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Gegen die Scharia

8. Februar 2008

Mit seinem Vorstoß zur Einführung der Scharia hat der britische Erzbischof einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, ist entsetzt.

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Bischof Wolfgang Huber zu Besuch bei der Deutschen Welle
Bischof Wolfgang Huber zu Besuch bei der Deutschen WelleBild: DW

Vor Journalisten der Deutschen Welle in Bonn übte Huber am Freitag (08.02.2008) scharfe Kritik am Vorstoß des britischen Erzbischofs Rowan Williams, Teile des islamischen Rechts für britische Muslime einzuführen. "Es ist ein falscher Ansatz, von einem doppelten Recht auszugehen und sich davon Integration zu erhoffen", sagt der EKD-Ratsvorsitzende in einem Interview der Deutschen Welle.

"Toleranz ist nicht Beliebigkeit"

Man müsse die Frage stellen, inwieweit kulturelle Besonderheiten innerhalb des Rechtssystems einen legitimen Ort haben können, erklärte Huber. "Aber man muss gerade darauf aus sein, dass es in einem Land ein Recht gibt.“ Die Unterscheidung von Religion und Recht müsse erhalten bleiben.

Bei seinem Besuch im Funkhaus Bonn der Deutschen Welle sprach sich Huber für einen Dialog der Religionen aus, der von Respekt und Klarheit geprägt ist: "Toleranz ist nicht Beliebigkeit. Gute Nachbarschaft und Klarheit in den eigenen Positionen müssen sich miteinander verbinden. Das heißt, man muss wirklich versuchen, den anderen zu verstehen, aber dabei selber auch klare Grundsätze haben."

Heftige Kritik von Politikern

Indes ist das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, Erzbischof Rowan Williams, mit seinem Vorstoß zur Einführung der Scharia in Großbritannien auch bei Politikern auf heftige Kritik gestoßen. Nach Premierminister Gordon Brown lehnte nun auch Innenminister David Blunkett den Vorschlag ab: Ein solcher Schritt wäre eine Katastrophe für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Kulturminister Andy Burnham erklärte, eine solche Entwicklung würde zu einem "sozialen Chaos" führen. "Die Mehrheit der Muslime in Großbritannien will das nicht", sagte die Regierungsberaterin für Angelegenheiten muslimischer Frauen, Shaista Gohir.

Dagegen begrüßten britische Muslime die Äußerungen des Erzbischofs. Die Anwendung der Scharia könne die Spannungen in der britischen Gesellschaft verringern, erklärte der Direktor der Ramadhan-Stiftung, Mohammed Shafiq. Er betonte, es gehe dabei nicht um das Strafrecht, sondern lediglich um das Zivilrecht. In Teilen Kanadas werde die Scharia bereits angewendet.

"Unvermeidlich", aber nicht "unmenschlich"?

Rowan Williams hatte es am Donnerstag in einem Interview der BBC als "unvermeidlich" bezeichnet, dass Elemente der Scharia im britischen Zivilrecht anerkannt werden. Durch eine "konstruktive Adaption" von Scharia-Elementen könnten zum Beispiel muslimischen Frauen westliche Ehescheidungsregeln erspart werden.

Dabei gehe es natürlich nicht darum, "Unmenschlichkeiten" der Gesetzespraxis in einigen islamischen Ländern in den Westen zu übertragen. Williams verwies darauf, dass orthodoxe Juden in Großbritannien ihre Streitigkeiten bereits mit Hilfe des traditionellen jüdischen Rechtes lösen könnten. In Großbritannien leben etwa 1,6 Millionen Muslime. Die meisten von ihnen stammen aus der früheren Kolonie Pakistan. (ag)