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Kein arabischer Frühling für Ägyptens Frauen

10. Februar 2012

Seite an Seite mit den Männern standen die Frauen auf dem Tahrir-Platz in Kairo und schrien nach Freiheit und Demokratie. Doch durch den Militärrat und islamische Kräfte droht sich ihre Situation zu verschlechtern.

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„Nieder, nieder mit dem Militärrat“ schreit eine Frau in Kairo (Foto: DW/V.Kleber)
Frauen waren von Anfang an mit dabeiBild: Viktoria Kleber

Pünktlichkeit ist Amani El Tunsi nicht so wichtig. Gegen acht, manchmal auch eine halbe Stunde später geht es los. Dann setzt sie sich zu Hause in ihrem Arbeitszimmer vor den Computer, nimmt das Mikrofon in die Hand und das Frauenradio "Banat Bas" – "Nur Mädels" geht on Air. Ihre Mission: Themen zur Sprache bringen, die ägyptische Frauen bewegen und sie auf ihre Rechte aufmerksam machen. "Ich will den Frauen mehr Selbstbewusstsein geben", sagt Amani El Tunsi, "und ihre Denkweise verändern." Vor drei Jahren hat Amani El Tunsi das Radio gegründet. Heute hat sie über fünf Millionen Internetzuhörerinnen weltweit, die meisten von ihnen stammen aus Ägypten.

Doch das ist keine leichte Aufgabe: Seit Beginn der Revolution vor gut einem Jahr hat sich die Situation der Frau in Ägypten verschlechtert – obwohl sie gemeinsam, Seite an Seite mit den Männern, auf dem Tahrir-Platz nach Freiheit schrien.

Von der Macht fern gehalten

Amani El-Tunsi, ägyptische Journalistin (Foto: DW/K.Erdmann)
Amani El Tunis kämpft mit ihrem Radiosender für die Rechte der FrauenBild: DW

Das Militär geht brutal gegen Frauen vor. Bereits kurz nach dem Sturz Mubaraks, wurden Demonstrantinnen Jungfrauentests unterzogen. Nur so könne man prüfen, ob es sich um sittliche Mädchen handele. Ende letzten Jahres schlugen dann eine Horde Soldaten eine Demonstrantin zu Boden. Sie droschen mit Knüppeln auf sie ein und zogen sie aus. Einer trat ihr mit dem Stiefel ins Gesicht, ein anderer sprang ihr auf die Brüste. Sie blieb leblos  und halbnackt auf dem Boden liegen. Die Bilder der jungen Frau mit dem blauen BH gingen um die Welt. Von ihr fehlt bis heute jede Spur.

Auch politisch versucht der Militärrat die Frauen von der Macht fernzuhalten. In der Übergangsregierung, die vom Militärrat ernannt wurde, sind lediglich drei der dreißig Kabinettsmitglieder weiblich. Das sind weniger als zu Mubaraks Zeiten. Damals gab es eine Zwölfprozent-Frauenquote. Aber selbst die hat der Militärrat abgeschafft. Die Parteien, die zur Wahl im November 2011 angetreten waren, mussten lediglich eine Frau auf ihre Kandidatenliste setzen. Meist traten sie auf den Listen ganz hinten auf, manchmal sogar ohne Bild – wie bei der salafistischen "Partei des Lichts".

"Frauen an den Herd"

98 Prozent der Abgeordneten im neu gewählten Parlament sind Männer, nur zwei Prozent Frauen. Das sei kein Problem, mein Dina Zakaria, Mitglied in der "Freiheit- und Gerechtigkeitspartei" der Muslimbrüder, die die größte Fraktion im Parlament stellt. Auch Männer könnten im Parlament für die Belange von Frauen eintreten. Sogar noch viel besser, denn die Stärke der Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft läge woanders. "Die Frau sollte ihren Mann unterstützen, die Kinder groß ziehen und anderen Menschen helfen“, sagt Dina Zakaria. "Das kann sie viel besser als ein Mann." Das Bild der Frau als Mutter und Hausfrau propagieren Muslimbruderschaft und Salafisten  - mit großem Erfolg.



Zwar beteuert Dina Zakaria, dass sich die Muslimbruderschaft um Frauenangelegenheiten in Ägypten kümmert, im Parteiprogramm der Freiheit- und Gerechtigkeitspartei werden Frauen aber mit keinem Wort erwähnt. Und auch im Parlament gibt es keinen Ausschuss, der sich explizit um Angelegenheiten der Frauen kümmert. Sollte sich das Parlament überhaupt mit Frauen-Themen beschäftigen, geschieht das im Familienausschuss.

Eine Frau wird vom Militär in Kairo getreten und ausgezogen, sie liegt auf dem Boden (Foto: Reuters)
Sie wurde zum Symbol des weiblichen Widerstands - die Frau im blauen BHBild: Reuters

Das Bild der Frau als Mutter und Hausfrau propagieren Muslimbruderschaft und Salafisten  - mit großem Erfolg. Im Parlament wollen sie nun das "Personal Status Law", das Personenstandsgesetz rückgängig machen, für das so viele Frauen jahrelang gekämpft haben. Danach wäre es Frauen gar nicht mehr möglich, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Nur der Mann hätte das Recht dazuu. Zudem dürfte eine Mutter nach der Scheidung ihre Kinder nur bis zum neunten Lebensjahr großziehen. Danach könnte ein Vater der Mutter die Kinder wegnehmen. Bislang liegt dieses Alter in Ägypten bei 15 Jahren.

Verbreitetes Rollenbild der Frau

Doch es sind auch andere Ideen der Salafisten, die in Ägypten diskutiert werden. So wollen einige von ihnen Frauen bereits mit 55 Jahren in Ruhestand schicken. Die Arbeitsplätze könnten mit jungen Männern besetzt werden. So will die salafistische "Partei des Licht" die Jugendarbeitslosigkeit drücken.

Doch nicht nur die streng Religiösen sehen die Frau gerne als Hausfrau und Mutter, weiß Iman Bibars, Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation „Entwicklung und Förderung für Frauen“. "Die meisten Männer in Ägypten, egal ob sie religiös sind der nicht, respektieren die Fähigkeiten der Frauen nicht." Sie befürchtet, dass die Situation der Frauen noch schlimmer wird.

Weiter für die Rechte kämpfen

Denn es waren vor allem die Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich in Ägypten während der Mubarak-Ära für Frauenrechte stark machten. Viele dieser NGOs dürfen derzeit nicht mehr arbeiten. Der Militärrat hat ihnen die Erlaubnis entzogen. Sie würden mit ausländischen Geldern arbeiten, so der Vorwurf.

Seitdem die Salafisten in Ägypten populär sind, haben sie auch mehr Einfluss auf die Medien. Abend für Abend propagieren sie, dass die Frau für das Haus geboren sei. Und diese Thesen kommen bei einigen Ägyptern gut an. Amani El Tunsi lässt sich nicht entmutigen. "Wir haben einen sehr schwierigen Weg vor uns, doch wir werden nicht aufgeben", sagt sie. Ihr Kampf geht weiter, jeden Morgen um acht und manchmal auch ein bisschen später.  Damit sich mehr Frauen in Ägypten ihrer Rechte bewusst werden.

Autorin: Viktoria Kleber
Redaktion: Diana Hodali