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Heilmann: "Wirtschaft gibt Politikempfehlungen"

Matthias von Hein 6. Juli 2014

Am deutsch-chinesischen Dialogforum mit Kanzlerin Merkel nimmt auch Sebastian Heilmann teil. Der Merics-Direktor sprach mit der Deutschen Welle über seine Erwartungen an Merkels China-Reise.

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Sebastian Heilmann (Foto: Merics)
Bild: MERICS/Marco Urban

Deutsche Welle: Wir haben einen sehr regen deutsch-chinesischen Besucheraustausch. Chinas Staatspräsident Xi Jinping war im März in Deutschland. Anschließend waren Wirtschaftsminister Gabriel und Außenminister Steinmeier in Peking. Im Herbst kommt fast das gesamte chinesische Kabinett zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen nach Berlin. Warum muss dann die Bundeskanzlerin jetzt drei Tage nach China reisen?

Heilmann: Es geht darum, die Dynamik in diesen deutsch-chinesischen Beziehungen aufrecht zu erhalten. Wir haben eine ganze Serie von bilateralen Treffen, das ist völlig richtig. Und die laufen zu auf die Regierungskonsultationen im Oktober, wo dann sehr viele, konkrete Vereinbarungen von Technologie über Bildung bis hin auch zu Kulturprogrammen verabschiedet werden sollen. Dafür braucht man natürlich die Unterstützung der höchsten Ebene. Das kann nicht auf der Arbeitsebene allein ausgehandelt werden. In sofern ist es sehr wichtig, für diese aus deutscher Sicht inzwischen elementaren Beziehungen zu China die Dynamik zu garantieren, indem die Regierungschefin nach China fährt.

Was werden denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen dieses Besuchs sein?

Heilmann: Zu den wichtigsten Themen gehört immer das deutsche Wirtschaftsengagement in China. Ganz konkret zum Beispiel wird es um die sogenannte Innovationspartnerschaft für das Jahr 2015 gehen. Ansonsten gibt es natürlich noch eine ganze Reihe von andern Themen, wo es um Marktzugang geht, wo es um die Internationalisierung der chinesischen Währung geht.

Dass die deutsch-chinesischen Beziehungen vor allem Wirtschaftsbeziehungen sind, wird ja auch noch dadurch unterstrichen, dass bei diesem Besuch erstmals das neue Deutsch-Chinesische Wirtschaftsgremium tagen wird. Was haben wir davon zu erwarten?

Heilmann: Dieses Gremium dient dazu, dass deutsche und chinesische Unternehmen sich zusammensetzen und Probleme identifizieren und dann, ganz wichtig, Empfehlungen abgeben für die Politik. Das heißt: Es wird konkrete Politikempfehlungen geben und die müssen dann von den Regierungen abgearbeitet werden.

Sich ergänzende Volkswirtschaften

Bleiben wir bei der Wirtschaft. Worin liegt denn das enorme Wachstum der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen begründet?

Heilmann: Deutschland liefert Produkte, die China braucht. Das sind in jeder Form Maschinen, sowie Spezialchemie und Elektronik für die Industrialisierung Chinas. Das ist ein traditionelles Geschäftsfeld, was aber sehr erfolgreich war in den letzten zehn Jahren. Auf der anderen Seite liefert China viele Konsumgüter zu sehr günstigen Preisen, die in Deutschland stark nachgefragt sind.

Schauen wir auf die Investitionen: Die alte Einbahnstraße, dass deutsche Unternehmen in China investieren, umgekehrt aber wenig passiert, gibt es nicht mehr. Verstärkt sind chinesische Firmen heute international aktiv und investieren weltweit. Was für eine Rolle werden denn die wachsenden chinesischen Investitionen im Ausland - und der entstehende Wettbewerb darum - bei den Gesprächen von Kanzlerin Merkel in Peking spielen?

Heilmann: In den nächsten Jahren müssen wir innerhalb der Europäischen Union damit rechnen, dass sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Regierungen und Ökonomien um chinesische Investitionen verschärfen wird. Das bezieht sich auf die großen Brocken, etwa die Infrastrukturinvestitionen, wo China schon sehr aktiv ist in einigen Ländern, noch weniger in Deutschland bis jetzt. Das bezieht sich auch auf die Akquisition von Unternehmen mit Hochtechnologie. Das ist etwas, das wir im Bereich des Mittelstands bereits erlebt haben in den letzten Jahren. Wir müssen damit rechnen, dass innerhalb der Europäischen Union viele Regierungen eigene Programme fahren werden gegenüber chinesischen Investoren. Insgesamt rechne ich mit einer sich verschärfenden Konkurrenz der Europäer untereinander. Die wird sich noch verschärfen, je stärker auch in Europa die chinesischen Auslandsinvestitionen wachsen werden.

Kommen wir zur internationalen Politik: Es gibt ja eine Reihe von Themen, von denen man annehmen kann, dass sie angesprochen werden. Nehmen wir etwa die Streitigkeiten im Südchinesischen Meer oder die Ukraine-Krise.

Deutsche Mittlerposition

Diese sicherheitspolitischen Themen sind ja nicht neu zwischen Deutschland und China. Früher haben sie aber nicht so eine große Rolle gespielt. Jetzt sind sie plötzlich ganz wichtig. Das ist natürlich einer Veränderung der Gesamtkonstellation der internationalen Politik geschuldet, wo eben der Konflikt mit Russland im Vordergrund steht oder auch die zunehmende Rivalität zwischen China und den USA im asiatisch-pazifischen Raum.

Deutschland hat da die Rolle eines Mittlers, einer vermittelnden Macht. Deutschland hat vielleicht die die Chance darauf hinzuwirken, dass es zu einer Mäßigung kommt, zu Verhandlungslösungen kommt und auch zu Lösungen auf der Basis des Völkerrechts, insbesondere in den Seerechtsstreitigkeiten. Insofern hat Deutschland an der Stelle eine besondere Verantwortung. Denn es hat vielleicht die Chance, auf Peking einzuwirken, weil es selbst nicht Partei ist in diesen Konflikten. Das heißt, diese Neutralität ermöglicht eine Vermittlerrolle, die in Asien geschätzt wird.

Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass Frau Merkel Xi Jinping oder Li Keqiang dazu bewegen kann, in der Ukrainekrise mäßigend auf Wladimir Putin einzuwirken?

Heilmann: China verfolgt wirklich sehr konsequent die eigenen Interessen in dieser internationalen Politik. China gewinnt im Moment an Spielraum durch diese besondere Lage in der Ukraine und im Zusammenhang mit Russland. Und China betreibt da aus meiner Sicht eine raffinierte Schaukelpolitik, die es erlaubt, Spielräume gegenüber allen Parteien zu gewinnen. Aber den Einfluss Chinas auf Putin in der Ukrainekrise würde ich nicht überschätzen. Vor allem erwarte ich nicht, dass China jetzt aktiv sozusagen auf Putin zugeht und eine Änderung der russischen Politik in der Ukraine fordert: Vielmehr geht es China darum, dass es nicht zu großen Konflikten kommt, die das internationale System destabilisieren und Chinas Expansion in wirtschaftlicher Hinsicht stören könnten.

Professor Dr. Sebastian Heilmann ist der Direktor des Mercator Institute for China Studies in Berlin.