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Politik

Spionieren unter Freunden? Leider normal!

31. Mai 2021

Dänemark soll dem US-Geheimdienst NSA geholfen haben, deutsche Politiker auszuspionieren. Wer sich darüber wundert, ist naiv. Denn einen Kronzeugen für solche Praktiken gibt es schon lange, meint Marcel Fürstenau.

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Wappen der NSA mit einem Weißkopfseeadler mit einem Brustschild in den Landesfarben der USA, der in seinen Krallen einen Schlüssel hält
Die National Security Agency der USA hat eine Vielzahl anderer Geheimdienste zu Zuarbeit verpflichtetBild: picture-alliance/dpa

Nun steht auch Dänemark auf der inoffiziellen Liste jener, die offiziell befreunde Länder mutmaßlich wie Feinde behandelt haben: Der nördliche Nachbar Deutschlands soll dem US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) 2012 bis 2014 behilflich gewesen sein, die elektronische Kommunikation politischer Prominenz überwacht zu haben: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (inzwischen Bundespräsident) und den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl 2013, Peer Steinbrück.

Dass Merkel und Steinmeier damals ins NSA-Visier geraten waren, ist schon lange bekannt: Edward Snowdensei Dank. Seine Enthüllungen lösten 2013 weltweit Entsetzen aus. Dass auch die Geheimdienste demokratischer Staaten keine harmlosen Gesangsvereine sind, war schon immer klar. Aber das Ausmaß der Rücksichts- und Skrupellosigkeit verblüffte sogar politische Schwergewichte wie eben das NSA-Opfer Angela Merkel. Ihr Bonmot "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht" ist längst zum geflügelten Wort geworden. Denn in Wirklichkeit geht alles: Spionage kennt keine Grenzen - weder geografische noch moralische.

Geheimdienst müssen schärfer kontrolliert werden

Man darf und soll sich auch weiterhin darüber empören, welches Eigenleben die NSA, der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und ihresgleichen führen. Aber spätestens seit Snowden mutet diese menschlich nur allzu verständliche Reaktion geradezu naiv an. Viel wichtiger wäre es, dass die politisch Verantwortlichen in Deutschland, Dänemark und allen anderen auf Gewaltenteilung basierenden Ländern ihre Geheimdienste endlich besser kontrollieren. Doch davon kann leider kaum die Rede sein.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW

In Deutschland beschäftigte sich zwar jahrelang ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem NSA/BND-Skandal, aber das Ergebnis war skandalös und beschämend: Die Reform mündete nämlich darin, dass die erst durch Snowden bekannt gewordene illegale Abhör-Praxis legalisiert wurde. Zum Glück war auf das Bundesverfassungsgericht Verlass - es kassierte diesen schamlosen Etikettenschwindel 2020.

Ein Skandal: Snowden im russischen Exil

Wer verstehen will, wie die USA, Deutschland und das demokratische Europa beim Thema Geheimdienste ticken, muss nur auf das Schicksal des Whistleblowers Edward Snowden schauen: Er lebt seit seinen beispiellosen Enthüllungen im Exil in Russland. Dass der Herrscher im Kreml und frühere Offizier des sowjetischen Geheimdienstes KGB, Wladimir Putin, seine schützende Hand über Snowden halten muss, ist und bleibt ein Armutszeugnis für den gesamten Westen.  

Weihnachtsansprache von Edward Snowden

Und leider spricht nichts, aber auch gar nichts dafür, dass sich daran etwas ändern könnte. Denn die Gegner des 37-jährigen US-Amerikaners diesseits und jenseits des Atlantiks sind sich einig: Er ist in ihren Augen ein Verräter. Dieser Meinung war schon der ehemalige US-Präsident Barack Obama, in dessen Amtszeit Snowdens Enthüllungen fielen. Auch der amtierende Regierungschef Joe Biden teilt diese Auffassung.

Kulturwandel nötig

Von Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und anderen deutschen NSA-Opfern sind solche Beschimpfungen des Whistleblowers zwar nicht überliefert, aber vom umstrittenen früheren Präsidenten des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Hans-Georg Maaßen. Leute wie er und ihr Idealbild von weitgehend unkontrollierten Geheimdiensten sind es, die einem durchgreifenden Kulturwandel in diesem Milieu im Wege stehen. So lange sie auf Seiten der Gesetzgeber und der Regierungen genügend Unterstützung haben, wird das so bleiben. Und erst wenn sich das ändert, darf ein Edward Snowden hoffen, sein fragwürdiges Exil im Russland verlassen zu können.

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Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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