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Politik

Mehr Frauen, mehr Themen

22. August 2019

Starke Frauen aus Afrika, Asien oder Nahost - beim weltweiten Religionstreffen am Bodensee beeindrucken weibliche Teilnehmer. Und sie drängen auf größere Präsenz.

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Lindau Religions for Peace
Bild: DW/C. Papaleo

Religion wird weiblicher. Bei der 10. Weltversammlung von Religions for Peace in Lindau stellen Frauen knapp ein Viertel der Teilnehmer. Mehr als bislang. Immerhin: Selbst zum Vatikan gehörte eine Delegierte von Caritas international. Aber vielen sind es nach wie vor zu wenig Frauen.

"Wir hoffen, dass dem neuen World Council mehr Frauen angehören werden", sagt Mehrezia Labidi-Maiza. "Frauen müssen sichtbarer sein, bei allen unseren Veranstaltungen." Die Tunesierin war die erste Vizepräsidentin der verfassungsgebenden Versammlung ihres Landes. Bei dem viertägigen Welttreffen auf der Bodensee-Insel ist sie eine der selbstbewusst auftretenden Frauen, die auf mehr Mitsprache drängen. Und auch die Irakerin Layla Alkahafaij, die unter Saddam Hussein gut zehn Jahre im Gefängnis eingekerkert und später Abgeordnete im iranischen Parlament war, betont: "Wir möchten, dass Frauen sich beteiligen."

Lindau Religion for Peace Religionen für den Frieden
Ziel des Treffens ist, Konflikte zwischen Religionen und Glaubensrichtungen abzubauenBild: Ahmad Khalid Photography

Farben und Vielfalt

Der Auftritt der beiden gehörte zu den starken Momenten bei dem Welttreffen der Religionen. Hindus, Buddhisten, Christen, Bahais, Sufi, Juden, Ureinwohner aus Kanada oder vom Amazonas... zu Farbe und Vielfalt tragen in Lindau Männer und Frauen gleichermaßen bei. Aber gerade weibliche Delegierte aus Asien, Afrika und der arabischen Welt stehen für engagierte Basisarbeit und verkörpern neues Selbstbewusstsein.

Und ihnen allen gelten die Mahnungen, die der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Gästen aus 125 Ländern bei der Eröffnungsfeier mitgegeben hatte. "Wir mögen unterschiedlich sein in unserem Glauben. Aber einen muss uns die gemeinsame Haltung: Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein", sagte Steinmeier. Ausdrücklich betonte er "als gläubiger Christ" seine Verbundenheit zum Thema. "Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn immer wieder viele Menschen zum Ausdruck bringen, dass Religion geradezu ein friedensverhinderndes, ja kriegsförderndes Phänomen sei." Und er erinnerte an den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), dessen Ursache die Religion war und der auch Lindau berührte.

Die gemeinsame Botschaft von Lindau müsse lauten: "Kein Krieg darf geführt werden im Namen der Religion!", mahnte das deutsche Staatsoberhaupt. "Aber Glaube und Religion können auch missbraucht werden für im Grunde außerreligiöse Intentionen und politische Ziele."

Lindau Religion for Peace Religionen für den Frieden
Das weltweite Religionstreffen beherrschte die Stadt Lindau am Bodensee Bild: Ahmad Khalid Photography

Der Terror

Es fiel auf, wie oft in Lindau die letzten großen blutigen Anschläge gegen Gläubige genannt wurden. Den Terror gegen Kirchen in Sri Lanka an Ostern mit hunderten Toten, die Blutbäder in Moscheen in Neuseeland und einer Synagoge in Pittsburgh/USA. Zu oft ist es Terror, der auch religiös begründet wird.

Steinmeier äußerte ungewöhnlich deutlich Erwartungen an "die Religion". Europäer sind das durchaus gewohnt, andere sind vorsichtiger. "Es ist nie gut, wenn Religion und Politik heiraten. Die Politik übernimmt dann rasch die Rolle des Ehemannes", sagte 24 Stunden nach Steinmeier der nigerianische Kardinal John Onaiyekan. "Und wir haben in Afrika Erfahrungen mit Ehemännern." Religion dürfe sich nie vereinnahmen lassen.

Die Basis erreichen

Weniger kritisch äußerte sich Jose Ramos-Horta, der erste Präsident Osttimors nach der Unabhängigkeit. Religion sei für die Stabilität von Frieden "wirklich wichtig - wegen der Religionsführer. Sie erreichen wirklich die Basis, die Menschen an der Basis", sagte er der Deutschen Welle.

"Ich werde Lindau mit viel neuer Hoffnung verlassen", glaubt die Hindi Vinu Aram vom prominenten Shanti Ashram in Indien. Das liege auch an der Art, wie Deutschland die Flüchtlingskrise bewältigt habe und wie offen sich die Menschen in Lindau für die Religionen gezeigt hätten.

Vinu Aram aus Indien
Vinu Aram: Viel neue Hoffnung aus LindauBild: DW/C. Strack

Mit zwei Projekten will "Religions for Peace" konkret selbst zeigen, dass sie die Aufgabe annehmen. An symbolischer Stätte, einem neu aufgestellten, siebeneinhalb Meter hohen "Ring of Peace" am Ufer des Bodensees, sprachen sie eine Selbstverpflichtung aus: religiöse Gebäude gegen Gewalt zu schützen. Auch wenn es durchaus gefährlich ist. "Heilige Stätten müssen geschützt werden auch durch Gläubigen anderer Bekenntnisse", sagte William F. Vendley, scheidender RfP-Generalsekretär. Zudem stellten kriminologische Expertinnen eine Methode vor, die DNA von Vergewaltigern in Krisen- und Kriegsgebieten sicherzustellen. Sie soll deutlich kostengünstiger sein als bisherige Methoden - und Frauen helfen, zumindest juristisch ihre Würde zu verteidigen. Beide Projekte sollen gezielt über religiöse Einrichtungen die Menschen an der Basis einbinden.

Ins Jubiläumsjahr

Damit ist die Erwartung an die RfP-Arbeit der kommenden Jahre festgelegt. Auch für das Jubiläumsjahr 2020, in dem Religions for Peace 50 Jahre alt wird. Die Organisatoren sprachen bereits die offizielle Einladung aus, das Jubiläum in Lindau zu feiern. Dann ist auch die bekannteste deutsche Protestantin dabei, Margot Käßmann. Sie wurde in den 80 Mitglieder zählenden World Council gewählt, jenen Rat, der Religions for Peace zwischen den Weltversammlungen vertritt.

Lindau Interreligiöses Treffen
Kardinal Onaiyekan: Politik übernimmt leicht die Rolle des EhemannsBild: DW/Christoph Strack

Und künftig koordiniert erstmals eine Frau als Generalsekretärin die weltweite Arbeit. Die 1968 in Kairo geborene Muslima Azza Karam, die heute die niederländische Staatsbürgerschaft hat und vielfältig wissenschaftlich tätig ist, wurde in Lindau zur Nachfolgerin von William F. Vendley (71) gewählt. Nur eine Personalentscheidung. Aber ein weiterer Schritt: Religion wird weiblicher.