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Klimaschutz im Kampf gegen die Zeit

5. März 2014

Den Klimakiller CO2 unter der Erde verbuddeln, anstatt ihn in die Luft zu blasen - das bezweckt eine Technik mit dem Kürzel CCS. Sie soll helfen, den Klimawandel zu stoppen. Doch kommt sie überhaupt noch rechtzeitig?

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Blick auf das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe in Spremberg (Foto: AP)
Die weltweit erste Pilotanlage für CCS-Technik steht in Spremberg (Brandenburg)Bild: AP

Ausgerechnet die schmutzigste aller Energieressourcen, nämlich Kohle, erlebt seit einigen Jahren weltweit einen ungeahnten Boom. Vor allem Schwellenländer wie China und Indien, aber selbst die USA setzen vehement auf Kohle zur Energieerzeugnung. China gewinnt 70 Prozent seiner Energie aus Kohle. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Quote bei etwa 43 Prozent.

Gefahr für den Klimaschutz

Ausgelöst wurde die Renaissance der Kohle durch die steigenden Öl- und Gaspreise. Die Umwandlung von Kohle in Benzin ist ein seit langem bekanntes Verfahren. Es lohnt sich betriebswirtschaftlich, sobald der Ölpreis über 60 Dollar liegt. Derzeit kostet ein Barrel etwa 75 Dollar. Zudem ist Kohle auf der Erde in viel größeren Mengen vorhanden als Öl. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover hat ausgerechnet, dass die weltweiten Steinkohlevorräte noch für 130 Jahre und die Reserven der Braunkohle für 230 Jahre reichen, wenn die Fördermengen so bleiben wie heute. Die Menschen werden also wohl noch lange Zeit Kohle nutzen.

Für das Weltklima ist das ist ein Horrorszenario. Denn beim Verfeuern von Kohle entsteht der Klimakiller CO2. Er ist zum überwiegenden Teil für die Erderwärmung zuständig.

Technischer Fortschritt

Schematische Darstellung der CO2-Speicherung (Grafik: Vattenfall)
So stellt der Stromversorger Vattenfall sich die CO2-Lagerung vorBild: Vattenfall

Fachleute wie Johannes Peter Gerling von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe befürworten deshalb einen schnellen Ausbau der CCS-Technologie als wirksamen Beitrag zum Klimaschutz. "Wir brauchen CCS als Brückentechnologie", sagt Gerling, "bis erneuerbare Energien weltweit so stark eingesetzt werden können, dass Kohle irgendwann verzichtbar wird." Die Abkürzung CCS steht für Carbon Dioxide Capture and Storage (Kohlendioxidabscheidung und -lagerung; auch CO2-Sequestrierung genannt). Die Technik besteht aus drei Komponenten: CO2-Abscheidung, -Transport und -Lagerung. Der größte Teil des CO2 soll tief im Erdreich oder unter dem Meeresboden gelagert werden.

Moderne Kohlekraftwerke sollen mit dieser Technik so bald wie möglich CO2 von anderen Abgasen trennen, das abgetrennte Treibhausgas verflüssigen, zu einem geeigneten Lagerungsort transportieren und tief in den Boden pressen. Dort soll das Gas schließlich bis in alle Ewigkeit gespeichert werden.

Kritik an CCS

Vom Idealfall ist die CCS-Technik freilich noch viele Jahre entfernt. Und es sind noch derart viele Hürden zu nehmen, dass Umweltschützer diese Technik scharf kritisieren. Greenpeace hat in einer Studie mit dem Titel "Falsche Hoffnung: Warum CO2-Abscheidung und -Lagerung das Klima nicht retten werden" mehrere Gründe zusammengetragen, die gegen die Technik sprechen:

  1. CCS kommt zu spät, um den gefährlichen Klimawandel aufzuhalten: Die Technik sei auf Kraftwerksebene nicht vor 2030 einsetzbar. Um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern, müssen die globalen Treibhausgasemissionen jedoch bereits ab 2015 sinken.
  2. CCS vergeudet Energie: Diese Technik verbrauche zwischen zehn und vierzig Prozent der im Kraftwerk erzeugten Energie. Damit sinke die Effizienz der ohnehin klimaschädlichen Kohlekraftwerke und der Ressourcenverbrauch erhöhe sich um ein Drittel.
  3. Die unterirdische Lagerung von Kohlenstoff ist riskant: Eine sichere und dauerhafte Lagerung von CO2 könne nicht garantiert werden.
  4. CCS ist teuer: Die Kraftwerkskosten könnten sich verdoppeln und die Strompreise um zwanzig bis neunzig Prozent steigen. Das Geld, das für CCS ausgegeben werde, stehe nachhaltigen Lösungen für den Klimawandel nicht mehr zu Verfügung.
  5. CCS birgt Risiken: Die Technik stelle eine Gefahr für Gesundheit, Ökosysteme und Klima dar. Wie groß diese Gefahren sein werden, sei unabsehbar.

Wettrennen gegen die Zeit

Gasbohrinsel Sleipner (Foto: Harald Pettersen / StatoilHydro)
Im Meeresboden unter dieser norwegischen Gasbohrinsel Sleipner A wird ein CO2-Lager gestestetBild: Harald Pettersen / StatoilHydro

Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und einer der Vorsitzenden im Weltklimarat (IPCC), kennt alle diese Bedenken. Er hält es aber für falsch, beim Klimaschutz verschiedene Optionen wie regenerative Energien und Effizienzsteigerungen gegen eine Technik wie CCS auszuspielen. Vielmehr müsse man für einen kraftvollen Klimaschutz alle verfügbaren Mittel nutzen. Da CCS eine vielversprechende Technik sei, müsse man umso schneller handeln. Es komme jetzt darauf an, durch Demonstrationsprojekte die technische Machbarkeit, die ökonomischen Vorteile und die ökologische Effektivität zu zeigen, um dadurch die soziale Akzeptanz zu steigern. Auch das Potential der sicheren Lagerstätten müsse abgeschätzt und die Haftungsfragen versicherungstechnisch geklärt werden.

Das sind große Aufgaben, meint Edenhofer, die in den nächsten zehn Jahren gelöst werden müssen. Sonst kommt CCS womöglich zu spät, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Autor: Martin Schrader
Redaktion: Ranty Islam