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Konfliktrisiko Wasser

Matthias von Hein21. August 2011

Wachsende Erdbevölkerung und höherer Lebensstandard sorgen für steigenden Bedarf an einer immer knapperen Ressource: Wasser. Mehr Verbrauch bei schwindenden Vorräten ist aber ein sicheres Rezept für Konflikte.

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Atatürk-Staudamm in der türkischen Provinz Sanliurfa (Foto:DPA)
Atatürk-Staudamm in der türkischen Provinz SanliurfaBild: picture-alliance/ dpa

Es gibt zwei Dinge, die sind für Menschen unverzichtbar, egal wo und wie sie leben: Wasser und Nahrung. Wobei Wasser auch für die Nahrungserzeugung unverzichtbar ist. Wenn die Nachfrage nach dem "blauen Gold" das Angebot übersteigt, sind Konflikte vorprogrammiert. Ein Blick auf das Wachstum der Weltbevölkerung und den gleichzeitig steigenden Wasserverbrauch lässt in Zeiten des Klimawandels für die Zukunft wenig Gutes erwarten. Zumal viele Wasserläufe internationale Grenzen überqueren.

Ein UNESCO Bericht aus dem Jahr 2003 bringt die nackten Zahlen: Weltweit durchqueren 263 internationale Wasserläufe die Gebiete von 145 Staaten. Darin leben rund 40 Prozent der Erdbevölkerung. Ihnen stehen 60 Prozent des Süßwassers zur Verfügung. Immerhin 19 Flüsse haben mehr als fünf Anrainerstaaten. Häufigster Konfliktpunkt zwischen Ländern am Ober- und solchen am Unterlauf sind Staudammprojekte. Mit seinem Atatürk-Dammprojekt am Oberlauf des Euphrat könnte zum Beispiel die Türkei Syrien und dem Irak im wortwörtlichen Sinne das Wasser abdrehen.

Der Merowe-Staudamm im Sudan (Foto: Lubumbashi)
Der Merowe-Staudamm im SudanBild: Lubumbashi

Als besonders risikoreich bewertet eine Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vom Februar 2011 die Situation an den zentralasiatischen Flüssen Amurdaya und Syrdaya und am Nil. Einer der Autoren der Studie ist der Politikwissenschaftler Tobias von Lossow. Gegenüber der Deutschen Welle wies Lossow auf die Jahrzehnte währende Konflikthistorie zwischen Ägypten und Sudan auf der einen Seite und Äthiopien auf der anderen Seite hin: "Äthiopien konnte bislang auch aus ökonomischen Gründen seine Potenziale bei der Wassernutzung sowohl bei der Bewässerung in der Landwirtschaft als auch bei der Energiegewinnung nicht vollends ausschöpfen. Das hat sich aber durch neue Finanzierungsmöglichkeiten und chinesische Unterstützung in den letzten Jahren durchaus gewandelt."

Wasser als Kriegsgrund?

Fast 7.000 Kilometer legt der längste Fluss Afrikas auf seinem Weg von Zentral- und Ostafrika bis zum Mittelmeer zurück. Dabei fließ er durch zehn Länder. Die zeichnet eine deutliche Asymmetrie bei der Nutzung des Nilwassers aus. Die Staaten am Oberlauf verfügen über das meiste Wasser. Verbraucht wird der Löwenanteil des Wassers aber am Unterlauf - besonders von dem Land, das am wenigsten vom "blauen Gold“ beitragen kann: Ägypten. Die rechtliche Grundlage dazu ist ein Vertrag aus dem Jahr 1929, ausgehandelt noch von der damaligen Kolonialmacht England. Nach heutiger Lesart darf Ägypten 66 Prozent des Nilwassers nutzen, der Sudan 18 Prozent.

Früher haben die Länder am Oberlauf ihren Wasserreichtum kaum genutzt, das Konfliktpotential war gering. Heute aber wollen vor allem Äthiopien aber auch Ruanda, Kenia oder Uganda das kostbare Nass stärker für die eigene Entwicklung nutzen. Sie drängen auf neue Regeln. Ankündigungen Äthiopiens, die Fluten des blauen Nils stärker für die eigene Landwirtschaft und die Energieerzeugung zu nutzen, haben auf ägyptischer Seite schon einmal indirekte Kriegsdrohungen hervorgerufen. Dem ehemaligen ägyptischen Präsidenten Anwar As-Sadat wird zum Beispiel der Ausspruch nach gesagt: "Der einzige Grund, der Ägypten noch einmal zum Krieg treiben könnte, wäre Wasser". Multilaterale Gremien wie etwa die "Nile Basin Initiative" hatten bislang wenig Erfolg beim Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen den Staaten an Ober- und Unterlauf.

Assuan-Staudamm in Ober-Ägypten (Foto: DPA)
Umstrittener Assuan-Staudamm in Ober-ÄgyptenBild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Wem gehören die Wasser des Himalaya?

In Asien wiederum zeichnet sich ein Streit um Wasser zwischen den beiden aufstrebenden Mächten Indien und China ab. Chinas Durst ist gewaltig. Zugleich entspringen einige der wichtigsten und größten Flüsse der Region in China - wie der Mekong oder der Brahmaputra.

Der Mekong bei Kampong Cham in Kambodscha (Foto: AP)
Noch fließt das Wasser des Mekong von China nach KambodschaBild: AP

China plant gewaltige Wasserbauprojekte, um Wasser aus dem Süden in den trockenen Norden zu leiten. Indien verdächtigt China in dem Zusammenhang, auch Wasser aus dem Himalaya abzuzweigen. Jagarnath Panda ist China-Experte am Institute of Defense Studies & Analysis in Neu Delhi. Der Deutschen Welle sagte Panda, dass Wasser sich zu einem Kernproblem zwischen Indien und China entwickelt habe: "Die Chinesen widersprechen zwar lautstark der These, sie wollten Wasser abzweigen. Aber wir wissen, dass sie sich mit Projekten zur Umleitung von Wasser beschäftigen".

Panda zufolge hat sich vor allem eines in den letzten Jahren gewandelt: "In beiden Ländern hat die Öffentlichkeit begonnen, über das Thema Wasser zu sprechen. Denn die Leute haben verstanden: Nicht die Grenzprobleme, nicht die Rolle Chinas oder Indiens auf regionaler oder globaler Ebene, sondern das Thema Wasser wird zum wichtigsten Problem der nächsten Jahre."

Zwar spielt das Thema Wasser bei vielen Konflikten eine Rolle - als eines von mehreren Elementen. Regelrechte Kriege um Wasser sieht der SWP-Experte von Lossow vorerst jedoch nicht voraus. Schon weil das militärstrategisch sehr schwierig wäre. Das beginnt bei ganz praktischen Überlegungen. "Denn wenn man einen Staudamm bombardiert, sitzt man unten in der Flutwelle." Dazu kommt: Wasser ist schwer und hat einen relativ geringen wirtschaftlichen Gegenwert. Ein Abtransport wie bei anderen, wertvollen Rohstoffen kommt daher nicht in Frage. Wasser ist eben - wie die Experten sagen - naturräumlich gebunden. Will man das Wasser, müsste man daher das gesamte Flusseinzugsgebiet besetzen, so der Berliner Politikwissenschaftler. Und das wäre auf Dauer einfach zu teuer.