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Neue Konquistadoren aus dem Reich der Mitte

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Florian Weigand
20. April 2015

China hofiert Pakistan mit einem Milliarden-Deal und baut damit seinen Einfluss bis an die Tore Arabiens aus. Islamabad könnte dabei in eine verhängnisvolle Abhängigkeit schlittern, meint Florian Weigand.

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Chinesischer Präsident Xi Jinping in Pakistan
Willkommenszeremonie für Chinas Präsident Xi Jinping am Montag in IslamabadBild: picture-alliance/Zumapress/Lan Hongguang

Ganz klar: Im Rennen um die Vormacht in Südasien hat China im Moment die Nase vorn. Während Delhi mit "Make in India" in Europa die Investoren umwirbt, legt Peking vor der Haustüre Indiens offensiv das Fundament für seine neue Wirtschaftshegemonie in Südasien.

Über 40 Milliarden Dollar nimmt das Reich der Mitte in die Hand, um eine "neue Seidenstraße" durch das Gebiet von Indiens Erzfeind Pakistan zu ziehen: einen Strang aus Straßen, Eisenbahnlinien und Stromtrassen quer durch das Karakorum mit den Achttausendern K2 und Nanga Parbat, weiter durch die Ebenen des Punjab und Sindh bis in die Wüsten von Belutschistan. Der Endpunkt ist Gwadar, der pakistanische Hafen am Golf von Oman - weit näher am internationalen Handels-Drehkreuz Dubai als jede indische Wirtschaftsmetropole. Es ist offensichtlich, wem mit diesem ambitionierten Unternehmen Konkurrenz gemacht werden soll.

Die Feindschaft Indiens und Pakistans für eigene Ziele ausnutzen

Peking nutzt dabei geschickt die regionale Psyche, um sein Ziel zu erreichen. Die Atommächte Pakistan und Indien sind seit der Gründung beider Staaten im Jahr 1947 tief verfeindet. Indien brilliert heute mit dem Bollywood-bunten Image der aufsteigenden Wirtschaftsmacht. Mit dem islamischen Staat Pakistan verbindet die Welt jedoch meist Negatives: Terrorismus, Islamismus und Blasphemie-Gesetze sind die Stereotypen der Berichterstattung. Dass in Indien religiös motivierte Gewalt, übersteigerter Nationalismus, Korruption und Gewalt gegen Frauen genauso zu Hause sind, sorgt zwar immer wieder für Schlagzeilen, wird aber genauso schnell wieder vergessen.

Was liegt also näher, als sich mit dem Underdog Pakistan zu verbünden, der - dankbar für die rare Wertschätzung - alle Türen für Investoren öffnet? Und Peking hat noch einen Trumpf im Ärmel: Sein Wirtschaftsrationalismus braucht keine Rücksicht auf Menschenrechte, faire Löhne und Arbeitsbedingungen nehmen, solange die Kasse stimmt. Westlichen Wirtschaftsinteressen sind dagegen Fesseln angelegt - andernfalls laufen die Investoren Gefahr, zu Hause am Pranger zu stehen.

Islamabad schätzt sich glücklich, einmal mit positiven Nachrichten auf sich aufmerksam zu machen, möchte sich als Wirtschaftmacht der Zukunft präsentieren. Dabei scheinen die Pakistani jedoch alle Warnzeichen zu ignorieren, die ihnen aus einer langen Kolonialerfahrung eigentlich bekannt sein müssten: Als im 16. Jahrhundert die ersten portugiesischen Karavellen vor den Küsten des Subkontinents aufkreuzten, nutzten auch die Konquistadoren lokale Feindschaften, um sich in bilateralen Verträgen Handelskonzessionen zu sichern. Später kamen Schutztruppen hinzu, um die neuen Niederlassungen zu verteidigen. Dieses Vorgehen kopierte später die britische Ostindien-Kompanie, aus der schließlich die Kronkolonie Indien hervorging.

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DW-Südasien-Experte Florian Weigand

Sich souveräne Staaten gefügig machen

Dass China in einer - vielleicht noch fernen - Zukunft territoriale Ansprüche an Pakistan stellen könnte, ist nun nicht zu befürchten und in der heutigen Welt der auch nicht mehr nötig. Enge wirtschaftliche Verflechtungen, am besten gepaart mit Sicherheitsgarantien für die Investitionen in ausgewählten Wirtschaftsenklaven, reichen vollkommen aus, Regierungen von Juniorpartnern gefügig zu machen. Dafür muss man nicht mehr die staatliche Integrität offen in Frage stellen.

Pakistan ist dabei nur der erste Abschnitt beim Bau eines Feuerrings um Indiens Wirtschaft. Auch in Bangladesch und in Sri Lanka loten chinesische Delegationen derzeit Möglichkeiten für Investitionen aus. Der Westen hat dem wenig entgegen zu setzen. Euro-Krise, die Ukraine und der Kampf gegen den Terror - Europa und die USA sind an vielen Fronten finanziell und politisch gebunden.

In Südasien kristallisiert sich derweil eine neue Ordnung heraus, die noch lange um die Schwerpunkte China und Indien kreisen wird. Das hat vielleicht auch etwas Gutes: Kommt wirklich neue Prosperität in die Region mit den vielfältigen Perspektiven für die Menschen vor Ort, könnte das dem Terror wirksamer den Boden entziehen als jeder Drohnenangriff der USA.