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Monster-Suche in Schottland: Auf der Jagd nach Nessie

24. August 2023

Bisher konnte niemand das berühmte Ungeheuer fangen, das angeblich im See Loch Ness in den Highlands haust. Jetzt sollte Nessie in der größten Suchaktion seit 50 Jahren aufgespürt werden. Hat es geklappt?

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Ein dinosaurierähnliches Tier im Gras am Ufer eines Sees
Nein, das ist nicht Nessie, sondern nur ein Nachbau Bild: Silvia Kusidlo/dpa/picture alliance

Am 26. und 27. August 2023 war es so weit: Zwei Tage lang beobachteten und filmten Dutzende Nessie-Enthusiasten den See - und meldeten zahlreiche mögliche Sichtungen, wie Projektleiter Alan McKenna anschließend erzählte. "Es gibt jede Menge Daten, und wir werden viel Zeit benötigen, alles zu prüfen." Die Kellys harrten wie viele andere bei teils strömendem Regen stundenlang am See in den schottischen Highlands aus. "Es gibt so viele Berichte von Ortsansässigen", sagt Scott Kelly. "Ich bin mir sicher, dass tatsächlich irgendetwas Unbekanntes im See lebt."

Suche nach verdächtigen Unterwassergeräuschen

Mit Infrarotkameras rückte man Nessie zu Leibe, denn auch ein Seeungeheuer strahlt, wie jedes andere Lebewesen auch, Wärme ab - das zumindest glauben die Forscher. Drohnen filmten die Wasseroberfläche von Loch Ness, um noch die kleinste Bewegung aufzuzeichnen. Ein Hydrophon sollte ungewöhnliche Unterwassergeräusche aufspüren, und am Ufer standen zahlreiche freiwillige Helfer, die mögliche Lebenszeichen sofort melden sollten. "Es ist eine organisierte Beobachtung des Loch Ness, das ist großartig", sagte Nessie-Sucher Steve Feltham zuvor der Nachrichtenagentur dpa. "Je mehr Augen auf das Wasser gerichtet sind, desto besser." Der Mann sucht seit mehr als 30 Jahren nach dem Monster - wohl länger als jeder andere.

Ein Mann steht vor einer Hütte und schaut durch ein riesiges Fernrohr
Nessie-Jäger Steve Feltham ist überzeugt von der Existenz des Monsters Bild: Benedikt von Imhoff/dpa/picture alliance

Ein uraltes Monster

Die großangelegte Aktion  wurde vom Loch Ness Centre in Drumnadrochit, einen Ort am Westufer des Sees, und einem freiwilligen Forschungsteam namens Loch Ness Exploration organisiert. Nessie verdankt ihren Namen dem See Loch Ness im schottischen Hochland , den sie seit Jahrhunderten angeblich bewohnt: Ja richtig, seit Jahrhunderten, denn schon im Jahr 565 soll der irische Wandermönch Columban von Iona am Fluss Ness auf das "Wasserungeheuer" gestoßen sein.

Ein See in der Dämmerung, am Ufer ein Baum
Vor 1500 Jahren verwies der Heilige Columban das Monster in seine Schranken Bild: Benedikt von Imhoff/dpa/picture alliance

In einem Buch berichtet der Abt von Iona, der Mönch habe einen Mann gerettet, der von dem Wesen angegriffen worden sei. "Columban machte das Kreuzzeichen in die Luft und rief den Namen Gottes an, während er dem wilden Tier befahl: Keinen Meter weiter! Berühre ihn nicht! Zieh dich sofort zurück!: Als das Tier die Worte des Heiligen hörte, floh es vor Angst, als ob es von Seilen von dort weggezogen würde, obwohl es nur eine kurze Entfernung vom Mann entfernt gewesen war."

1000 Jahre später soll Nessie zwar drei Männer erschlagen haben, aber davon abgesehen war das Seeungeheuer erstaunlich friedlich. Fest steht durch diese Sichtungen auf jeden Fall: Nessie hat schon viele Jahre auf dem Buckel. Das heißt auch, dass sie genug Erfahrung gesammelt hat, um ihre Jäger in dem bis zu 230 Meter tiefen See abzuschütteln. Und die haben sich schon mehrfach auf ihre Spur begeben - spätestens seit sie im Medienzeitalter endgültig zur Berühmtheit wurde.

Nessie als Mediensensation

1933 stürmte die Hotelmanagerin Aldie Mackay in eine Bar und verkündete den erstaunten Gästen, sie habe in Loch Ness soeben ein "Ungeheuer" gesehen, das Wasser des Sees sei sehr aufgewühlt gewesen. Die schottische Regionalzeitung "Inverness Courier" griff die Geschichte von der mysteriösen Kreatur dankbar auf - und sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

Ein altes Gebäude im viktorianischen Stil mit der Aufschrift "Loch Ness Centre"
Das ehemalige Drumnadrochit Hotel, dessen Managerin 1933 das Ungeheuer sah, fungiert jetzt als Loch Ness CentreBild: Loch Ness Centre/picture alliance

Aus London reisten zahlreiche Reporter an, und ein Zirkus bot 20.000 Pfund für das Einfangen des Monsters. Kurz darauf schilderte ein Motorradfahrer, wie die Kreatur vor ihm die Straße überquerte. Sie soll sich auf Schwimmflossen vorwärts bewegt und ein Schaf im Maul getragen haben. Kaum habe sie den See erreicht, sei sie untergetaucht. Nun gab es für die Nessie-Mania kein Halten mehr.

Der Beweis: ein Foto des Ungeheuers

Am 19. April 1934 veröffentlichte die Boulevardzeitung Daily Mail das erste Foto von Nessie. Der angeblich von einem renommierten Londoner Arzt stammende Schnappschuss, der als "the surgeon's photograph" (Chirurgen-Foto) in die Geschichte einging, zeigte eine Art urzeitlichen Plesiosaurier. Eine Sensation - niemand zweifelte an der Echtheit des Fotos.

Unscharfes schwarz-Weiß-Foto eines dinosaurierähnlichen Wesens
Dieses Foto entstand 1934 - und galt als ultimativer Beweis für Nessies Existenz Bild: Photoshot/picture alliance

Der Großwildjäger Marmaduke Wetherell war von der Daily Mail beauftragt worden, das Loch-Ness-Monster zu suchen. Und er lieferte: Von seinem Stiefsohn Christian Spurling, einem versierten Modellbauer, ließ er das Ungeheuer aus einem Spielzeug-U-Boot konstruieren, Kopf und Hals waren aus Plastik modelliert. Der Arzt, der das Beweisfoto angeblich gemacht hat, hatte seine diebische Freude, bei dem Schwindel mitzumachen - es sollte der Geschichte mehr Glaubwürdigkeit verleihen, dass ein Unbeteiligter es geschossen hatte -  bis es 60 Jahre später als Schwindel entlarvt wurde.

Systematische Untersuchungen des Sees ohne Befund

Die Nessie-Jäger hielt das das nicht davon ab, weiter nach Beweisen ihrer Existenz zu suchen. Immer wieder gab es neue Fotos, die in Laboren des britischen Verteidigungsmuseums und der NASA auf ihre Echtheit überprüft wurden - und oft schienen Fälschungen ausgeschlossen.

Ein Schild mit der Aufschrift Loch Ness neben einem See
Lebt in diesem idyllischen See wirklich ein Ungeheuer? Bild: Benedikt von Imhoff/dpa/picture alliance

1972 wurde der See unter der Leitung des Loch Ness Investigation Bureaus systematisch abgesucht, das die Existenz dieses prähistorischen Wesens nachweisen wollte - erfolglos. 1987 wollte man dem Geheimnis schließlich mit Sonar-Booten auf die Spur kommen. Bei der "Operation Deepscan" fuhren 24 Boote in einer Kette die gesamte Breite des Sees ab und scannten dabei die Unterwasserwelt des 56km² großen Sees. Mehrfach reagierte das Sonar stark auf große Objekte, doch Nessie wurde nicht entdeckt. 2019 versuchte ein internationales Wissenschaftlerteam, alle lebenden Arten in Loch Ness zu katalogisieren, indem sie aus Wasserproben DNA extrahierten. Ihre Erkenntnis: Eine große Art lebt nicht nicht im See, bei den Sichtungen könne es sich allenfalls um gigantische Aale handeln.

Nessie-Leugner und Nessie-Gläubige

Unzählige Vermutungen über Nessies wahre Identität wurden über die Jahre angestellt: Es handle sich um einen Grönlandhai, einen Wels oder gar um eine Urzeitechse. Skeptiker versuchen die vermeintlichen Sichtungen des Monsters mit Robben, springenden Fischen, Wasservögeln, schwimmende Hirschen, treibenden Holzstämmen oder Luftspiegelungen zu erklären.

Ein Imbisswagen mit der Aufschrift Nessie's Pit Stop
Im Nessie-Burger ist garantiert keine Nessie drin Bild: Benedikt von Imhoff/dpa/picture alliance

Doch allen Leugnern zum Trotz lassen sich die Nessie-Enthusiasten auch im 21. Jahrhundert nicht davon abhalten, das Monster zu suchen. "Wir sind die Hüter dieser einzigartigen Geschichte und investieren nicht nur in die Schaffung eines unvergesslichen Erlebnisses für die Besucher, sondern setzen uns auch dafür ein, Geheimnisse zu lüften, die unter dem Wasser des berühmten Lochs liegen", erklärte Paul Nixon, Geschäftsführer des Loch Ness Centre der Daily Mail.

Nessie-Plüschfiguren
Nessie ist ein Verkaufsschlager aus PlüschBild: Benedikt von Imhoff/dpa/picture alliance

Natürlich könnte man das Ganze auch für einen Marketinggag halten, denn Nessie lockt zahlreiche Touristen nach Schottland. Und eine großangelegte Suchaktion kurbelt das Geschäft noch einmal kräftig  an.

Ein Haus mit der Aufschrift Nessie Shop, davor eine Eisdiele
Ob Nessie Provision bekommt? Bild: Benedikt von Imhoff/dpa/picture alliance

Sollten ihre Fans Nessie wirklich aufspüren, muss sie sich keine Sorgen machen: Schon 1934 wurde sie vom schottischen Parlament unter Artenschutz gestellt. Damals hatte die Guinness Brauerei nämlich ein Kopfgeld von 500.000 Pfund auf das Monster ausgesetzt - und Nessie soll doch auch künftigen Generationen erhalten bleiben. 

Dieser Artikel wurde am 28.08.2023 aktualisiert.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur