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Neue Entwicklungsziele braucht die Welt

Mirjam Gehrke29. März 2013

2015 laufen die Millenniumsziele aus. Ihr Ziel ist die Bekämpfung der Armut. In der Diskussion über neue Entwicklungsziele fordern Stimmen aus dem Süden die "Bekämpfung des extremen Reichtums".

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Flagge der Vereinten Nationen (Foto: DW/ F. Görner)
Bild: DW/F. Görner

"Für die Menschen in Kenia waren die Millenniumsziele so ziemlich das Beste, was ihnen in diesem Jahrtausend widerfahren ist", sagt Mwangi Waituru. Der Koordinator der Kampagne "Global Call to Action against Poverty" (GCAP) in Kenia weiß, wovon er spricht. Die Hälfte der 41 Millionen Kenianer gilt als arm, vier von zehn Menschen in dem ostafrikanischen Land haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. "Für die Kenianer in extremer Armut haben die Millenniumsziele bedeutet, dass zum ersten Mal über Müttersterblichkeit und Kinder, die nicht zu Schule gehen oder an Malaria sterben, geredet wurde. Und auch Arbeitslosigkeit und Umweltschutz rückten in den Fokus", erklärt Waituru im DW-Interview.

Bis 2015 soll der Anteil der Menschen, die von weniger als einem Dollar am Tag leben, und der Anteil der Hungernden in der Welt halbiert werden, jeweils im Verhältnis zu 1990. Die Müttersterblichkeit soll um drei Viertel gesenkt werden. Ehrgeizige Ziele - doch nicht kompatibel mit den Menschenrechten, sagen Kritiker. Die Menschenrechte gelten per Definition für alle Menschen. Die Millenniumsziele (MDGs) hingegen klammern die Hälfte der Armen und Hungernden aus, indem sie festschreiben, dass die Zahl der Betroffenen halbiert werden soll. Und nicht nur Menschenrechte, auch Demokratie und gute Regierungsführung tauchen darin genauso wenig auf wie Frieden, Sicherheit und Abrüstung. Der Umweltschutz kommt kaum vor.

Delegationsleiter beim Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen im September 2000 in New York (Foto: AFP/Getty Images)
Beim Millenniumsgipfel 2000 waren die Staatschefs überzeugt von den beschlossenen ZielenBild: Getty Images

Armut bekämpfen - oder Reichtum?

Das aber sind notwendige Rahmenbedingungen, um Armut wirksam bekämpfen zu können. Armut ist kein isoliertes Phänomen, sondern entsteht in einem sozialen Kontext. Und der werde bei der Debatte um Armutsbekämpfung ausgeklammert, sagt der Koordinator des internationalen Netzwerks "Social Watch", Roberto Bissio: "Der große Defekt der Millenniumsziele war, dass vor lauter Konzentration auf die Armutsbekämpfung die große Konzentration von Reichtum in den vergangenen 15 Jahren vernachlässigt wurde. Die sozialen Unterschiede haben sich verschärft, und das führt in aller Welt zu Spannungen."

Die weltweit stark zunehmenden Einkommensunterschiede sieht auch das Weltwirtschaftsforum in seinem diesjährigen "Global Risks Report" als größte Gefahr für die Weltwirtschaft und für soziale und politische Stabilität an. Über eine Milliarde Menschen weltweit leben in extremer Armut und müssen mit weniger als zwei Euro pro Tag auskommen.

Gleichzeit gab es 2012 so viele Dollar-Milliardäre in der Welt wie nie zuvor: 1226 Namen stehen auf der Liste des Forbes-Magazins. Sie vereinen ein Vermögen von insgesamt 3,5 Billionen Euro auf sich. In Schwellenländern wie Russland, China, Indien und Brasilien ist die Zahl der Superreichen besonders schnell gewachsen. Hier mangelt es an einer Steuerpolitik, die den Staaten die notwendigen Einnahmen bescheren würde, um Investitionen in Bildung, Gesundheit und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen.

Neue Konzepte sind nötig

Im Mai soll ein von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einberufenes Expertengremium Vorschläge für eine Entwicklungsagenda nach 2015 vorlegen, über die die Vollversammlung der Vereinten Nationen dann im September abschließend beraten wird. Der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Hans-Jürgen Beerfeltz, hatte bereits Zugang zu den ersten Entwürfen: "Eins hat mir besonders imponiert: den Ansatz von Prinzip her umzudrehen. Die neuen Vorschläge gehen stärker vom einzelnen Menschen und seinen direkten Bedürfnissen aus. Erst danach werden dann abstrakte Zielsetzungen formuliert. Das war teilweise ja auch eine Schwäche der bisherigen Millenniumsziele, die hier, so habe ich den Eindruck, beseitigt wird."

Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Foto: dpa)
Beindruckt von der Post-2015-Entwicklungsagenda: Hans-Jürgen BeerfeltzBild: picture-alliance/dpa

Ganz anders hingegen der Eindruck von Roberto Bissio von Social Watch, der keine großen Erwartungen an die Vorschläge des sogenannten High Level Panels hat. Nach dem, was bislang durchgesickert sei, habe sich das Gremium erneut auf die Bekämpfung der Armut konzentriert, "ohne dabei über eine Umverteilung und die Regulierung des Finanzmarktes nachzudenken". Er hoffe, so Bissio gegenüber der DW, dass die neuen Entwicklungsziele am Ende mehr als nur der "kleinste gemeinsame Nenner" seien. "Das wäre nicht genug, um die Probleme zu lösen."