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"Neuanfang intelligent nutzen"

Antje Passenheim18. Oktober 2013

Das Haushaltsdrama in den USA ist vorbei. Die Krise aber nicht. Der US-Haushaltsexperte Marc Goldwein hofft, dass die Verhandlungspartner die Chance beim Schopf ergreifen.

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Marc Goldstein (Foto: privat)
Bild: privat

DW: Der Kongress hat die Krise um die Schuldenobergrenze und den Etat vorerst abgewendet. Doch die Lösung ist zeitlich begrenzt. Wie wird sich das auf die US-Wirtschaft, die Kauflust der Verbraucher und damit wieder auf das Budget auswirken?

Goldwein: Ich denke, die Märkte und Verbraucher sind zunächst einmal erleichtert darüber, dass wir nicht über die Klippe gesprungen sind. Aber solange diese Probleme über uns schweben, wird die Unsicherheit unsere wirtschaftliche Erholung behindern. Und damit meine ich nicht nur die Schuldenobergrenze und die Finanzierung der Regierung, sondern auch steigende Staatsschulden und Unsicherheit in der Steuer- und Ausgabenpolitik.

Die Schmerzattacke ist vorbei, aber der Patient nicht geheilt. Das Defizit lag im letzten US-Haushaltsjahr bei knapp 700 Milliarden Dollar. Das entspricht rund vier Prozent der Wirtschaftsleistung. Ihre Organisation berät auch die Regierung in Steuerfragen. Was raten Sie nun den Verhandlungsführern, um den Haushalt wieder zu konsolidieren?

Eine gute Sache, die aus diesem ganzen Streit resultiert, ist, dass er zu der Gründung einer überparteilichen Kommission geführt hat. Das heißt, zum ersten Mal seit 2009 bekommen wir vielleicht ein Budget, auf das sich beide Parteien in Abgeordnetenhaus und Senat wirklich einigen. Dieses Budget kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn es unsere langfristige fiskale Situation berücksichtigt. Das würde eine Überarbeitung des Verteidigungshaushalts und der Etats verschiedener Behörden ebenso beinhalten wie die Drosselung einiger Sozialprogramme. Nötig ist auch eine Steuerreform, die beides steigert: Wachstum und Einnahmen.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, hat als Reaktion auf das Kongressvotum gefordert, die Sparmaßnahmen nach dem Rasenmäherprinzip, den sogenannten Sequester zu beenden. Stattdessen schlug sie der US-Regierung graduell ansteigende Sparmaßnahmen vor, die die wirtschaftliche Erholung nicht behindern. Stimmen Sie ihr zu: Schluss mit dem Sequester?

Das ist genau richtig. Der Sequester war nicht als politische Maßnahme gedacht, sondern als Bestrafung. Sie schlägt sinnlos und schlagartig querbeet zu und trägt nicht dazu bei, die Haushaltslage langfristig zu verbessern. Wir sollten soviel von dem Sequester ersetzen, wie wir können - durch intelligentere, graduellere, Wachstum fördernde und langfristige Einsparungen. Das ist eine exzellente Idee.

Die US-Notenbank Fed hat im Moment die Lizenz zum Dollar drucken. Wie lange kann diese Politik des billigen Geldes noch anhalten?

Auf jeden Fall so lange, wie wir noch auf Erholungskurs sind. Aber das wird nicht ewig so weitergehen, und an einem gewissen Punkt werden sie erlauben, dass die Zinsen steigen, womit sie ja schon etwas begonnen haben. Und wenn wir bis dahin unsere steuerpolitischen Angelegenheiten nicht geordnet haben, wird alles noch härter.

Nach dem Streit ist vor dem Streit: Bis zum 7. Februar 2014 muss der Kongress sich erneut auf ein Schuldenlimit einigen. Kein anderes Industrieland hat dieses Instrument der Schuldenobergrenze, das aus dem Jahr 1917 datiert. Etliche Experten zweifeln seine Sinnhaftigkeit an und plädieren für die Abschaffung. Was sagen Sie?

Ich denke, dass es sinnvoll ist, solche Mahnungen für unsere Schuldenpolitik zu haben. Sonst geht es in der US-Politik nur darum, Geld auszugeben und Steuern zu verringern. Darum ist diese Hürde vor dem Aufstocken der Schulden hilfreich. Was allerdings nicht hilft, ist dieses Werkzeug als Waffe zu benutzen.

Marc Goldwein ist ein Haushaltsexperte der unabhängigen Organisation "Committee for a Responsible Budget".

Das Interview führte Antje Passenheim.