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Gladiatoren-Ausstellung in Hamburg

Verena Greb
16. September 2020

Gladiatoren metzelten sich gegenseitig nieder und am Ende lag einer tot im Staub? Das Archäologische Museum Hamburg räumt mit diesem gängigen Mythos auf.

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Ein Mann mit Lendenschurz und Schwert steht in einem unterirdischen Gang
Brot und Spiele: Gladiatorenkämpfe dienten der Volksbelustigung Bild: Gallo Römisches Museum

Einmal Gladiator sein - wer Filme wie Mervin LeRoys "Quo vadis?" (USA 1951), Stanley Kubricks "Spartacus" (USA 1960) oder aber "Gladiator" von Ridley Scott (USA/UK 2000) gesehen hat, mag sich vielleicht schon mal vorgestellt haben, wie er sich selbst in der Rolle des mutigen Kämpfers geschlagen hätte. In der Ausstellung "Gladiatoren - Helden des Kolosseums" im Archäologischen Museum Hamburg kann man dies nun quasi ausprobieren und in die entsprechende Ausrüstung steigen. 

Das spielerische Nachempfinden des Gladiatoren-Daseins ist dabei allerdings nur ein Aspekt. "Was sagen Inschriften? Was sagt die bildliche Überlieferung über das echte Leben aus? Was sagen Knochen bzw. Untersuchungen an bestatteten Gladiatoren über ihr Leben, über ihre Ernährung und so weiter aus?" All diese Punkte hätten dazu beigetragen, das in Hollywood-Filmen präsentierte Bild zu hinterfragen und die historischen Tatsachen in den Vordergrund zu rücken, so Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg, im DW-Gespräch. 

Spiele im antiken Rom 

Blick vom Monumento Vittorio Emanuele II auf das Forum Romanum in Rom, Italien
Bevor das Kolosseum in Rom gebaut wurde, war auch das Forum Romanum Schauplatz von Gladiatorenkämpfen Bild: picture-alliance/D.Kalker

Wo die ersten Gladiatorenkämpfe stattfanden, ist nicht eindeutig belegt. Dass sie 264 v. Chr. erstmals auch in Rom ausgetragen worden sein sollen, gilt hingegen als sicher. Damals ließen die Nachkommen eines verstorbenen Römers drei Sklavenpaare zu seinem Gedenken auf einem Marktplatz gegeneinander antreten. Auch andere Patrizierfamilien organisierten fortan private Kämpfe zu ihrer Belustigung. Da diese Spektakel beim Volk gut ankamen, wurden sie immer mehr zu Massenveranstaltungen.

Teil des Kaiserkults wurden sie dann unter Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr.), der veranlasste, dass nur an wenigen festgelegten Tagen gekämpft werden durfte. "Der richtige Gladiator, der hat drei, wenn's kracht, vier Kämpfe im Jahr durchgeführt. Dazwischen wohnte, trainierte und lebte er in der Gladiatorenschule, die man sich wie ein Internat vorstellen muss", erzählt Weiss. Dort wurde er rundum versorgt.

Kampf mit Regeln

Zwei Gladiatoren in einem Schaukampf vor Publikum in Frankreich 2010
Heute werden Gladiatorenkämpfe vielerorts nachgestelltBild: picture-alliance/dpa/G. Targat

Der typische Verlauf eines Kampftags geht ebenfalls auf Augustus zurück, der auch Tierhetzen in das Programm integrierte. Gegen Mittag folgten Hinrichtungen, beispielsweise von zum Tode verurteilten Verbrechern, gelegentlich Zirkusnummern zur Aufheiterung des Publikums und erst nach Schaukämpfen, bei denen auch Adelige ihr Können unter Beweis stellten, wurden die Gladiatoren präsentiert. Wer in welcher Paarung antreten würde, war schon zuvor bekanntgemacht worden. Die Gladiatorenkämpfe waren der Höhepunkt der Spiele. Die ausgewählten Männer stachen nicht einfach drauf los oder fuchtelten ziellos mit ihren Schwertern umher. Es gab Regeln und einen Schiedsrichter, der für ihre Einhaltung sorgte. "Das ist etwas, was wir in unserer kollektiven Vorstellung überhaupt nicht vor Augen haben. Da kommt niemals ein Schiedsrichter vor, der sagt 'Achtung, die Lederriemen-Bindung hat sich gelöst, gib ihm Zeit, die neu zu richten'. Oder: 'Achtung, der dreht sich gerade um und holt Luft. Jetzt darfst du nicht zustechen' und so", erklärt Museumsdirektor Weiss.

Zwar war ein Unentschieden der seltenste Ausgang einer kämpferischen Auseinandersetzung, aber es kamen auch längst nicht so viele Gladiatoren um, wie viele glauben. Laut Weiss ist es ein Mythos, dass pro Kampf einer habe sterben müssen: "Das war der Ausnahmefall, denn die Kämpfer waren hoch ausgebildete, angesehene, wirklich teure Fachleute. Ähnlich wie heutige Boxkämpfer oder Wrestlingstars, die man alle mit Namen kennt und die ihre Fans haben." Manch einer starb aber doch im Kampf - oder wenn er aufgab und das Publikum oder der Kaiser ihn nicht begnadigten. 

Weltberühmte Kampfstätte: das Kolosseum in Rom

Innenansicht des Kolosseums in Rom
Ein Besuchermagnet in Rom: Im Kolosseum fanden früher Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen und Hinrichtungen stattBild: picture-alliance/dpa/M. Berry

Wurden die Gladiatorenspiele anfangs noch auf Marktplätzen und auf großen städtischen Flächen - nicht nur in Rom, auch in Pompeji und anderswo - ausgetragen, folgten bald Kämpfe in Amphitheatern. In Rom steht das weltweit größte, das Kolosseum. Bis zu 50.000 Zuschauer konnte dieser von Kaiser Vespasian im 1. Jh. n. Chr. in Auftrag gegebene Bau beherbergen. Noch heute zeugen die Ruinen von der einstmaligen Pracht.

Während 2019 rund 7,5 Millionen Besucher das Monument besichtigten, musste dieses Wahrzeichen Roms 2020 Corona-bedingt  für rund drei Monate geschlossen bleiben. Nach der Wiedereröffnung ist der Zugang nun stark begrenzt. 

Zwischen geringem Ansehen und Heldenstatus

Gladiatoren in Ausrüstung und siegreichen Posen, in der Mitte der Titelheld aus Ridley Scotts Film alias Russel Crowe
Schauspieler Russel Crowe (Mitte vorn) verkörperte in Ridley Scotts Film "Gladiator" (2000) den TitelheldenBild: picture-alliance/dpa/United Archives

Gladiatoren waren mitnichten nur Gefangene, Sklaven oder Verdammte. Durch die gute Versorgung in Gladiatorenschulen - die berühmteste befand sich in Pompeji, es gab sie aber auch in Trier, Köln, Xanten und natürlich in Rom - entschieden sich auch freie Bürger für das Leben in Unfreiheit. Die Schulen formten Profis - regelrechte Helden, die römische Tugenden verkörperten.

Was weniger bekannt ist und auch in der Hamburger Schau thematisiert wird: Auch Frauen kämpften gegeneinander. "Das passte nicht in das römische Weltbild, weshalb man sie (die Kämpfe, Anm. d. Red.) wohl eher totgeschwiegen und im Jahr 200 sogar offiziell verboten hat", sagt Weiss. "Und schon über so ein kaiserliches Verbot wird ja klar: Es muss sie in ernstzunehmendem Umfang gegeben haben." Der Frau kam in der Überlieferung ansonsten nur die Rolle der Bewunderin und Geliebten zu. Wobei offiziell Verbindungen zu Gladiatoren verpönt waren, da sie gesellschaftlich noch eine Stufe unter den Sklaven standen.

Was die Ausstellung verspricht 

Ein Junge im Kostüm eines Gladiators mit Helm und Schil
Auch Kinder möchte das Archäologische Museum Hamburg über das Leben der Gladiatoren aufklärenBild: Archäologisches Museum Hamburg

Hauptanliegen der nun in Hamburg laufenden Wanderausstellung ist, mit dem Bild des blutrünstig metzelnden Gladiators, wie man ihn aus Hollywood-Filmen kennt, aufzuräumen.

"Gladiatoren sind ein Thema, mit dem jeder etwas anfangen kann, wo aber üblicherweise jeder das falsche Bild vor Augen hat. Ähnlich wie man bei Wikingern immer denkt, die hätten Helme mit Hörnern auf. Dabei gibt es nicht einen einzigen Wikinger mit Hörnern", erklärt Weiss. Originalfundstücke, Rekonstruktionen und interaktive Stationen sollen helfen, das Gladiatoren-Dasein so zu vermitteln, wie es sich in der Realität dargestellt hat - und dabei dennoch nicht vergessen, dass Tod und Blutvergießen Teil des Ganzen waren. 

Die Ausstellung "Gladiatoren – Helden des Kolosseums" läuft vom 16.09.2020 bis zum 28.02.2021 im Archäologischen Museum Hamburg.