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Zwei Welten im Kosovo

Vilma Filaj-Ballvora1. Februar 2013

Seit Ende des Krieges vor 13 Jahren sorgt die NATO-Truppe KFOR für die Sicherheit im Kosovo. Die Sicherheitslage hat sich verbessert, doch es gibt weiterhin Konfliktpotenzial, erklärt KFOR-Kommandeur Halbauer.

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Ansicht einer belebten Straße in Pristina (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: In den letzten Tagen ist es wieder zu Zwischenfällen im Kosovo gekommen - zum Beispiel wurden Grabstätten serbischer Bürger beschädigt. Das ist als Reaktion im Zusammenhang mit den Spannungen im Presevo-Tal in Südserbien zu sehen, wo ein Denkmal der dortigen albanischen Minderheit von der serbischen Regierung entfernt wurde. Wie bewerten Sie diese Zwischenfälle?

Volker Halbauer: Diese Ereignisse machen mich sehr nachdenklich, weil sie zeigen, dass nach wie vor ein hohes Potenzial für Konflikte im Kosovo besteht. Solche Entwicklungen sind natürlich eine Gefahr für die Sicherheit. Deswegen möchte ich an alle appellieren, insbesondere an diejenigen, die auch politische Verantwortung tragen, die notwendige Vorsicht bei ihren Äußerungen und ihren Handlungen walten zu lassen, um die deutlich sichtbaren positiven Entwicklungen der letzten Monate nicht zu stören.

Können aber eventuelle Spannungen im Presevo-Tal die KFOR vor neue Herausforderungen stellen?

Die KFOR ist sehr darauf bedacht, alle Entwicklungen, nicht nur im Kosovo, sondern auch im Umfeld des Kosovo und in der gesamten Region zu beobachten. Es lässt sich nie ausschließen, dass Handlungen, Aktionen und Verfahren, die in den Nachbarregionen stattfinden, Auswirkungen auf den Kosovo haben. Wir haben das auch in den letzten Tagen gesehen. Wir als KFOR bereiten uns auf alle möglichen Ereignisse, die denkbar sind, vor und wir sind nicht nur darauf eingestellt, im Norden des Kosovo bei Bedarf auch für ein sichereres Umfeld zu sorgen, wir sehen diese Verantwortung im ganzen Bereich und damit auch im Süden.

Porträt des KFOR-Kommandeurs Volker Halbauer (Foto: NATO)
Volker HalbauerBild: Nato

Seit dem 2012 hat Kosovo von der Internationalen Lenkungsgruppe die volle Souveränität erhalten. Die UN-Resolution 1244, auf deren Basis Kosovo seit Ende des Krieges 1999 verwaltet wurde, ist immer noch in Kraft. Auf Grund dieser Resolution kann Kosovo noch keine eigene Armee haben. Welche Perspektive gibt es hier, und wann könnte Kosovo eine eigene Armee haben?

Obwohl sich mit dem Ende der sogenannten überwachten Unabhängigkeit aus Sicht des Kosovo etwas entscheidend verändert hat, hat sich für mich als KFOR-Kommandeur an der Lage nichts geändert, denn wir leben alle in unterschiedlichen Welten. Es gibt mindestens zwei Welten: Eine ist die Welt der UN-Resolution 1244, in der die KFOR lebt und ihren Auftrag erfüllt, mit dem Ziel, weiterhin unparteiisch und unvoreingenommen die weitere Entwicklung im Kosovo positiv zu unterstützen. In dieser Resolution wird festgehalten, dass Kosovo vorerst keine Armee haben darf. Die andere Welt ist die Realität, die man nicht ignorieren kann: nämlich die Unabhängigkeit des Kosovo.

Seit vielen Jahren unterstützt KFOR die Kosovo Security Force auf der Grundlage ihres rechtlichen Status als eine Organisation, die sich um Sicherheit und Ordnung im Kosovo sorgt und auch bei humanitären Aktionen, bei Minenräumungen oder Katastrophen hilft.

Wird diese Organisation auch einmal in eine Armee umgewandelt?

Das wird sich im Laufe des Jahres sicherlich entscheiden. Eine entsprechende Untersuchung wird zurzeit im Kosovo durchgeführt und am Ende wird auch das Ergebnis präsentiert. Solange es erforderlich ist, wird das Engagement KFORs im Kosovo aufrechterhalten.

Der Norden des Kosovo gilt als ein rechtsfreier Raum, inwiefern beeinflusst die Gesetzlosigkeit Ihre Arbeit? (Anmerkung der Redaktion: Im Norden des Kosovo leben mehrheitlich Serben, die die Autorität Pristinas nicht anerkennen.)

Es ist natürlich immer ein Risiko, wenn es Gruppierungen oder Elemente in einem Einsatzraum gibt, die andere Interessen haben. Und das gilt sicherlich auch für den Norden des Kosovo. Ich glaube, dass die Mehrheit der Bevölkerung auch im Norden ein großes Interesse daran hat, in einem sicheren Umfeld friedlich zu leben. Und dass das Interesse der Menschen darin besteht, dieses friedliche Leben auch in einem Umfeld zu erleben, dass ihnen den wirtschaftlichen Fortschritt bringt. Dieses Interesse haben nicht alle Gruppierungen. Natürlich gibt es im Norden auch Elemente und Organisationen, die kein Interesse daran haben, dass sich die Lage verändert. Die organisierte Kriminalität ist natürlich aktiv. Und ich glaube, dass genau diese Elemente auch nicht davor zurückschrecken würden, wenn es in ihrem Interesse ist, auch weitere Maßnahmen zu ergreifen, die auch die Sicherheitslage der KFOR gefährden können.

Zerstörte Grabsteine im Dorf Klokot im Kosovo (Foto: DW/Z. Jakupi)
Im Dorf Klokot wurden Grabplatten serbischer Bürger zerstörtBild: DW/Z. Jakupi

Sehen Sie eine Möglichkeit, dass der Norden Kosovos sich in absehbare Zeit in die Strukturen des Staates Kosovo integrieren wird?

Wir werden sehen, wie der Dialog politisch fortgesetzt wird, wie die Parteien sich darauf einigen, wie Belgrad und Pristina eine Vereinbarung erzielen. Davon hängt es ab, ob das gelingt. Es liegt nicht an mir zu bewerten, in welchem Umfang das geschieht. Ich kann nur die beiden Seiten auffordern, eine gemeinsame Lösung für das Problem Kosovo zu finden und damit auch allen Menschen im Kosovo eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Volker Halbauer ist Kommandeur der von der NATO geführten internationalen Schutztruppe im Kosovo KFOR. Die Bundeswehr stellt das größte KFOR-Kontingent von insgesamt 5000 Soldaten.

Die Fragen stellte Vilma Filaj-Ballvora.