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Neue Sachlichkeit schadet den Beziehungen nicht

Matthias von Hein14. September 2006

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao in Deutschland. Es wurden wieder feierlich Verträge unterzeichnet. Also Business as usual im deutsch-chinesischen Verhältnis? Nicht ganz, meint Matthias von Hein.

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Erst die Wirtschaft, dann die Politik. So sah es der Terminplan von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabaos Deutschlandreise vor - genau so, wie die Prioritäten in den deutsch-chinesischen Beziehungen in den letzten eineinhalb Jahrzehnten generell gewichtet waren. Schließlich ist Deutschland der wichtigste Handelspartner Chinas in Europa - so wie China für Deutschland in Asien der wichtigste Handelspartner ist. Frühere Kanzler versuchten häufig, diese Wirtschaftbeziehungen durch eine unwürdig wirkende Kumpanei mit den Regierenden in Peking zu fördern. So wie im Verhältnis zu Russland sollten Männerfreundschaften Politik ersetzen.

Jetzt regiert ein eher nüchterner Stil die Politik und Deutschland besinnt sich mit gesundem Selbstbewusstsein auf seine Interessen und Grundwerte. Wen Jiabao wurde in Deutschland nicht geschont: Vor seinem Besuch hatten nicht nur Amnesty International, Reporter ohne Grenzen, Exil-Uighuren und Exiltibeter eine Verbesserung der Menschenrechtslage gefordert. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, kritisierte öffentlich die Einschränkung der Medienfreiheit und die fortlaufenden Verletzungen der Menschenrechte.

Und auch Kanzlerin Merkel hat in ihrem Gespräch mit dem chinesischen Ministerpräsidenten das Thema angepackt, und damit einen Kurs fortgesetzt, den sie bereits bei ihrem Blitzbesuch in Peking im Mai öffentlichkeitswirksam eingeschlagen hat. In ihre 38 Stunden in China hatte sie damals einen Termin mit Regierungskritikern und Kirchenvertretern gequetscht. Erkennbar war Merkels Bemühen, China zur Übernahme von mehr Verantwortung in der Welt zu bewegen, vor allem bei den Krisenherden Iran und Darfur.

Auch in der Wirtschaft hat sich der Wind gedreht. Hatten die Deutschen bis vor rund zwei Jahren China vor allem euphorisch als Milliardenmarkt gesehen, wird das Land jetzt mehr und mehr als Konkurrent erlebt. Nicht nur beim Verkauf von Produkten, sondern auch als Konsument von Rohstoffen. Vor allem wird aber China als Konkurrent erlebt, der mit unlauteren Mitteln arbeitet. Dazu gehören Hemmnisse für den Export nach China ebenso wie der hemmungslose Ideenklau.

Es ist schon ein bisschen unverfroren, wenn der chinesische Ministerpräsident um Verständnis dafür bittet, dass der Schutz des geistigen Eigentums noch ein wenig Zeit brauche. Denn es ist erklärte chinesische Politik, sich so viel ausländische Technologie so schnell wie möglich anzueignen. Immerhin weist das Abkommen zur Ausbildung von chinesischen Patentbeamten mit deutscher Hilfe in die richtige Richtung.

Im übrigen ist auch auf chinesischer Seite das Verhältnis von größerer Sachlichkeit geprägt: Von Gerhard Schröder nämlich war man tief enttäuscht: Der hatte von der Aufhebung des EU-Waffenembargos bis zum Verkauf der Hanauer Nuklearanlage vieles versprochen, aber wenig halten können. Dieses Mehr an Sachlichkeit - den deutsch-chinesischen Beziehungen tut es gut.