1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ölpest

Fabian Schmidt21. Februar 2013

Vom Öl im Golf von Mexiko ist fast drei Jahre nach dem Umglück kaum noch etwas zu sehen. Es ist aber noch da: gelöst im Wasser und als Ölteppich in der Tiefsee. Bakterien bauen das Öl in der Tiefsee nur langsam ab.

https://p.dw.com/p/17iCb
Erdöl von der Deepwater-Horizon Katastrophe im Wasser am Orange Beach, Alabama. (Foto: Dave Martin, AP)
Bild: AP

Zwischen einer halben und einer Million Tonnen Rohöl waren bei der Deepwater-Horizon Katastrophe im April 2010 in den Golf von Mexiko geströmt. Die Havarie der Ölbohrplattform hatte schwerwiegende Folgen für die Tierwelt: Seevögel, Meeressäugetiere und -schildkröten waren durch den klebrigen Ölfilm umgekommen. Und auch bei der Säuberung der Strände wurden noch viele Nistplätze und Schildkrötengelege beschädigt.

Eine tote Meeresschildkröte liegt an einem Strand in der Bucht von St. Louis, Mississippi (Foto: Joe Raedle/Getty Images)
Meeresschildkröten - sichtbare OpferBild: Getty Images

Die Folgen sind noch heute spürbar. So liegen die Geburtenraten von Delfinen deutlich unter denen aus der Zeit vor der Katastrophe. Aber ansonsten scheint Normalität im Golf von Mexiko eingekehrt zu sein: Fischereiflotten fahren wieder. Sie fangen Fisch und der ist auch genießbar. Touristen kehren zurück und baden im Meer.

Aus den Augen - nicht aus dem Sinn

Aber nur weil es nicht zu sehen ist, ist das Öl noch lange nicht weg. Gut die Hälfte des Rohöls hatte nämlich nie den Weg zur Wasseroberfläche gefunden. Anders als bei einem Tankerunglück, wo dicke Ölfladen auf dem Wasser herumschwimmen, ist bei dem Deepwater-Horizon Unglück ein Großteil des Öls gleich in der Tiefsee geblieben.

"Das Ölreservoir hatte einen unglaublichen Überdruck", erklärt Antje Boetius, Biologin am Alfred Wegener Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Weil das Öl nach dem Bruch der Förderleitung nur durch eine sehr dünne Öffnung ins Wasser austrat, wurde es in feinsten Tröpfchen versprüht. Deshalb blieb das Öl unten, so die Tiefsee-Forscherin: "Tropfen, die nur einen tausendstel Millimeter groß sind, haben eine so große Oberfläche im Verhältnis zu ihrem Auftrieb, dass sie gar nicht mehr aufsteigen. Sie driften mit den Wassermassen umher."

Das Ölleck der Deepwater Horizon am Meeresboden (Foto: dpa)
Unter hohem Druck hat austretendes Öl winzige Tropfen gebildet und ist nicht zur Oberfläche aufgestiegenBild: picture-alliance/dpa

In 1000-2000 Metern Tiefe haben sich diese feinen Öltröpfchen dann mit Schwebstoffen wie Plankton und Mineralien vermischt und sind verklumpt. Weil sie dadurch schwerer wurden, sind sie auf den Meeresboden abgesunken. Dort bilden sie noch heute Ölteppiche. "Das sieht aus wie Wollmäuse zu Hause, wenn nicht gesaugt wird – nur in rot und braun", beschreibt Boetius den Anblick des Öls in der Tiefsee. Dabei lagere es sich in dicken Schichten am Meeresboden und auf Tiefseekorallenriffen ab.

Einsatzbereite Bakteriengemeinschaft

Weil aber im Golf von Mexiko auch immer wieder auf natürlichem Wege Öl austritt, haben sich dort Bakterien angesiedelt, die mit speziellen Enzymen Öl gut verdauen können. Diese Bakteriengemeinschaft zersetzt langsam den Tiefsee-Ölteppich. Das ist zwar gut, weil das Öl dann verschwindet, aber nicht immer ist das, was die Bakterien aus dem Öl machen auch ungiftig sagt Detlef Schulz-Bull, Chemiker am Leibnitz-Institut für Ostseeforschung.

Wie giftig bakterielle Abbauprodukte sind, hänge vor allem von der Zusammensetzung des Öls ab. So enthalte Erdöl einen Anteil hochgiftiger schwer abbaubarer aromatischer Verbindungen. Wenn Bakterien dann das komplexe Gemisch, aus dem das Erdöl besteht, verdauen sei die Giftigkeit der Abbauprodukte nur sehr schwer zu beurteilen, warnt der Chemiker Schulz-Bull. Das liegt daran, dass die Mischung der Stoffe nach den bakteriellen Umwandlungsprozessen noch komplexer wird. "Und auch ihre Giftigkeit nimmt wahrscheinlich zu" so der Meeresexperte.

Das Hauptproblem dabei: Die bakteriellen Abbauprodukte, wie zum Beispiel Fettsäuren, sind leichter wasserlöslich als die ursprünglichen längerkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen. Daher nehmen Organismen sie auch schneller auf. So landen die Gifte in der Nahrungskette - vom Plankton über die Fische in Walen, Delfinen und auf dem Teller der Menschen.

Öl an der Wasseroberfläche (Foto: Chris Graythen/Getty Images)
Das Versprühen des Lösungsmittels Corexit hat den ölabbauenden Bakterien geschadetBild: Getty Images

Ein weiteres Problem: Die Bakterien verbrauchen viel Sauerstoff. Das kann im Meer zu Sauerstoffarmut führen. Dann kommen andere Bakterien zum Zuge, die keinen Sauerstoff brauchen. "Wenn die dran kommen, hat das einen unangenehmen Nebeneffekt: Sie produzieren Sulfid, also Schwefelwasserstoff als Endprodukt, das Würmer, Muscheln und Fische vertreibt", ergänzt die Biologin Boetius. Anfangs befürchteten Biologen deshalb, dass der Golf von Mexiko umkippen könnte wie ein fauliger Tümpel. Dies hat sich dann aber nicht bewahrheitet, denn die starken Strömungen sorgen für eine stetige Sauerstoffzufuhr und verdünnen das Öl und die bakteriellen Abbauprodukte.

Lösungsmittel verzögern natürlichen Abbau

Allerdings ist mittlerweile auch klar, dass die Ölbekämpfer den Bakterien ihre Arbeit nicht gerade leicht gemacht haben: Um zu verhindern, dass das Öl an der Wasseroberfläche die Küsten erreicht, haben sie riesige Mengen des giftigen Lösungsmittels Corexit auf den Ölteppich gesprüht. Das führte zwar dazu, dass sich das Öl an der Oberfläche auflöste, aber so entstand ein neues Problem: Das Öl und das Corexit gelangten in gelöster Form ins Wasser und vergifteten dort Bakterien, Fischlarven und andere Kleinstlebewesen.

"Man muss bei der Bekämpfung von Ölkatastrophen schnell Prioritäten setzen" erklärt die Tiefseeforscherin Boetius. Die Verantwortlichen hätten offensichtlich gehofft, durch den Corexit-Einsatz Vögel, Meeresschildkröten und Meeressäugetiere zu retten. "Und da hat Corexit durchaus einen Sinn, weil es schafft, das Öl fein zu verteilen. Aber der bakterielle Abbau wird verlangsamt, und wenn das Öl dann noch in die Tiefsee sinkt, wird es dort viel schlechter abgebaut."

Ein ölverschmierter Brauner Pelikan (AP Photo/Charlie Riedel)
Für diesen Pelikan kam jede Hilfe zu spätBild: AP

Der Chemiker Schulz-Bull zieht daraus eine Lehre: Man solle bei großen Ölkatastrophen keinerlei Lösungsmittel einsetzen, denn sie vertuschten nur die sichtbaren Effekte des Öls. Man könne es zwar nicht mehr sehen, aber das Öl sei immer noch vorhanden. Der Einsatz von Corexit mache alles noch viel schlimmer, so Schulz-Bull: "Man gibt noch tausende von zusätzlichen chemischen Stoffen, die auch nicht harmlos, sondern an sich schon toxisch sind, in das System hinein. Man verbessert eigentlich überhaupt nichts."

Auch das Verbrennen des Ölfilms, wie es im Golf von Mexiko versucht wurde, hält der Chemiker für einen Fehler, denn bei der Verbrennung von Erdöl unter niedrigen Temperaturen entstehen ebenfalls hochtoxische Verbindungen in hohen Konzentrationen wie zum Beispiel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder auch Dioxin. "Das ist aus ökologischer Betrachtung unsinnig", so Schulz-Bull.

Gegen Ölteppiche helfe nur eins: Man müsse sie mit Ölsperren eingrenzen, das Öl abpumpen und - wenn das nicht geht, mit umweltfreundlichen Materialien wie zum Beispiel speziellen Holzstückchen versuchen, das Öl an der Wasseroberfläche zu binden. Dann könne man auch später noch versuchen, es von der Oberfläche des Meeres abzufischen.