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Versöhnung in Südafrika?

Daniel Pelz, zzt. Pretoria13. Dezember 2013

Schwarze und weiße Südafrikaner trauern gemeinsam um Nelson Mandela. Viele Bürger hoffen, dass das gespaltene Land dadurch vereint wird. Aber die große soziale Ungleichheit macht vielen Menschen Sorgen.

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Ein weißer Mann weint um Nelson Mandela, davor eine schwarze Frau
Bild: Reuters

Deon Vermaak ist etwas erschöpft. Am frühen Morgen war der 34-jährige Lehrer aus Südafrikas Hauptstadt Pretoria aufgebrochen, um Nelson Mandela seine letzte Ehre zu erweisen. Nach stundenlangem Anstehen in der Schlange sitzt er jetzt auf der Terrasse eines Restaurants im Brooklyn Einkaufszentrum, ganz in der Nähe der Union Buildings, wo Mandelas Leichnam aufgebahrt ist.

"Wenn mein Vater wüsste, dass ich heute bei Mandela war - er wäre wohl alles andere als begeistert", sagt Deon Vermaak. Dem Vater ist die Regierung der Mandela-Partei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) nicht geheuer. "Er gehört zu einer anderen Generation. Egal, wo sie waren: Überall wurde ihnen das Gehirn gewaschen, dass die Schwarzen nichts taugen. Wenn sie zur Kirche gingen, in der Schule oder wenn sie ihren Armeedienst ableisteten, immer das gleiche Lied." Er sieht sich selber als Vertreter eines neuen Südafrika, in dem alle Bürger friedlich zusammenleben.

Blick auf eine Wiese vor den Union Buildings mit langen Menschenschlangen
Am letzten Tag der Aufbahrung standen schon am frühen Morgen 50.000 Menschen in der SchlangeBild: Reuters

"Die Einheit ist wunderbar"

Die Stunden in der Warteschlange unter der prallen Sonne waren anstrengend - aber auch beeindruckend. "Die Einheit zwischen den Menschen ist wunderbar", findet Vermaak. Dabei entdeckte er manche Gemeinsamkeiten. Ein Beispiel waren die Meinungen über Julius Malema, einen der wohl radikalsten Politiker Südafrikas.

Schon als Chef der Jugendorganisation der Regierungspartei ANC machte Malema regelmäßig Schlagzeilen: Er befürwortete die Zwangsenteignung weißer Landbesitzer, nannte Simbabwes Staatschef Robert Mugabe einen Visionär und sang öffentlich ein Lied, dass zur Ermordung der Buren aufrief. 2012 schmiss ihn der ANC aus der Partei - darauf gründete er die Wirtschaftliche Freiheitspartei EFF.

Gemeinsame Sorgen

Für viele weißen Südafrikaner ist Malema daher ein rotes Tuch. In der Schlange lernte Deon Vermaak, dass auch schwarze Südafrikaner Vorbehalte gegen den Politiker haben. "Viele Menschen machen sich Sorgen wegen Julius Malema, nur wenige unterstützen ihn. Die Menschen wissen, dass man die Herausforderungen Südafrikas nicht mit militanten Methoden lösen kann ", berichtet Vermaak über die Gespräche in der Warteschlange.

Deon Vermaak (r.) mit einem Freund in einem Café in Pretoria
Deon Vermaak (r.) mit einem Freund in einem Café in PretoriaBild: DW/D. Pelz

In der Trauer um Nelson Mandela finden schwarze und weiße Südafrikaner zusammen. Das sieht man auch in den Zeitungen. In ihrer Donnerstagsausgabe druckte die Tageszeitung "The Star" das Foto eines schwarzen Soldaten, der eine weinende weiße Frau in den Armen hält. Sie hatte gerade den Leichnam Nelson Mandelas gesehen.

Immer noch Trennung nach Hautfarbe

Solche Szenen sind nicht selbstverständlich, wie ein Blick ins Brooklyn-Einkaufszentrum zeigt: Zur Mittagszeit sind die Cafés und Restaurants gut gefüllt. Aber es gibt kaum Tische, an denen weiße und schwarze Südafrikaner gemeinsam sitzen. Die große Mehrheit sitzt nur mit Südafrikanern gleicher Hautfarbe am Tisch.

Trotzdem: Mandipha Gumani erlebt jeden Tag, dass sich die Grenzen zwischen schwarzen und weißen Südafrikanern langsam aufheben. "Ich bin die einzige schwarze Mitarbeiterin in meinem Laden", sagt die 25-jährige Verkäuferin. "Alle anderen sind weiß. Aber wir kommen gut miteinander aus."

Sie sitzt nur einige Tische von Deon Vermaak entfernt und wartet auf ihr Mittagessen. Dass die Trauer um Mandela die Menschen so sehr zusammenbringt, hatte aber auch sie nicht erwartet. "Ich hätte nie gedacht, dass weiße und schwarze Südafrikaner so sehr gemeinsam um Mandela trauern werden", sagt sie. "Jetzt sehen wir, wie vielen Menschen in unserem Land er etwas bedeutet hat."

Ein gespaltenes Land

Um die Zukunft Südafrikas macht sich die junge Verkäuferin trotzdem Gedanken. Das Land ist wirtschaftlich und sozial tief gespalten. Fast ein Viertel der Bevölkerung lebt nach Angaben der Weltbank unter der Armutsgrenze. Auch 19 Jahre nach dem Ende der Apartheid hat ein weißer Haushalt im Durchschnitt ein sechsmal höheres Einkommen als ein schwarzer. Die Hälfte aller Kinder lebt in Armut. Fast 50 Prozent der Ressourcen im Land gehören den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung.

Mandipha Gumani (l.) mit einer Freundin in einem Cafe in Pretoria
Mandipha Gumani (l.) mit einer Freundin in einem Café in PretoriaBild: DW/D. Pelz

Die Armut im Land ist ein Nährboden für Populisten - wie den EFF-Chef Julius Malema. Der predigt radikale Umverteilung und will so bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2014 Stimmen gewinnen. Die junge Verkäuferin Gumani beunruhigt diese Politik. "Ich hoffe, dass es keine Kämpfe gibt. Ich traue weder dem ANC noch der EFF", sagt sie.

Bildung und mehr Jobs für schwarze Südafrikaner

Ihr Tischnachbar Tjatji Nkoane glaubt angesichts der sozialen Spaltung, dass es einiges zu tun gibt, bis Südafrika wirklich ein geeintes Land wird. "Nelson Mandela hat seinen Teil getan - jetzt sind andere an der Reihe, unser Land zu verbessern", sagt der 21-jährige Universitätsangestellte. Kurz blickt er zu seiner vierjährigen Schwester herüber, die mit den kleinen Zuckertüten auf dem Tisch spielt.

Anpacken soll nun die Regierung von Staatspräsident Jacob Zuma. Bis jetzt ist der Staatschef aber eher mit populistischen Parolen und einem Skandal um die Verwendung öffentlicher Gelder für den Ausbau seines Privathauses aufgefallen. Nkoane will, dass die Prioritäten anders gesetzt werden.

"Das Black Economic Empowerment Programm muss ausgebaut werden”, sagt er. Das Programm soll dafür sorgen, dass mehr schwarze Südafrikaner Stellen in der öffentlichen Verwaltung und in den Vorständen von Unternehmen bekommen. Seine zweite große Sorge: "Sie müssen dringend unser Bildungssystem verbessern, damit mehr junge Menschen Arbeit finden", sagt Nkoane und schaut noch mal auf seine kleine Schwester.