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Klimaschutz in Indien

10. November 2010

Indien ist neben China die am stärksten aufstrebende Wirtschaftsmacht Asiens. Das hat gravierende Folgen für die Umwelt. Doch die Inder tun auch viel für den Klimaschutz – mitunter sogar mehr als manches Industrieland.

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Dorfbewohner von Bhubanaeswar, Indien, schützen sich nach dem Zyklon Aila gegen Regen (Archivfoto: ap)
Dorfbewohner von Bhubanaeswar, Indien, schützen sich nach dem Zyklon "Aila" gegen RegenBild: AP

Im Mai 2009 fegte der Zyklon "Aila" über das Ganges-Delta. Meterhohe Flutwellen überspülten viele Inseln, zerstörten Häuser und Ackerland, dreihundert Menschen starben, 200.000 mussten ihre Heimat verlassen – Klimaflüchtlinge. Zwar sind im größten Flussdelta der Welt Tropenstürme keine Seltenheit. Doch dieser Zyklon überraschte die Menschen, weil er in einem Monat kam, in dem es dort niemals zuvor einen derartigen Sturm gegeben hatte.

Spätestens "Aila" machte deutlich, warum das Ganges-Delta ein Brennpunkt des Klimawandels in Asien ist – dort ist längst Realität, was in vielen Ländern Europas und Nordamerikas noch ein Konferenzthema ist: Extreme Wetterereignisse wie Sturmfluten, Dürren und Überschwemmungen nehmen in Indien seit Jahren messbar zu.

Familien auf Booten (Quelle: Tom-Felix Jöhnk)
Klimafüchtlinge: "Aila" zerstörte die Häuser vieler Familien, die deshalb in andere Regionen flohenBild: DW

Verheerende Folgen absehbar

Nach Einschätzung von Fachleuten könnte der Klimawandel für Indien erschreckende Folgen haben. Bis zum Jahr 2080 werde der Ernteertrag der Inder aufgrund der Erderwärmung um mehr als zwei Drittel sinken, hat der US-Volkswirt William Cline vom Peterson-Institut für Internationale Ökonomie in Washington berechnet. Keiner anderen Region der Erde drohe auch nur annähernd so großer Schaden, schreibt er auf den Internetseiten des Instituts (s. Linkliste am Ende des Artikels).

Dabei tragen die Inder an der Erderwärmung vergleichsweise wenig Schuld. Die Klimabilanz des siebtgrößten Landes der Erde mit seiner Einwohnerzahl von über einer Milliarde Menschen ist gemessen an den Klimagasemissionen der USA oder Chinas gut. Das liegt freilich auch an der immer noch weit verbreiteten Armut in Indien. Umweltminister Jairam Ramesh zog einmal diesen Vergleich: "Unsere Klimagasemissionen sind Überlebensemissionen. Die Emissionen der USA hingegen sind Luxusemissionen."

Greenpeace: "Glaubwürdiges Schwellenland"

Dennoch haben auch die Inder längst erkannt: Sie müssen mithelfen beim Kampf gegen den Klimawandel, wenn sie ihm nicht zum Opfer fallen wollen. Besonders aktiv sind sie auf dem Feld der Erneuerbaren Energien, sagt Martin Kaiser, der Leiter für Internationale Klimapolitik bei Greenpeace Deutschland. Indien habe früh eingesehen, dass dies ein riesiger Wachstumsmarkt für die eigene Wirtschaft sei, und sei rechtzeitig auf diesen Zug aufgesprungen. "Das ist sehr gut", meint Kaiser, "denn grade wenn ein Schwellenland in diese Technologien investiert und zu ihrer verbreiteten Nutzung beiträgt, ist das um ein Vielfaches glaubwürdiger, als wenn die bekannten großen Industrieländer damit Geld verdienen wollen. Insofern ist es ein Vorzeigeland für andere Entwicklungsländer, die diesen Pfad dann hoffentlich bald beschreiten."

Bau einer Windkraftanlage in Indien (Foto: ++++GTZ / Jörg Böthling++++2005)
Bau einer Windkraftanlage in IndienBild: GTZ / Jörg Böthling

Indien besitzt heute schon Windenergiekapazitäten von etwa 1700 Megawatt. Damit ist das Land der fünftgrößte Windstromerzeuger auf der Welt. Fachleute schätzen, dass im Jahr 2030 etwa fünfzehn Prozent des indischen Energiebedarfs durch Windkraft gedeckt werden.

Beim Energieverbrauch in großen Industriebetrieben bemüht das Land sich, Fehler der Industrieländer zu vermeiden. Große Unternehmen sind in Indien gesetzlich verpflichtet so genannte Energiemanager zu beschäftigen. Diese sollen in den Unternehmen des wirtschaftlich stark aufstrebenden Landes Schwachstellen bei der Energieeffizienz aufdecken und helfen, diese zu beseitigen. Die Energiemanager berichten auch den indischen Aufsichtsbehörden über die Energiebilanzen ihrer Unternehmen.

Millionenfach genutzt: Mini-Solaranlagen

Auch auf den Inseln im Ganges-Delta, die zu den Sunderbans gehören und vom Zyklon "Aila" so verheerend getroffen wurden, tragen viele der zumeist in Armut lebenden Menschen ihren Teil zum Kampf gegen die Erderwärmung bei - sie nutzen Solarstrom. Diesen gewinnen sie mithilfe von Mini-Solaranlagen. Deren Kapazität reicht zwar meist nur für einige Energiesparlampen und ein Radio- oder Fernsehgerät. Doch die Masse macht hier den Unterschied: Nach Angaben des indischen Solaranlagen-Bauers Geetanjali Solar Enterprise verfügt die Hälfe der 4,5 Millionen Einwohner der Sunderbans bereits über eine dieser Mini-Solaranlagen. Das ist weit mehr als in den großen Städten Europas oder der USA, wo der Klimawandel das tägliche Überleben der Menschen (noch) nicht so stark belastet wie im Ganges-Delta.

Autor: Martin Schrader

Redaktion: Ranty Islam