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Integrationsgipfel

13. Juli 2007

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Integrationsgipfel als großen Fortschritt in der Ausländerpolitik bewertet. Die Teilnehmer verabschiedeten in Berlin einen weit reichenden Integrationsplan.

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Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerpolitik und Integration, Maria Böhmer (CDU), Innenminister Wolfang Schäuble (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD)posieren in Berlin mit Teilnehmern des zweiten Integrationsgipfels nach einem Vortreffen im Bundeskanzleramt, Quelle: AP
Integrationsgipfel: Meilenstein oder völlig unzureichend?Bild: AP

"Dieses ist ein Meilenstein in der Geschichte der Integrationspolitik", sagte Merkel nach dem Treffen im Kanzleramt. Sie verwies darauf, dass die etwa 90 Vertreter von Bund, Ländern, Verbänden und Migrantenorganisationen erstmals einen Integrationsplan verabschiedet hätten. Dies sei eine Neuerung, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben haben.

Integration durch Selbstverpflichtung

Der Integrationsplan sehe über 400 Selbstverpflichtungen vor, wie die Eingliederung der etwa 15 Millionen Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund verbessert werden soll – etwa durch Sprachförderung und die berufliche Bildung junger Migranten. Der Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, forderte eine verbindliche Kontrolle der vereinbarten Selbstverpflichtungen. Es müsse sichergestellt werden, dass der Integrationsgipfel nicht das Ende eines untauglichen Versuches war, "sondern der Beginn eines ernsthaften Bemühens um eine bessere Zuwandererintegration in Deutschland." Merkel kündigte an, dass die über 400 Maßnahmen im Herbst 2008 bei einem dritten Integrationsgipfel auf ihre Wirksamkeit hin überprüft würden.

Eine nicht identifizierte, verschleierte Passantin läuft durch das Bahnhofsviertel in Frankfurt, Quelle: AP
Aus Protest gegen das Zuwanderungsgesetz haben vier türkische Verbände die Einladung Merkels abgewiesenBild: AP

Die Kanzlerin ging auch auf den Boykott des Treffens durch mehrere große Verbände der Türken in Deutschland ein. Diese hatten ihre Teilnahme von Änderungen im jüngst verschärften Zuwanderungsrecht abhängig gemacht, was die Regierung aber ablehnte. "Der Bundesregierung stellt man keine Ultimaten", sagte Merkel. Dies gelte vor allem dann, wenn es sich um vom Parlament verabschiedete Gesetze handele. Die Kanzlerin erneuerte aber ihre Einladung an die Verbände, am weiteren Prozess wieder teilzunehmen. "Die Bundesregierung hat eine Politik der ausgestreckten, offenen Hand", sagte Merkel.

Türkische Verbände erwägen Klage

Muslime beten in einer Moschee in Berlin, Quelle: AP
Ungeachtet des Boykotts türkischer Verbände hat Bundeskanzlerin Angela Merkel fast 90 Vertreter von Ausländerorganisationen und anderen gesellschaftlichen Gruppen zum zweiten Integrationsgipfel empfangenBild: AP

Die vier türkischen Verbände bekräftigten unterdessen ihre Kritik und kündigten an, möglicherweise Verfassungsklage zu erheben. Der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), geht davon aus, dass eine von der Türkischen Gemeinde in Deutschland Verfassungsklage gegen das neue Zuwanderungsgesetz keine Aussicht auf Erfolg hat.

In einem Interview der Deutschen Welle sagte Laschet, dass das Gesetz "verfassungsrechtlich hält". Vielleicht sei die Klage sogar hilfreich, denn dann könne das Verfassungsgericht die Rechtslage klären. "Unterschiedliche Sachverhalte darf man auch in einem Rechtsstaat unterschiedlich behandeln. Der Hochqualifizierte, der angeworben wird, kann anders behandelt werden als jemand, der zur Familienzusammenführung ins Land kommt. Wir haben heute schon die Situation, dass Aussiedler schon im Herkunftsland die deutsche Sprache nachweisen müssen."

"Ethnische Diskrminierung"

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, kritisierte im Sender Phoenix, mit der Neuregelung sei erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ethnische Diskriminierung festgeschrieben worden. Die türkische Gemeinde blieb neben drei anderen türkischen Organisationen dem Gipfeltreffen fern.

Merkel wies Vorwürfe zurück, das novellierte Zuwanderungsrecht sei insbesondere wegen der verschärften Nachzugsregelung gegenüber den Türken diskriminierend. Bei dem geforderten Spracherwerb gehe es um eine EU-Richtlinie, in der von einfachen Kenntnissen die Rede sei. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) verteidigte das neue Zuwanderungsrecht als Kompromiss. Es sei im "Großen und Ganzen ein Gesetz geworden, das wir mittragen können". Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) verwies darauf, dass Menschen ohne Sprachkenntnisse nur schlecht integriert werden könnten. "Parallelgesellschaften müssen bekämpft werden", sagte er am Rande des Gipfeltreffens.

Opposition unterstützt türkische Verbände

Unterstützung erhielten die türkischen Verbände von der Opposition. Die Unterscheidung beim Familiennachzug zwischen Visumsfreiheit und allen anderen sei "nicht nachvollziehbar und willkürlich", erklärte der FDP-Religionsexperte Hans-Michael Goldmann.

Der integrationspolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Sevim Dagdelen, kritisierte, der Integrationsplan sei völlig unzureichend. Die darin enthaltenen Selbstverpflichtungen könnten nicht die Fehler in den Bereichen Arbeitsmarkt, Sozial- und Bildungspolitik ausgleichen, unter denen besonders Migranten zu leiden hätten. (je)