1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Matteo Renzi - Ein Mann will nach oben

Kirstin Hausen17. Februar 2014

Für Matteo Renzi scheint nach dem Sieg im Machtkampf mit Italiens Premierminister Enrico Letta der Weg frei. Renzi will Regierungschef werden. Der Aufstieg des 39-Jährigen ähnelt in vielem dem von Silvio Berlusconi.

https://p.dw.com/p/1B8K7
Matteo Renzi (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die "Stafetta", die "Stabübergabe", sorgte bereits tagelang für Gesprächsstoff in den italienischen Medien. Doch dann ging es überraschend schnell. Auf einer Versammlung der Demokratischen Partei PD (partito democratico) stimmte die große Mehrheit gegen Enrico Letta als Ministerpräsident Italiens. Angeführt wurde die interne Revolte von Matteo Renzi, der mittlerweile von Staatspräsident Napolitano mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Renzi war erst kürzlich zum Parteivorsitzenden gewählt worden und hatte die Regierung Letta seit Wochen als zögerlich und reformunwillig kritisiert. Nun verspricht er einen drastischen Kurswechsel: "Wir müssen uns alle zusammen aus dem Sumpf ziehen. Es geht hier nicht um eine Stabübergabe. Es geht nicht darum, weiter in dieselbe Richtung zu laufen, sondern darum, das Ziel zu ändern, das Tempo und den Rhythmus."

Matteo Renzi, der Medienmann

Markige Worte, wie immer. Renzi haut gerne auf den Putz. Das verschafft die Aufmerksamkeit der Medien und nur mit ihrer Hilfe kommt man auf der politischen Karriereleiter empor. Das hat Renzi, mit seinen 39 Jahren ein politisches Kind der Berlusconi-Ära, perfekt verinnerlicht. Er hat in der Marketing-Agentur seiner Familie gearbeitet und weiß, wie das Geschäft funktioniert. Als aufmüpfiger "Verschrotter der alten Parteieliten" hat er sich präsentiert, als der Tony Blair aus der Toskana. Seinen rasanten Aufstieg in der italienischen Politik verdankt er auch den vielen Leitartikeln und Doppelseiten, die ihm gewidmet wurden, seit er als Unterstützer von Romano Prodi erste Erfahrungen sammelte.

Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano und der bisherige Regierungschef Enrico Letta (Foto: Reuters)
Staatspräsident Napolitano hat lange an Regierungschef Letta festgehalten - und Neuwahlen stets abgelehntBild: Reuters

Den Segen von Silvio Berlusconi, der Renzi schon mal für seine Partei abwerben wollte, hat er bereits. Die beiden hatten sich im Vorfeld des Machtkampfes innerhalb der Demokratischen Partei getroffen. Das Foto in den Zeitungen zeigte den Handschlag von zwei Männern, die sich trotz des großen Altersunterschiedes sehr ähneln. Offiziell ging es bei ihrem Treffen um die Eckpfeiler für ein neues Wahlgesetz. Möglicherweise ging es aber auch um Eckpfeiler für eine neue Regierung. Berlusconi und Renzi gehören zwar zu konkurrierenden politischen Lagern, beide handhaben politische Inhalte jedoch flexibel. Der Machtinstinkt, die mediale Selbstinszenierung und die Rede vom radikalen Wandel sind ihrer beider Markenzeichen. Und wenn sie sich als Modernisierer Italiens darstellen möchten, greifen sie zu amerikanischen Vorbildern. Matteo Renzi möchte Italien in ein "Start-up" verwandeln, "das schönste Start-up, das die Welt je gesehen hat".

Analogien zu Berlusconi

Silvio Berlusconi (Foto: Reuters)
Zieht Berlusconi auch bei Renzi die Strippen?Bild: Reuters/Alessandro Bianchi

Eine strahlende Zukunft hatte auch Silvio Berlusconi vor 20 Jahren dem Land versprochen. Und er war mit einer Lüge gestartet. Niemals würde er in die Politik gehen, hatte Berlusconi kurz vor seiner berühmt gewordenen Rede an die Italiener noch beteuert. So wie Renzi noch vor kurzem betont hatte, keinesfalls Enrico Letta stürzen zu wollen. Nun wird er nach Mario Monti und Enrico Letta höchstwahrscheinlich der dritte Regierungschef seit 2011, der nicht vom Volk gewählt ist. Aber das scheint ihn nicht zu stören. Vorgezogene Neuwahlen stehen für ihn nicht zur Debatte: "Man könnte denken, dass Neuwahlen eine reinigende Wirkung hätten, aber es gibt da einen kleinen Nachteil. In der jetzigen Situation würden sie keines der Probleme lösen, die vor uns liegen."

Matteo Renzi, der Problemlöser, der Macher. Wieder so ein Bild, das die Medien von ihm verbreiten. Weil er sich gerne auf dem Fahrrad in der von ihm eingerichteten Fußgängerzone von Florenz fotografieren lässt, beim Einweihen neuer Bauten oder mit Gummistiefeln im Hochwasser. Aber Florenz war nur Zwischenstation, ein Sprungbrett. Längst geht es um die nationalen Probleme. Für die grassierende Arbeitslosigkeit hat Renzi eine Arbeitsmarktreform vorgeschlagen, die den Namen "JobsAct" trägt. Alles, was Renzi macht oder vielmehr ankündigt, wirkt ein bisschen abgekupfert. Keine seiner politischen Ideen oder Visionen ist wirklich neu und originär. Wenn er über Nachhaltigkeit spricht, ahmt er Nichi Vendola von der links-grünen Bewegung "Sinistra, Ecologia, Libertà" (Links, Ökologie, Freiheit) SEL nach. Geht es um Wirtschaft und Finanzen, klingt er wie Mario Draghi, und wenn er die Italiener unter 30 für sich gewinnen will, wirft er sein junges Alter in die Waagschale und spricht vom Generationenwechsel in der Politik.

Verhaltene Reaktionen

Italien Machtkampf Renzi & Letta (Foto: picture alliance)
Ein Bild aus gemeinsamen Tagen: Renzi und LettaBild: picture alliance/ROPI

Die Bürger bleiben angesichts der Machtübernahme durch Matteo Renzi gelassen. Zu viel haben sie in den vergangenen Monaten erlebt. Zu viele Versprechungen und zu viele Enttäuschungen. "Als Renzi Parteivorsitzender wurde, hätte er sein Amt als Bürgermeister von Florenz niederlegen sollen. Stattdessen häuft er Posten an, so wie alle Politiker", sagt eine Frau aus dem toskanischen Grosseto. "Selbst wenn Renzi etwas besser macht, braucht es mindestens 15 Jahre, bis sich etwas ändert", meint ein Mailänder. Um die Resignation zu beseitigen, die weite Teile der Bevölkerung ergriffen hat, braucht es mehr als markige Sprüche. Matteo Renzi muss seinen Worten Taten folgen lassen. Vor allem braucht er eine Mehrheit in Abgeordnetenkammer und Senat. Die politischen Ränkespiele gehen weiter.