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Indisches Schwulengesetz wieder in Kraft

Murali Krishnan12. Dezember 2013

Indiens Verfassungsgericht hat ein Urteil gekippt, das ein altes Gesetz über homosexuellen Geschlechtsverkehr für ungültig erklärt hatte. Die Betroffenen in Indien wollen ihren Kampf für Gleichberechtigung fortführen.

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Protest gegen Aufhebung der Legalisierung von Homosexualität in Indien (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Vor vier Jahren führten die Homosexuellen-Aktivistin Deepti Shah und ihre Freunde einen Freudentanz vor dem Gebäude des High Court von Delhi auf, dem obersten Gericht des Unionsterritoriums Delhi. Die Richter hatten in einem Urteil ein noch aus der britischen Kolonialzeit stammendes Gesetz - den Abschnitt 377 - für ungültig erklärt: In jenem Gesetz stand "widernatürlicher Geschlechtsverkehr" unter Strafe, mit der Androhung von bis zu zehn Jahren Haft.

Die damalige Aufbruchsstimmung hat sich am vergangenen Mittwoch (11.12.2013) abrupt ins Gegenteil verkehrt. Deepti Shah und hunderte andere Gleichgesinnte hatten geduldig in der winterlichen Morgenkühle vor dem höchsten indischen Gericht (Supreme Court) in Neu Delhi ausgeharrt. Drinnen wurde das letztinstanzliches Urteil über jene Entscheidung des High Court gesprochen. Und dieses neue Urteil fiel für die Befürworter der Gleichberechtigung von Homosexuellen niederschmetternd aus: Das alte Gesetz aus der Kolonialzeit ist nach dem Urteil der Verfassungsrichter weiterhin in Kraft. Allein das Parlament könne das Gesetz annullieren - der High Court habe mit seinem Urteil von vier Jahren seine Kompetenzen überschritten, so die Richter.

Ein Schritt zurück ins Mittelalter

"Diese Entscheidung wird dazu führen, dass lesbische, schwule, bi- und transsexuelle (LGBT) Menschen leichter zum Opfer von Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung werden", sagte Aktivistin Shaleen gegenüber der Deutschen Welle. "Es ist ein Schlag nicht nur gegen unsere Rechte, sondern gegen die Menschenrechte."

Protest gegen Aufhebung der Legalisierung von Homosexualität in Indien (Foto: Reuters)
Aktivisten wollen das Urteil nicht hinnehmenBild: Reuters

Ganz anders die Reaktion von Zafaryab Jilani, Mitglied des "All India Muslim Personal Law Board": "Durch dieses Urteil ist das kulturelle Erbe des Landes geschützt worden", sagte Jilani der DW. Der 1973 gegründete "Muslim Personal Law Board" überwacht die Anwendung des islamischen Rechts in Familien- und anderen Angelegenheiten bei indischen Muslimen.

Für die LGBT-Bewegung Indiens ist der vergangene Mittwoch ein schwarzer Tag: "Das ist eine der reaktionärsten Gerichtsentscheidungen der vergangenen Jahre. Indien geht damit zurück in Richtung Mittelalter", kommentiert der prominente indische Aktivist Ashok Row Kavi gegenüber der DW. Am schlimmsten sei die damit verbundene Stigmatisierung der Gruppe der Homosexuellen in Indien, die Kavi auf rund 33 Millionen schätzt.

Im Parlament stapeln sich die Akten

Dass das Verfassungsgericht den Ball im Grunde zurück ins Parlament gespielt hat, ist für die Befürworter der sexuellen Gleichberechtigung kein Grund zum Optimismus - im Gegenteil: "Als der High Court einvernehmlichen homosexuellen Geschlechtsverkehr legalisierte, gab das der jungen indischen Schwulenbewegung Auftrieb", sagte Transsexuellen-Aktivist Lakshmi Narayan Tripathi der DW. "Dass das Parlament jetzt in dieser Sache die Initiative ergreift, ist sehr unwahrscheinlich. Man braucht sich nur die Masse an Gesetzesvorhaben anzusehen, die noch abgearbeitet werden müssen."

Queer Pride-Parade in Bangalore Dezember 2012 (Foto: AFP/Getty Images)
Queer Pride-Parade in Bangalore Dezember 2012Bild: Manjunath Kiran/AFP/Getty Images

Nach ihrem juristischen Sieg 2009 fühlte sich die indische Lesben- und Schwulenbewegung gestärkt, Gay-Pride-Veranstaltungen schossen aus dem Boden, ebenso wie Szene-Restaurants und Filmfestivals. Die Aktivisten für die sexuelle Gleichberechtigung wollen nicht einfach hinnehmen, dass diese ersten Erfolge im Kampf um gesellschaftliche Akzeptanz und Bewusstseinsänderung wieder zunichte gemacht werden.

Die Naz-Stiftung in Neu Delhi, die sich für die Rechte Homosexueller einsetzt, will deshalb ihren Kampf innerhalb und außerhalb der Gerichtssäle weiterführen. Sie hatte bereits 2001 die Annullierung jenes berüchtigten Abschnitts 377 des indischen Strafgesetzbuchs beantragt. "Wir werden das neue Urteil auf dem Wege einer 'review petition' anfechten", kündigte Shashi Bhushan von der Naz-Stiftung gegenüber der DW an. "Es wird ein langer Kampf werden, aber wir sind alle dabei und werden nicht aufgeben."