zum Bleiben haben.

Knackpunkt: Mission Triton

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, Barbara Lochbihler, sieht den größten Fehler der Politik darin, die Mission Mare Nostrum, beendet zu haben. Das Seenotrettungsprogramm im Mittelmeer müsse "endlich wiederbelebt und gesamteuropäisch ausgebaut werden", so die EU-Abgeordnete. Die EU-Grenzschutzagentur hatte Ende des vergangenen Jahres eine neue Operation namens Triton gestartet, die die von Italien geführte Mission "Mare Nostrum" abgelöst hat. Die europäische Nachfolge-Mission Triton verfügt jedoch über deutlich geringere finanzielle Mittel als die italienische Seerettungs-Operation: Während "Mare Nostrum" auf ein monatliches Budget von rund neun Millionen Euro zurückgreifen konnte, sind es im Fall von Triton jeden Monat rund 2,8 Millionen Euro. Italien war aber nicht mehr bereit einen Großteil der Rettungsaktionen im Mittelmeer alleine zu schultern. Menschenrechtler und Hilfsorganisationen sehen in Triton denn auch mehr eine Abschreckungsmaßnahme als ein Rettungsprogramm für Menschen in Not.

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, forderte zusätzliche finanzielle Mittel für die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Frontex müsse "angemessen ausgestattet werden, um seine Aufgaben zu erfüllen", sagte der CSU-Politiker der Zeitung "Tagesspiegel". Zudem appellierte er an die EU-Kommission, "in absehbarer Zeit entschlossene Vorschläge zur Migrationspolitik" vorzulegen. Der für Migration zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos will im Mai eine neue Strategie für die europäische Flüchtlingspolitik präsentieren.

Todesfalle Mittelmeer

Auf dem gesunkenen Schiff, das von Libyen aus in See gestochen war, sollen sich laut italienischen Medien rund 670 Menschen befunden haben. Die italienische Küstenwache konnte den Angaben zufolge rund 150 Flüchtlinge retten (Artikelbild), nachdem das Schiff gekentert war. Der Hergang des Unglücks ist noch nicht geklärt. Die Hilfsorganisation Save the Children befürchtet, dass rund 400 der Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind. Davon hätten Überlebende berichtet, die in der süditalienischen Stadt Reggio Calabria angekommen seien. Das Boot war demnach auf dem Weg von Libyen nach Italien, als es in Seenot geriet. An Bord waren nach Angaben von Überlebenden hauptsächlich junge Männer, viele vermutlich noch minderjährig. Sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre dies schwerste Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer, seit im Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa 360 Menschen ertranken.

Todesroute Mittelmeer (DW: Infografk)

Seit Jahren versuchen Bootsflüchtlinge, über das Mittelmeer Europas Küsten zu erreichen. Allein seit Freitag vergangener Woche hat Italien Küstenwache etwa 8500 Menschen gerettet. Viele Auffanglager in Italien sind vollkommen überfüllt. Rom pocht seit langem auf mehr Hilfe aus Europa, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.

qu/uh (dpa, kna, epd)