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Lateinamerika am Ende des Zweiten Weltkriegs

Alberto Methol Ferré6. Mai 2005

Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich auch für Lateinamerika am 8. Mai zum 60. Mal. Für viele Länder des Halb-Kontinents war dieser Krieg weit weg und fremd.

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Das deutsche Kriegsschiff "Graf Spee" ging 1939 vor Montevideo in Flammen aufBild: AP
"Sollen die Blonden und die Gelben des Nordens es unter sich ausmachen. Es ist sowieso ein Kampf der Löwen um die Beute." Dieser Satz wurde von Luis Alberto de Herrera gesprochen, als Kommentar zum japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Herrera war der Anführer der Nationalen Partei Uruguays, die im Bezug auf den Zweite Weltkrieg eine neutrale Position eingenommen hatte.

So war es in meinem Vaterland Uruguay, einem kleinen Land, das dank dem Engländer Lord Ponsomby 1828 entstanden war, als Pufferstaat am Rio de la Plata zwischen Brasilien und Argentinien. Danach besetzten die Engländer die Malvinen und nannten sie Falkland-Inseln, um den Seeverkehr im südlichen Pazifik zu kontrollieren. Zwei Jahre später sollte Lord Ponsomby die Entstehung Belgiens begünstigen, als Pufferstaat an der Nordsee.

Schulden

Südamerika war nach der Unabhängigkeit von Spanien in die ökonomische Einflusssphäre Großbritanniens geraten. Es entstanden unsere neuen und schwachen Staaten und mit ihnen die Auslandsschulden – die bis heute bestehen.

Im 20. Jahrhundert werden die Engländer als Hegemonialmacht von den USA verdrängt. Dieser Prozess hat seinen Höhepunkt 1945 erreicht, mit dem Panamerikanischen Vertrag von Chapultepec. Die USA hatten endgültig Europa als Hegemonialmacht ersetzt.

Fremder Rassismus

Der Nazismus war für uns ein Rassismus, der gegen unser universalistisches Denken verstieß. Lateinamerika war ein Produkt der Vermischung von Rassen, die durch die katholische Missionierung begünstigt worden war. Nichts wollten wir zu tun haben mit irgendwelchem "Rassismus". Ich kann mich daran erinnern, dass, als ich den ersten Film über die Konzentrationslager sah, es nicht habe aushalten können und bin angewidert aus dem Kino geflohen.

Für mich ist das bedeutendste Ereignis des Jahres 1945 der Aufstand der argentinischen Arbeiter, die Juan Domingo Perón unterstützt haben. "Cabecitas negras" ("Schwarzhaarige") wurden sie genannt. Perón selbst war ein "Schwarzhaariger" (seine Mutter war eine Indianerin). Herrera, mein politischer Ziehvater, hat ihn unterstützt. Warum ist das so bedeutend? Weil das der Anfang des Kampfes um die Industrialisierung in Lateinamerika als Region der Peripherie war. Perón ist derjenige, der 1951 die Allianz zwischen Argentinien und Brasilien als zentralen Bestandteil der Union Lateinamerikas definiert hat, ähnlich wie die Allianz zwischen Deutschland und Frankreich wesentlich für die Europäischen Union ist. Das war der fehlgeschlagene Versuch einer ersten Integration, die 40 Jahre später in Form des Mercosur wieder belebt worden ist. Dieses Mal ohne Chile. Chile war für Perón wesentlich wegen der Verbindung mit dem Pazifischen Ozean.

Integration

Vom Mercosur und seinen Verbindungen mit der Gemeinschaft der Andenländer ("Comunidad Andina") kommen wir heute zur "Comunidad Sudamericana de Naciones", die im Dezember 2004 gegründet wurde. So nehmen wir den Prozess der Integration wieder auf, der von Bolívar, San Martín und Artigas initiiert worden ist. Und so erinnern wir uns an das symbolträchtige Jahr 1945.

(Dt. Übersetzung von Pablo Kummetz)

Prof. Dr. Alberto Methol Ferré, Professor für Geschichte an der Universität Montevideo, Uruguay, hat viele Bücher und Essays über die Geschichte Lateinamerikasgeschrieben geschrieben, unter anderem "Unión Sudamericana, Segunda fase de la Independencia de América del Sur", "El Uruguay como problema" und "La bipolaridad TLC - Mercosur. El destino llama dos veces".