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Kranke Hirne

Peter Philipp19. August 2003

Die Verantwortlichen für den Anschlag auf die UN in Irak wollten damit vermutlich die US-Besatzungsmacht treffen. Doch möglicherweise erreichen sie das Gegenteil: dass mehr Länder mit den USA zusammenarbeiten.

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Der verheerende Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad kann nur mit einem Wort charakterisiert werden: Terror. Die Täter bleiben anonym und die Opfer scheinen zufällig. Schlimmer aber noch: Die Mitarbeiter der Vereinten Nationen – an ihrer Spitze der Irak-Beauftragte de Mello – die bei dem Anschlag umgekommen sind, waren in den Irak gekommen, um der dortigen Bevölkerung zu helfen. Sie hatten nichts mit Amerikanern und Briten zu tun, standen in vielerlei Hinsicht – wie die UNO insgesamt – mit der "Koalition" oft genug im Widerspruch und sie verzichteten wohl auch bewußt auf verstärkten Schutz durch die US-Streitkräfte. Was ihnen jetzt zum Verhängnis wurde.

Angriffe auf "weiche Ziele" – wie zivile Einrichtungen im Militärjargon heißen – kommen in letzter Zeit häufiger vor im Irak. Für den Irak eine neue Taktik, aber auch eine Bankrott-Erklärung der Angreifer: Trotz all der täglichen Zwischenfälle und einzelnen Angriffe vermögen sie offenbar nicht entscheidende Angriffe auf die Besatzer-Streitkräfte durchzuführen und ihnen – wie einst im Libanon – das Verbleiben zu vergellen. Statt dessen halten sie sich schadlos an anderen: der jordanischen Botschaft, der eigenen Zivilbevölkerung und nun den Vereinten Nationen.

Kranke Ziele

Die UN in Bagdad – das sind nicht mehr die Rüstungs-Inspektoren, die das Land nach verbotenen Waffen durchkämmten und sich dabei bestimmt einige Feinde machten. Die UN-Leute, die bei dem Anschlag getroffen wurden, das sind diejenigen, die sich heute schon aktiv für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung einsetzen, die den Armen und Benachteiligten helfen, den Schwachen und Kranken. Oder den Kindern. Diese Helfer ins Visier zu nehmen, manifestiert auch die unmenschliche Gleichgültigkeit und Radikalität der Täter, die bereit sind, Unschuldige, ja sogar Freunde ihren kranken Zielen zu opfern.

Es fällt schwer, die Denkweise solch kranker Hirne nachzuvollziehen. Aber offenbar wollen sie mit solchen Anschlägen die USA weiter die in die Bredouille bringen: Als Besatzungsmacht sind sie für die Sicherheit der Zivilbevölkerug verantwortlich, auch für zivile Einrichtungen wie Botschaften oder internationale Organisationen. Ein massives Militäraufgebot zu deren Schutz würde aber nicht nur den Normalisierungsprozess in Bagdad weiter verlängern, es würde die Truppen auch zusätzlich belasten, die ja auch heute schon unter massivem psychologischem Druck stehen: Weil sie länger bleiben müssen als erwartet, weil ihnen nur Feindseligkeit entgegen schlägt und weil sie für diese Art von Polizeieinsatz nicht ausgebildet sind.

Ohne Chance, aber gefährlich

Sollten die Täter hoffen, sie könnten nun internationalen Druck auf die USA erzeugen, dann werden sie sich wohl täuschen. Vielleicht erreichen sie sogar genau das Gegenteil – was George W. Bush bisher nicht gelang: dass sich mehr Länder und Organisationen bereit finden zur Zusammenarbeit mit den USA.

Bleibt die Frage, wer die Täter sind: Es scheint reichlich übertrieben, sofort von fremden Terroristen und deren Söldnern zu sprechen. Nach Jahrzehnten einer menschenverachtenden Diktatur dürfte der Irak durchaus in der Lage sein, solche Täter selbst hervorzubringen. Sie sind Teil und Erbe des untergegangenen Regimes und sie haben keine Chance, in ihrem Kampf zu siegen. Aber genau das macht sie ja auch wieder so gefährlich.