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Kurdenpolitiker Demirtas soll freikommen

2. September 2019

Seit fast drei Jahren sitzt der oppositionelle Kurdenpolitiker Demirtas in türkischer Untersuchungshaft. Nun beschließt ein Gericht in Ankara, ihn unter Auflagen freizulassen. Doch so einfach ist das in der Türkei nicht.

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Selahattin Demirtas ehemaliger stellvertretender HDP Vorsitzender
Bild: HDP

Ein Gericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat die Freilassung des seit fast drei Jahren inhaftierten pro-kurdischen Politikers Selahattin Demirtas im Hauptverfahren angeordnet. Allerdings muss der bekannte Widersacher von Präsident Recep Tayyip Erdogan zunächst im Gefängnis in Edirne bleiben, weil er bereits in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilt wurde. Das teilte einer seiner Anwälte, Mahsuni Karaman, auf Twitter mit. Die Anwälte hätten einen Antrag auf Anrechnung der Haftzeit gestellt und ebenfalls beantragt, dass Demirtas auf Bewährung entlassen werde. Er erwarte deshalb, dass sein Mandant bald freikomme, schrieb Karaman weiter.

Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP forderte die "sofortige" Freilassung ihres ehemaligen Vorsitzenden. Demirtas sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft. Gegen ihn laufen zahlreiche Prozesse. In dem Hauptverfahren, das am Montag zur Verhandlung stand, drohen ihm 142 Jahre Haft wegen Leitung einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Anstachelung zu Straftaten. Im Dezember 2018 hatte ein Berufungsgericht in Istanbul eine Haftstrafe von vier Jahren und acht Monaten wegen Terrorpropaganda gegen Demirtas bestätigt.

Rüge vom Europäischen Gerichtshof

Im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geurteilt, dass die lange Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei und die Freilassung von Demirtas angeordnet. Die Türkei muss als Mitglied des Europarats Urteile des EGMR eigentlich umsetzen - Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte allerdings gesagt, er fühle sich an das Urteil nicht gebunden.

Terrorvorwürfe gegen Demirtas: Gespräch mit Nalan Sipar

Zahlreiche Anwaltskammern warfen unterdessen der Regierung vor, die Gewaltenteilung zu untergraben und boykottierten einen Empfang im Präsidentenpalast. Nach Angaben der Zeitung "Cumhuriyet" boykottierten am Montag 52 von 79 Anwaltskammern die Veranstaltung, die jedes Jahr zur Eröffnung des Gerichtsjahrs nach der Sommerpause stattfindet. Die Kammern kritisierten, dass die Veranstaltung in Erdogans Palast abgehalten wurde, und monierten zudem, dass "ein Großteil der Grund- und Freiheitsrechte, allen voran die Meinungsfreiheit" in der Türkei vernichtet worden seien. Erdogan bezeichnete die Vorwürfe in einer Rede als "haltlos" und sagte, es handele sich um "fanatische und provokative Anmaßungen".

Demirtas war bis Februar 2018 Chef der HDP. Er nahm nach einem Bericht der Zeitung "Cumhuriyet" aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Fortsetzung seines Hauptverfahrens in Ankara teil und wurde demnach aus dem Gefängnis im westtürkischen Edirne heraus per Video zugeschaltet. Erdogan hält die HDP für den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und hat Demirtas immer wieder als "Terroristen" bezeichnet.

kle/bru (dpa, afp)