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Die Ukraine nicht sich selbst überlassen

Ingo Mannteufel22. Januar 2014

Die Lage in Kiew ist eskaliert. Erstmals seit Beginn der Proteste sind Demonstranten ums Leben gekommen. Die EU und Russland müssen nun gemeinsam Schlimmeres verhindern, meint Ingo Mannteufel.

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Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Mehrere getötete Demonstranten bei Straßenschlachten in Kiew sind der vorläufige traurige Höhepunkt in der seit Monaten andauernden Konfrontation zwischen Euromaidan-Aktivisten und den Sicherheitskräften von Präsident Janukowitsch. Der Straßenkampf ist nun in Kiew in vollem Gange.

Dass sich die Auseinandersetzung verschärft und sogar noch Schlimmeres möglich scheint, war seit Ende letzter Woche zu befürchten: Mit neuen repressiven Gesetzen, die das Demonstrationsrecht und andere Protestmaßnahmen erheblich einschränken, hat Präsident Janukowitsch klar auf eine Eskalation des Konflikts gesetzt.

Eskalationsstrategie von Janukowitsch

Anstatt mit den gemäßigten Oppositionsführern auf dem Euromaidan ernstgemeinte Verhandlungen in der Neujahrszeit zu führen, waren die überraschend eingebrachten Gesetze eine Kampfansage an die seit Monaten gegen Janukowitsch protestierenden Ukrainer. Die Folge war eine Spaltung der Anti-Janukowitsch-Bewegung: Oppositionsführern wie Vitali Klitschko warfen radikalere und zur Gewalt bereite Demonstranten eine verfehlte Strategie vor und riefen zur Gewalt gegen die ukrainische Staatsmacht auf.

Die Ukraine ist an den Rand eines Bürgerkriegs geraten. Das ist das Ergebnis der Radikalisierung der Demonstranten und der Eskalationsstrategie von Janukowitsch. Die Proteste hatten im November friedlich begonnen, nachdem Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht unterschrieben hatte.

Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Annäherung an Europa. Es geht inzwischen ganz grundsätzlich um den Fortbestand der Herrschaft von Janukowitsch, der mit den repressiven Gesetzen und dem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte seine mangelnde Demokratiefähigkeit unter Beweis gestellt hat. Ein Abwarten bis zu den regulären Präsidentenwahlen im Frühjahr 2015 ist daher keine Lösung für den aktuellen Konflikt.

EU und Russland müssen handeln

Eine Politik, die darauf setzt, die Ukraine sich selbst zu überlassen, ist äußert gefährlich. Janukowitsch und die Oppositionsführer, sofern sie überhaupt noch für alle Demonstranten sprechen können, ergehen sich in gegenseitige Schuldzuweisungen und dürften nur schwer ohne Einmischung von außen eine Lösung erreichen. Wenn also eine Ausweitung der Gewalt verhindert werden soll, in dessen Zuge die Ukraine in einen bürgerkriegsartigen Zustand schlittern könnte, dann müssen die EU und Russland nun gemeinsam Handeln.

Aufgrund der komplexen Interessenlage, der unklaren Zielvorstellung in der europäischen Ukraine-Politik und dem vor allem in Russland vorherrschenden Denken in außenpolitischen Nullsummenspielen ist dies kein leichtes Unterfangen. Das Beispiel Syrien hat in fürchterlicher Weise gezeigt, wohin es führen kann, wenn die internationale Staatengemeinschaft aufgrund von Differenzen untätig bleibt. Doch der Fall Syrien hat auch gerade deutlich gemacht, dass westlicher Druck - und die EU sollte endlich mit Sanktionen gegen das Regime Janukowitsch drohen - sowie eine pragmatische Politik mit Russland zu politischen Lösungen führen können.

Denn dass die Ukraine in einen bürgerkriegsartigen Zustand abrutscht, kann weder im Interesse Russlands noch im Interesse des Westens sein. An diesem Punkt müssen die diplomatischen Bemühungen der EU gegenüber Moskau jetzt ansetzen. Bei den Gesprächen über Syrien in Montreux und dem Treffen der globalen Elite im Schweizerischen Davos sollte es genügend Gelegenheiten geben, eine weitere Eskalation in der Ukraine zu verhindern.