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Nachbarschaftsstreit über die Pkw-Maut

Vera Kern7. Dezember 2013

Bezahlen für deutsche Autobahnen? Nicht mit uns, sagen Österreich und die Niederlande. Sollte die Pkw-Maut für Ausländer kommen, wollen sie Deutschland bei der EU verklagen - durchaus mit Erfolg, sagen Rechtsexperten.

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Autobahn in Deutschland.
Bild: picture-alliance/Andreas Frank

Sie ist noch nicht da und sorgt schon für einen politischen Nachbarschaftsstreit: die deutsche Pkw-Maut für Ausländer. Österreich droht mit einem Rechtsstreit, auch die Niederlande erwägen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die künftige Bundesregierung will eine Gebühr für die Nutzung der deutschen Autobahnen einführen, um mit dem Geld die maroden Straßen und Brücken zu sanieren.

Bislang sind die Pläne im Koalitionsvertrag von Union und SPD zwar vor allem ein Zugeständnis an CSU-Chef Horst Seehofer. Er hatte die Maut für Ausländer als bayerische Bedingung für das Zustandekommen einer Regierungskoalition durchgeboxt - gegen den Widerstand der anderen Parteien. Er hatte seinen Wählern die Zwangsabgabe für Autofahrer aus dem Ausland versprochen. Nun hat sich dieser innenpolitische Zankapfel Maut zum Streit zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern ausgeweitet.

"Dies wäre ein Verstoß gegen geltendes EU-Recht, der von Österreich mit Vehemenz bekämpft werden würde", empört sich die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures in einer Stellungnahme. Auch ihre niederländische Amtskollegin Melanie Schultz van Haegen ließ verlauten, sie sei "überhaupt nicht glücklich" über die deutschen Maut-Pläne. Reine Verärgerung über das Ende der Freifahrten auf deutschen Autobahnen oder gerechtfertigter Unmut?

Grafik zur PKW-Maut in Europa.

Deutschland: Transitland im Herzen Europas

Wer in Europa von Nord nach Süd oder von Ost nach West fahren möchte, reist fast immer über deutsche Autobahnen. Und die waren bislang kostenlos. Eine vergleichsweise luxuriöse Situation: Nachbarländer wie Frankreich, Österreich oder die Schweiz verlangen schon lange Gebühren für die Nutzung ihrer Schnellstraßen. Damit soll endlich Schluss sein, sagt der amtierende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) - trotz der massiven Kritik. Deutschland sei ein Transitland im Herzen Europas mit viel Durchgangsverkehr. Man wolle mit der Maut eine "Gerechtigkeitslücke" schließen. Den angedrohten Klagen von Österreich und den Niederlanden sehe er gelassen entgegen.

Politische Machtspielchen? Realitätsferne? Gar Volksverdummung? Der Berliner Europarechtler Volker Boehme-Neßler sagt jedenfalls ganz klar: "Die Deutschen würden mit der geplanten Maut nur für Ausländer gegen das europäische Recht verstoßen." Das wäre eine Ungleichbehandlung, die nach Artikel 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union grundsätzlich verboten sei. Direkte Diskriminierung also. Doch auch der vermeintlich geschickte Schachzug des CSU-Chefs Seehofer, die deutschen Autofahrer auch die Maut zahlen zu lassen, das aber mit einer Senkung der Kfz-Steuer auszugleichen, funktioniert Boehme-Neßler zufolge nach geltendem Europarecht nicht.

"Ein kleines bisschen an der Kfz-Steuer zu drehen", das wäre eine verschleierte Diskriminierung, sagt der Berliner Rechtswissenschaftler - und damit genauso europarechtswidrig. Ein rechtliches Schlupfloch könnte es noch geben: Wenn Deutschland sein komplettes Steuersystem umkrempele - also auch andere Steuern senkt - dann könne die Kompensation nicht direkt mit der Kfz-Steuer in Verbindung gebracht werden. Dann sei eine Maut nur für Ausländer möglich. Bleibe der Vorschlag allerdings "zu simpel", wie Boehme-Neßler es formuliert, verstoße die Ausländer-Maut gegen das EU-Recht.

Streit um sechs Kilometer Autobahn

Schon jetzt gibt es einen deutsch-österreichischen Grenzstreit. Der Grund: sechs Kilometer Autobahn. Die waren bis zum 1. Dezember 2013 kostenfrei und von der österreichischen Vignettenpflicht ausgenommen. Vor allem deutsche Winterurlauber profitierten davon auf dem Weg in die Skigebiete der Alpenrepublik.

Protest gegen Kontrolle der Vignettenpflicht an der deutsch-österreichischen Grenze.
Proteste an der deutsch-österreichischen Grenze: Jetzt werden Vignetten wieder streng kontrolliertBild: picture-alliance/dpa

Wer dort jetzt kein "Pickerl" hat, wie die Vignette auf österreichisch heißt, muss 120 Euro Strafe zahlen. Der "Pickerl-Streit" könnte eine erste Reaktion auf die angekündigten Maut-Pläne Deutschlands sein. Ralf Resche vom Automobilclub ADAC sieht darin zwar keine Retourkutsche, sagt aber, dass die Verhandlungsbereitschaft des österreichischen Verkehrsministeriums inzwischen "sehr stark begrenzt" sei.

Gescheitert: Lkw-Maut für Ausländer

Ein Blick zurück zeigt zudem, dass es bisher wenig erfolgsversprechend war, Gebühren einseitig von Ausländern eintreiben zu wollen. Siehe Lkw-Maut: seit 2005 werden Lastwagenfahrer zur Kasse gebeten. Egal welcher Nationalität. Auch damals wollte Deutschland nur von ausländischen Lastwagenfahrern Geld eintreiben und deutsche Speditionen, die die Gebühr auch hätten zahlen müssen, als Kompensation dann steuerlich entlasten. Der Trick funktionierte nicht. Der Europäische Gerichtshof verwarf dieses Modell als europarechtswidrig.

Nun könnte sich diese Geschichte mit der deutschen Gebühr für Autofahrer wiederholen. "Eine Maut entweder für alle oder für keinen" - so könnte das Urteil des Europäischen Gerichtshofs lauten, vermutet ADAC-Verkehrschef Resche. Der Sündenbock sei dann mal wieder Brüssel. Europarechtler Boehme-Neßler vermutet, dass die künftige Bundesregierung auf Zeit spielt: Denn bis eine solche Klage entschieden ist, dauert es in der Regel ein bis zwei Jahre. Genug Zeit also, damit das Thema von den Deutschen und ihren Nachbarländern wieder vergessen wird.

Dann wäre die Maut vielleicht nur noch eine Randnotiz im Koalitionsvertrag - oder tatsächlich ein Muss für Autofahrer. Die Frage allerdings, wer die maroden Straßen und Autobahnbrücken in Deutschland finanziert, bliebe bei einem Nein zur Maut weiterhin ungeklärt. Um die Verkehrsinfrastruktur instand zu halten, braucht es nach Angaben des ADAC rund 7,5 Milliarden Euro pro Jahr. Von den sechs Prozent ausländischen Autofahrern, so schätzt der Automobilclub, kämen davon lediglich rund 260 Millionen Euro.