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Geliebter Feind

Silke Wünsch17. April 2014

Millionen Internetnutzer haben Google zu einem der größten Player im WWW gemacht. So viel Macht schürt Ängste, wie der Chef des mächtigsten deutschen Zeitungsverlags in der Tageszeitung FAZ geäußert hat.

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Bild: Reuters

Der offene Brief des Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner an den Google-Chef Eric Schmidt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat die Debatte um die Gefährlichkeit von Google neu entfacht. Döpfner wirft dem US-Konzern darin vor, er entwickle sich zu einer Art "digitalem Suprastaat", der ein "globales Netzmonopol" anstrebe. Inzwischen sei sein Unternehmen – der größte deutsche Zeitungsverlag - völlig von Google abhängig und der gesamte Werbemarkt im Internet durch Googles Algorithmen bestimmt. Deshalb habe er "Angst vor Google".

Der Brief sorgte für einen lauten Aufschrei in der Blogosphäre. Er hat nämlich eine Vorgeschichte, die weit ins letzte Jahr hineinreicht. Nahezu alle großen deutschen Verlagschefs forderten Anfang 2013 die Einführung des sogenannten Leistungsschutzrechts. Dieses Gesetz ermöglicht es Verlagen, Geld von den Suchmaschinen zu verlangen, wenn die auf ihren Trefferlisten kurze Auszüge aus den journalistischen Inhalten verwenden. Begründung: Die kleinen Textauszüge, sogenannte Anrisstexte, unterliegen schließlich dem Urheberrecht. Am 1. August 2013 war das Gesetz, das von vielen als "internetfeindlich" kritisiert wurde, in Kraft getreten.

Google Initiative Leistungsschutz
Die Online-Aktion gegen das LeistungsschutzrechtBild: imago stock&people

Google hatte daraufhin lediglich mit den Schultern gezuckt und gesagt, wenn es nicht mehr möglich sei, diese Anrisstexte zu nutzen, werde man auf Google News eben nicht mehr auf diese Inhalte verlinken. Das jagte der Zeitungsbranche einen Schrecken ein: Denn wer in den Suchergebnissen von Google nicht mehr auftaucht, der wird auch weniger gefunden. Der Schuss ging also nach hinten los.

"Ein knallharter Geschäftsmann"

Blogger und Journalisten wundern sich über Döpfners Ressentiments gegenüber dem US-Konzern. Obwohl sie ihm in einigen Punkten Recht geben, gerade da, wo es um Googles Umgang mit dem Datenschutz geht, wo dem US-Konzern vorgeworfen wird, sich eine Art Werbemonopol im Netz zu sichern und wo Döpfner die nicht vorhandene Transparenz in Googles Geschäftsgebahren kritisiert.

Tenor in vielen Kommentaren aber ist die Frage, warum sich ein Konzernchef, der sein Unternehmen immer weiter nach vorne bringt und dabei nicht zimperlich ist, plötzlich vor dem großen Google-Konzern in den Staub wirft. Hier spreche nämlich nicht der kleine, um seinen Lebensunterhalt und die Privatsphäre besorgte Mann von der Straße, sondern der Vorstandschef eines Großverlags, dessen Ziel es noch nie gewesen sei, eine bessere Welt zu schaffen, schreibt Martin Weigert von Netzwertig.com: "Die Werte, für die der Medienboss und seine Verlegerkollegen stehen, sind für viele Digital Natives mindestens genauso unheimlich wie Googles Gigantismus und Privatsphäre-Aversion. Auch wenn es an manchen Stellen so klingt, steht hinter dem Text nicht in erster Linie ein Autor, dem etwas an einer funktionierenden, Grundrechte bewahrenden Gesellschaft liegt, sondern ein knallharter Geschäftsmann mit Zielen, die weitaus weniger im Interesse der Allgemeinheit liegen, als dies deutlich wird."

Deutschland Verlagswesen Springer Presse Mathias Döpfner
Mathias Döpfner ist Herr über die "Springer-Presse"Bild: dapd

Google hat einen besseren Job gemacht

Der Unternehmensberater Daniel Fürg hätte Döpfner mehr zugetraut. Auf "Social-Secrets" bloggt er enttäuscht: "Es ist das Armutszeugnis einer Branche, die in den letzten 15 Jahren jeden Trend verschlafen hat, es immer wieder verpasst eigene Trends zu setzen und erst Recht Angst vor Risiken hat. Die Verlagsbranche in Deutschland hat viel zu spät erkannt, dass sie sich wandeln muss, um weiterhin erfolgreich sein zu können und sie muss die Konsequenzen daraus jetzt ausbaden."

Ins gleiche Horn stößt der US-amerikanische Blogger und Journalist Jeff Jarvis, Autor des Buches "Was würde Google tun?" Seine bitterböse Replik auf Döpfners offenen Brief findet in der weltweiten Netzgemeinde großen Anklang und wurde vielfach auf Twitter herumgereicht.

In seinem Blog "BuzzMachine" seziert er Döpfners Brief und kritisiert ihn als "Gefahr für den Ruf Deutschlands als Quelle technologischer und industrieller Innovation". Er findet es eher traurig als lustig, dass ausgerechnet jetzt, da die deutsche Start-up-Szene eigene Wege gehe und nicht mehr den US-Vorbildern nacheifere, ein solcher Brief den Anschein erwecke, dass diese Nation technophob sei. Eigentlich denke er auch nicht, dass Döpfner tatsächlich das meint, was er da schreibt, sinniert Jarvis weiter. Er glaubt eher an die Taktik eines mehr oder weniger hilflosen Konzernchefs, der einem noch viel größeren Konzernchef die Stirn bieten will, indem er Google in der Presse mobbe. Und das Ganze mit dem Nimbus eines beleidigten Kindes, das trotzig mit dem Fuß aufstampft, weil man ihm sein Spielzeug weggenommen hat.

USA Deutschland Google-Experte und Buchautor Jeff Jarvis in Berlin
Google-Kenner Jeff JarvisBild: picture-alliance/dpa

Unterm Strich bliebe, fasst der Wirtschaftspublizist und Medienberater Gunnar Sohn auf "ichsagmal.com" zusammen, "Döpfners Angst vor der Abhängigkeit des Springer-Konzerns vom Traffic, der über Google läuft."

Wir brauchen Google nicht

Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie symbiotisch das Verhältnis zwischen dem Nutzer und Google eigentlich ist. Es geht nicht nur großen Verlagen so, sondern jedem Nutzer, der Googles Dienste beansprucht. Google nimmt viel, nämlich die Nutzerdaten, und kaum einer weiß, was der Konzern wirklich damit macht. Google gibt aber auch viel zurück. Und zwar die kostenlose Nutzung seiner Dienste, auf die sehr viele Menschen nicht mehr verzichten wollen.

Google Data Center in Oklahoma
Sammelbox: Das Google Data Center in OklahomaBild: picture-alliance/dpa

Döpfner schreibt: "Google weiß über jeden digital aktiven Bürger mehr, als sich George Orwell in seinen kühnsten Visionen in '1984' je vorzustellen wagte". Das stimmt. Aber nicht, weil Google sich diese Information illegal besorgt hat. Der Unternehmen hat die Information, weil die Nutzer sie ihm freiwillig gegeben haben. Es wäre naiv zu glauben, dass man sich vor Google verstecken kann, wenn man im Netz nach Informationen "googelt".

Google aber ist nicht so "alternativlos", wie Döpfner es darstellt. Google hat auf keines seiner Angebote ein Monopol. Dass sehr viele Internetnutzer sich freiwillig an Google binden, liegt daran, dass seine Dienste sehr praktisch und userfreundlich sind, da sie alle miteinander vernetzt und mit einem Nutzerkonto verbunden sind. Wenn sich immer mehr Nutzer dazu entschieden, Google den Rücken zuzukehren, würde dies dem Konzern seine Lebensgrundlage entziehen. Die Daten würden dann woanders landen.