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Politik

Entspannt bei der Libyen-Konferenz

17. Januar 2020

Der Versuch des russischen Präsidenten, in Libyen einen dauerhaften Waffenstillstand zu vermitteln, scheiterte. Putin kann nun froh sein, bei den Gesprächen in Berlin die Verantwortung zu teilen, meint Konstantin Eggert.

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Russland syrischer General Khalifa Haftar nach Treffen mit Lawrow
Der libysche General Chalifa Haftar hat schon lange den Rückhalt Moskaus und ist regelmäßig dort zu GastBild: Reuters/M. Shemetov

Man kann davon ausgehen, dass Moskau über Angela Merkels Einladung an Mike Pompeo zur Libyen-Konferenz nach Berlin verärgert ist. Der US-Außenminister wird Putin mit Sicherheit ein kleines Stück der Show stehlen, die der russische Präsident  für sich selbst verbuchen wollte.

Aber im Schatten der Regierungsumbildung in Moskau und der geplanten Verfassungsänderungen ist Putins Fokus ganz klar auf sein eigenes Land gerichtet. Sogar einen geplanten Besuch in Israel verkürzte Putin von drei Tagen auf einen - obwohl er immer wieder unterstreicht, wie wichtig ihm die Beziehung zu Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei.

Weshalb Haftar Präsident Putin brüskierte

Als Putin und Merkel die bevorstehende Libyen-Konferenz ankündigten, ging der Kreml ganz klar davon aus, dass die von Russland und der Türkei moderierten Gespräche in Moskau am 14. Januar ein Spaziergang werden würden. Und noch wichtiger: dass sie Putin nicht von seiner heimischen Agenda ablenkten.

von Eggert Konstantin Kommentarbild App
Konstantin Eggert ist russischer Journalist

Doch das sah General Chalifa Haftar, der als Kommandeur der sogenannten "Libyschen Nationalen Armee" den Rückhalt Russlands hat, bekanntlich anders. Er zog sich von den Gesprächen zurück, ohne das vorgeschlagene dauerhafte Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. Und verhöhnte seine Gastgeber noch, indem er sie öffentlich bloßstellte. Das ließ Putin und seinen Außenminister Lawrow schwach und einfallslos wirken. Vor allem im Vergleich mit der Türkei und ihrem Verbündeten, Fajis al-Sarradsch. Die von Premier al-Sarradsch angeführte und von der UN anerkannte Regierung der Nationalen Einheit in Tripolis hatte das Abkommen unterzeichnet. Die Demütigung für Moskau war umso größer, weil es Haftar angeblich mit mehreren Hundert Söldnern der sogenannten "Gruppe Wagner" unterstützt. Die private russische Sicherheitsfirma soll Haftars Männer ausbilden und gemeinsam mit ihnen kämpfen.

Haftars Vertreter erklärten später, dass er das Abkommen nicht unterzeichnet habe, weil die Regierung al-Sarradsch keinen klaren Fahrplan für die Entwaffnung einiger ihrer Paramilitärs vorlegen konnte. Das klingt nach einer Ausrede. Fakt ist, dass der General nicht nur von Russland sondern auch von Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird. Eine glaubwürdige Quelle aus Moskau berichtet, dass es wahrscheinlich die Ägypter waren, die Haftar zum Rückzug drängten und dazu, weiter gegen die Regierung in Tripolis zu kämpfen. 

Der Kreml hat eine libysche Basis im Visier - und Öl

Weshalb investiert der Kreml überhaupt so viel Zeit, Energie und politisches Gewicht in den Libyschen Bürgerkrieg?

Erstens ist die "Befriedung" Libyens für Putin eine Art Wiedergutmachung dafür, dass der damalige Präsident Dmitri Medwedew im Jahr 2011 nicht gegen den Angriff des Westens auf Libyen einschritt. Die führte schließlich zum Sturz und zum Tod des libyschen Staatsoberhaupts Muammar al-Gaddafi und zu einem erbitterten Bürgerkrieg. Im Kreml ist man überzeugt davon, dass Russlands Ansehen mit einem Engagement in Libyen steigen wird - nachdem es schon erfolgreich das Assad-Regime in Syrien "gerettet" hat.

Zweitens hofft Putin darauf, dass ein russisches Engagement letztlich Früchte tragen könnte - in Form einer Luftwaffen-und Marinebasis (oder gar mehreren Basen) an der libyschen Küste. Abgesehen davon, dass ein solches Bauprojekt den Amerikanern ein Dorn im Auge wäre (was die Russen immer freut): Es würde einer Menge wichtiger Leute in Moskau über mehrere Jahre fette Staatsaufträge sichern.

Und drittens schließlich haben staatliche russische Öl- und Gasunternehmen ebenso wie einige private Firmen - unter strenger Beobachtung des Kremls - schon unter Gaddafi in Libyen operiert. Sie hoffen, dass sie ins Land zurückkehren können, sobald der Krieg vorbei ist.

Moskaus Annäherung an alle

Deshalb hat Moskau auch begonnen, sich der al-Sarradsch-Regierung anzunähern. Man möchte ein gutes Verhältnis zu beiden Seiten für den Fall, dass der Krieg nicht eindeutig von einer Seite entschieden wird. Es ist sehr verständlich, dass diese Kontaktaufnahme General Haftar zusätzlich verärgert. Seine finanzielle Unterstützung kommt hauptsächlich von den Saudis und aus den Emiraten, die sich im Gegenzug dazu entschlossen haben, sich von russischem Einfluss zu lösen.

Vor diesem Hintergrund mag es für Putin keine schlechte Idee sein, in Berlin nicht im Rampenlicht zu stehen und die Verantwortung für die Lösung einer neunjährigen Krise auf mehrere Schultern zu verteilen. Selbst wenn das bedeutet, dass die USA mit am Tisch sitzen.